20.04.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 27 / Zusatzpunkt 8

Florian ToncarFDP - Aktuelle Stunde zur Überführung des ESM in einen europäischen Währungsfonds

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über die Zukunft Europas ist im Gange. Emmanuel Macron hat gestern nach seinem Besuch hier in Berlin einen Begriff geprägt: „Moment des europäischen Abenteuers“. Meine Damen und Herren, Macron hat in den letzten sechs Monaten deutlich gemacht, dass er dieses „europäische Abenteuer“, von dem er spricht, gestalten will, dass er mit Vorschlägen in die Debatte geht und dass er die Debatte nach seinen Vorstellungen prägen möchte.

Wir Freie Demokraten stimmen mit vielen seiner Vorschläge überein: beim digitalen Binnenmarkt, bei der Verteidigung, bei den Themen Sicherheit und Asyl. Insofern gehen wir mit ihm. Hinsichtlich der Reform der Euro-Zone und der Zukunft der Währungsunion bestehen aber Differenzen, die man ganz klar ansprechen muss. Ähnliches gilt für das sogenannte Nikolauspaket, das die Kommission vorgeschlagen hat. Das sind Vorschläge rund um einen Investitionshaushalt, finanziert aus Steuermitteln, einen europäischen Finanzminister und einen Europäischen Währungsfonds, der unter leichteren Voraussetzungen Geld ausgeben kann, als der ESM das bisher tun darf. Diese Diskussion sehen wir kritisch. Dazu erwarten wir eigene Vorschläge von der Bundesregierung.

(Beifall bei der FDP)

Umso bemerkenswerter war es, dass die Bundesregierung gestern eine Entscheidung auf dem Europäischen Rat im Juni angekündigt hat, in knapp zwei Monaten. Das ist ein sehr kurzer Zeitraum für ein so wichtiges Thema. Aber während Emmanuel Macron in der Debatte einen Pflock nach dem anderen einschlägt, kommt der Bundeskanzlerin bis heute nichts Konkretes zur Zukunft der Währungsunion über die Lippen. Deutschland ist ein Totalausfall in dieser wichtigen Debatte.

(Beifall bei der FDP)

Das ist die Methode Merkel, die wir kennen: sich nicht festlegen, die Öffentlichkeit erst einmal beruhigen und dann Zeitdruck erzeugen, sodass wieder in Nachtsitzungen entschieden werden soll. Ich glaube erstens, diese Strategie wird bei diesem Thema nicht aufgehen, und ich glaube zweitens, dieses Thema ist viel zu wichtig, um den deutschen Bürgerinnen und Bürgern diese Vorgehensweise zuzumuten. Es muss mit offenem Visier über die Zukunft der Währungsunion diskutiert werden. Das erwarten wir von dieser Bundesregierung.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre gar nicht so schwer. Deutschland war einmal an der Spitze der Diskussion über die Währungsunion. Das war im letzten Sommer, als Finanzminister Wolfgang Schäuble ein Papier zur Zukunft der Währungsunion, zur Weiterentwicklung des ESM zu einem Europäischen Währungsfonds vorgelegt hat.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hättet ihr Jamaika gemacht, dann wären wir schnell fertig und die Kanzlerin wäre stärker in Europa!)

Wolfgang Schäuble hat erstens vorgeschlagen, dass weiterhin strenge Bedingungen und Auflagen für Hilfen gelten, und zweitens, dass wir eine Art Insolvenzordnung für Staaten schaffen. Er hat vorgeschlagen, die Gläubiger von Staaten heranzuziehen, bevor öffentliche Mittel zum Einsatz kommen.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Christian Hirte [CDU/CSU])

Natürlich wollte er auch – zu Recht –, dass der EWF mit einem neuen Aufgabenprofil dafür sorgt, dass Krisen gar nicht erst entstehen, dass er also stärker präventiv tätig wird.

Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen und die Bundesregierung: Was wäre eigentlich so schlimm daran, wenn die Bundeskanzlerin sich klar zu den Vorschlägen ihres früheren Finanzministers Wolfgang Schäuble bekennen würde? Die Vorschläge sind da, darüber kann man verhandeln. Bekennen Sie sich dazu. Die Vorschläge gehen zumindest in die richtige Richtung.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum tut die Bundeskanzlerin das nicht? Warum bekennt sie sich nicht zu dem, was Wolfgang Schäuble – das ist alles durchaus vernünftig – aufgeschrieben hat? Weil die CDU/CSU in dieser Frage tief zerstritten ist und weil die Koalition insgesamt in dieser Frage vollkommen unterschiedlicher Meinung ist und diese Debatte mit Leidenschaft untereinander austrägt.

Die FDP hat im Februar dieses Jahres einen Antrag zur Zukunft des ESM und zur Entwicklung eines sinnvollen Aufgabenprofils für einen EWF in den Bundestag eingebracht. Sie müssen nicht jedem Antrag zustimmen. Aber ich erwarte schon, dass Sie sich an der Debatte auch mit eigenen Vorschlägen beteiligen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in jeder Sitzungswoche des Bundestages setzt Ihre Koalitionsmehrheit im Haushaltsausschuss den Antrag der FDP von der Tagesordnung ab, weil Sie nicht einmal in der Lage sind, sich zu unseren Vorschlägen zu positionieren. Wie wollen Sie sich dann eigentlich zu Macron positionieren? Es ist doch völlig ausgeschlossen, dass Sie so bei diesem Thema je auf einen grünen Zweig kommen.

(Beifall bei der FDP)

Ihr eigener Kommissar Günther Oettinger drängt Sie, zu sagen, Sie müssten Macron entgegenkommen. Gleichzeitig schreibt Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Herr Brinkhaus ein Papier, in dem er schon die Rechtsgrundlage für den Kommissionsvorschlag bezweifelt. Die CSU schreibt ein eigenes Papier, während die SPD die Union ermahnt, dass sie sich bitte schön an den Koalitionsvertrag halten soll. Da haben Sie nicht so genau verhandelt, sodass Sie sich jetzt nicht einig sind, was eigentlich zu tun ist. Das sind doch Chaostage in der Finanzpolitik, die wir in diesem Land erleben müssen.

(Beifall bei der FDP)

Die Krönung des Ganzen ist, dass der einzige Vorschlag, der jetzt neu von Frau Merkel gekommen ist, der eines Jumbo-Rats ist, in dem sich die Finanzminister mit den Wirtschaftsministern zusammensetzen sollen. Da riecht doch jeder Lunte: Der Finanzminister ist plötzlich ein Sozialdemokrat – Olaf Scholz –, und nun will sie ihren Vertrauten Peter Altmaier dort hineinbringen, weil sie Herrn Scholz offenbar nicht zutraut, diese Dinge im Interesse Deutschlands anzugehen. Das ist der einzige Vorschlag, der von der Bundesregierung kam. Es ist doch grotesk, wenn das die Position Deutschlands in dieser Diskussion sein soll, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube, Sie müssen sich, wenn bis Juni dieses Jahres entschieden werden soll, zusammenraufen und zu einer klaren Position kommen. Handeln und Haftung gehören in eine Hand. Orientieren Sie sich an dem, was Wolfgang Schäuble aufgeschrieben hat, und verhandeln Sie auf dieser Grundlage mit unseren europäischen Partnern!

(Beifall bei der FDP)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Dr. Heribert Hirte das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7219460
Wahlperiode 19
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Überführung des ESM in einen europäischen Währungsfonds
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