20.04.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 27 / Tagesordnungspunkt 19

Cansel KızıltepeSPD - Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP mischt die wohnungspolitische Debatte in dieser Plenarwoche gleich mit zwei Anträgen auf. Es könnte der Anschein erweckt werden, die FDP plane eine wohnungspolitische Wende für die breite Bevölkerung in Deutschland.

(Beifall bei der FDP)

Aber das ist ein Trugschluss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Deutschland wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Allein in Berlin sind die Immobilienpreise im letzten Jahr – nur in einem Jahr – um 20 Prozent gestiegen, ganz zu schweigen von den Mietpreissteigerungen, die bei über 60 Prozent liegen. In keiner anderen Stadt weltweit war der Preisanstieg so groß wie in Berlin. Aber auch Hamburg, München und Frankfurt gehören zu den zehn Städten mit den am schnellsten steigenden Preisen. Viele Unistädte gehören auch dazu. Nicht umsonst sind über 20 000 Menschen letztes Wochenende auf die Straßen gegangen, um gegen den Mietenwahnsinn und die soziale Verdrängung zu protestieren, und das zu Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Und was fällt der FDP ein? Der FDP fällt nichts Besseres ein, als einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer zu fordern. Jeder weiß: Der Erwerb einer eigenen Immobilie kommt heutzutage – mit oder ohne Freibetrag – nur für einen sehr kleinen Bevölkerungsteil infrage, vielleicht im ländlichen Raum.

(Christian Dürr [FDP]: Das zu steigern, ist ja das Ziel!)

Es geht jedoch vor allem um die Menschen in Ballungszentren. Deutschland ist traditionell eine Mieternation. Das ist bei Ihnen offenkundig nicht angekommen.

(Christian Dürr [FDP]: Das wollen Sie auch nicht ändern!)

Zur Aufklärung: In den Städten, in denen bezahlbarer Wohnraum besonders knapp ist, ist die Mieterquote besonders hoch. In Berlin wohnen 86 Prozent der Menschen zur Miete, in Frankfurt 80 Prozent, in München 79 Prozent, in Hamburg 76 Prozent. Wir als SPD wollen deshalb eine wohnungs- und mieterpolitische Wende

(Karlheinz Busen [FDP]: Hätten Sie zehn Jahre machen können!)

und haben dementsprechend auch im Koalitionsvertrag Maßnahmen für mehr bezahlbaren Wohnraum durchgesetzt. Wir wollen, dass in den kommenden Jahren 1,5 Millionen Wohnungen gebaut werden.

(Daniel Föst [FDP]: Stillstand seit Jahren!)

Hierfür werden wir den Ländern in den kommenden zwei Jahren zweckgebunden 2 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

(Hagen Reinhold [FDP]: Zweckgebunden?)

Wir werden eine Enquete-Kommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ einsetzen. Wir werden den Missbrauch bei der Grunderwerbsteuer durch Share Deals effektiv und rechtssicher beenden. Das steht auch so im Koalitionsvertrag, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Die Länder brauchen das Geld. Ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer schafft ein neues Loch. Problematische Ausnahmen gibt es genug. Deshalb wollen wir insbesondere bei den Share Deals so schnell wie möglich zum Zuge kommen. Hierzu gibt es bereits eine Arbeitsgruppe der Länder. Bis zur Sommerpause werden hier Vorschläge gemacht werden, wie man verhindern kann, dass die Grunderwerbsteuer systematisch umgangen wird. Ein Beispiel: Das Sony Center am Potsdamer Platz wurde im letzten Herbst im Rahmen eines Share Deals für 1,1 Milliarden Euro verkauft.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Voll versteuert!)

Dem Land Berlin sind dadurch 66 Millionen Euro an Steuereinnahmen verloren gegangen. Ich kann Ihnen sagen: Wir brauchen dieses Geld, um mehr bezahlbaren und sozialen Wohnraum zu schaffen. Darauf können wir nicht verzichten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Dafür haben die Ertragsteuer bezahlt!)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen der Freien Demokraten?

Ja.

Werte Frau Kollegin, Sie sprachen gerade die Gelder für den sozialen Wohnungsbau an. Das freut mich natürlich sehr. Sie sagten auch, da brauchen Sie noch mehr Geld und wollen dort noch mehr Geld ausgeben. Stimmen Sie mit mir überein, dass es gerade nach der Föderalismusreform und nach dem Ende der Zweckbindung der Gelder für den sozialen Wohnungsbau augenscheinlich viele sozialdemokratisch geführte Bundesländer gibt, die das Geld nicht einmal ausschütten, sondern in ihren Landeshaushalten an anderen Stellen versickern lassen, und das, obwohl das Finanzministerium sozialdemokratisch geführt ist? Ich stelle das in Mecklenburg-Vorpommern fest, ich habe das in Berlin zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Gelder, die der Bund den Ländern seit Jahren für den sozialen Wohnungsbau überweist, gerade in Ländern, wo Sie Verantwortung tragen, leider dafür nicht eingesetzt werden.

(Beifall bei der FDP – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Alles für den Flugplatz!)

Ich teile Ihre Einschätzung teilweise. Der Bundeszuschuss für den sozialen Wohnungsbau läuft 2019 aus. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die entsprechende Regelung im Grundgesetz verlängert wird, weil das im Rahmen des Länderfinanzausgleichs einfach nicht berücksichtigt wurde. Es wird eine Grundgesetzänderung dazu geben. Es werden den Ländern zweckgebunden 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden also insbesondere den Missbrauch von Share Deals beenden,

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Da gibt es keinen Missbrauch! So ist es!)

bevor wir irgendetwas bei der Grunderwerbsteuer unternehmen. Falls wir hier nicht zuerst handeln, droht die Grunderwerbsteuer, wie gesagt, durch eine weitere Ausnahme zu einem Schweizer Käse zu werden. Das wollen wir nicht. Das ist ein Riesenproblem. Das würde auch zu Einnahmeausfällen führen, die die Länder sich nicht leisten können. Es gibt eine Studie des IW in Köln, die aufzeigt, dass die Steuereinnahmen aus der Grunderwerbsteuer um die Hälfte, also um fast 6 Milliarden Euro pro Jahr, niedriger ausfallen würden. Das geht nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist eine Mieternation. Deswegen brauchen wir Maßnahmen, die bezahlbaren Wohnraum schaffen und die Spekulationen beenden. Dazu leistet der FDP-Antrag leider keinen Beitrag. Vielleicht ändert sich das in Zukunft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich dem Kollegen Sebastian Brehm für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7219424
Wahlperiode 19
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer
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