Sonja SteffenSPD - Aktuelle Stunde zur Überführung des ESM in einen europäischen Währungsfonds
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf der Tribüne! Die FDP hat für heute eine Aktuelle Stunde beantragt, um zu erfahren, welche Haltung die Koalition zu den Plänen der EU-Kommission hat, den ESM in einen Europäischen Währungsfonds zu überführen.
(Christian Dürr [FDP]: Ja, genau!)
Die Antwort darauf ist ziemlich einfach; Sie müssen nur in unseren Koalitionsvertrag schauen.
(Christian Dürr [FDP]: Da steht ja nichts drin! – Dr. Florian Toncar [FDP]: Das hat gerade der Kollege Brinkhaus gesagt!)
Sie müssen den Vertrag auch gar nicht komplett lesen, meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP; denn bei uns steht das Europakapitel – im Gegensatz zu Ihrem Entwurf in den Jamaika-Verhandlungen – ganz am Anfang.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Florian Toncar [FDP]: Aber Herr Brinkhaus hat eine andere Interpretation als Sie! – Christian Dürr [FDP]: Stimmen Sie mit Herrn Hirte überein?)
In unserem Koalitionsvertrag heißt es – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin –:
Den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wollen wir zu einem parlamentarisch kontrollierten Europäischen Währungsfonds weiterentwickeln, der im Unionsrecht verankert sein sollte. Die Rechte der nationalen Parlamente bleiben davon unberührt.
(Christian Dürr [FDP]: Ah, aber Herr Dr. Hirte hat gerade das Gegenteil gesagt! – Gegenruf des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Das ist kein Widerspruch!)
Ich finde, das ist ziemlich eindeutig. Wir wollen den ESM weiterentwickeln, aber es ist genauso klar, dass es dabei nicht weniger parlamentarische Kontrolle und Mitsprache geben wird als bisher.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Eben! So steht es auch im Koalitionsvertrag!)
Es ist im Übrigen richtig, dass es in den vergangenen Tagen bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU eine Diskussion darüber gegeben hat.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)
Wenn man den Kollegen Hirte hört, dann scheint es auch so, dass die Diskussion noch nicht ganz abgeschlossen ist.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie war sehr harmonisch!)
Allerdings hat der Kollege Grosse-Brömer selbst erklärt, es handele sich nur um eine Informationsdebatte in seiner Fraktion.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So war es! Absolut richtig!)
Das ist beruhigend. Wenn dann alle gut informiert sind, dann kann es mit der notwendigen Reform der Euro-Zone
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)
und der Währungs- und Wirtschaftsunion losgehen.
(Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich empfehle der SPD auch so eine Debatte, und dann ist es gut! – Zuruf von der CDU/CSU: Man lernt immer dazu!)
Meine Damen und Herren, vieles von dem, was wir für Deutschland erreichen wollen, können wir nur schaffen, wenn wir Europa stark machen. Deutschland ist stark. Aber wir sind es eben nicht allein. Die Leistungsbereitschaft unserer Menschen, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Fleiß und der Ideenreichtum der Menschen in unserem Land, das sind die Grundlagen unserer wirtschaftlichen Stärke. Aber – das wissen Sie alle hier im Raum – ohne den europäischen Binnenmarkt, ohne die Wirtschafts- und Währungsunion, ohne den Euro wäre die deutsche Wirtschaft längst nicht so konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt, wie das zum Glück aktuell der Fall ist.
(Zuruf von der AfD: Das ist Unsinn!)
– Das ist kein Unsinn, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD. Streichen Sie das „liebe“.
(Beifall bei der SPD)
Damit das so bleibt, damit wir unsere Position halten können, brauchen wir mehr Europa, auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Anfang Februar dieses Jahres haben wir hier in der ersten Lesung einen FDP-Antrag zum Vorschlag der Kommission zur Einrichtung des EWF beraten. Ich greife einen Punkt aus der Debatte heraus, um deutlich zu machen, wie sehr sich die Position der FDP von unseren Vorstellungen einer sozialen Marktwirtschaft und eines solidarischen Europas unterscheidet. Die FDP ist dagegen, dass ein künftiger Europäischer Währungsfonds bei einer Stabilisierungsfunktion gegen asymmetrische Schocks eine Rolle spielen könnte, weil sie eine solche Funktion grundsätzlich ablehnt.
(Dr. Florian Toncar [FDP]: Absolut!)
– Ich sehe, Sie nicken, Herr Kollege.
Worum geht es hier? Wir haben es in der Vergangenheit erlebt, dass Länder in der Euro-Zone in erhebliche Krisen gerieten.
(Zuruf von der AfD: Und noch sind!)
– Hören Sie einmal zu. Dann lernen Sie noch etwas.
(Zuruf von der AfD: Von Ihnen nicht!)
Hier sagt die Kommission mit Blick auf die Zukunft: Das wichtigste Instrument, um so einen Schock abzufedern, sind die nationalen Haushalte und die automatischen Stabilisatoren in den Mitgliedsländern, zum Beispiel die Arbeitslosenversicherung. Gerade deshalb müssen die Mitgliedstaaten in guten Zeiten angemessene Puffer in ihre Haushalte einbauen, so wie es im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehen ist.
Aber es kann Situationen geben, in denen die Staaten trotzdem an ihre Grenzen kommen und in denen zusätzliche Hilfe aus Europa einen Kollaps verhindern kann. Dazu sagt die FDP in ihrem Antrag – ich zitiere –:
Eine solche Stabilisierungsfunktion ... ist aber nicht notwendig, denn die makroökonomische Stabilisierung kann über die Finanzmärkte und die nationalen automatischen Stabilisatoren weit effektiver und zielgerichteter wahrgenommen werden.
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Wir reden hier über ein Instrument, das bei einer extremen Schieflage mithelfen soll, das Umkippen einer Volkswirtschaft zu verhindern, und zwar in einer Lage, in der die Arbeitslosigkeit schon in die Höhe gegangen ist und in der der Staatshaushalt schon im Minus ist, einer Lage, in der es an allen Ecken und Enden quietscht und kracht. Dazu sagt die FDP eiskalt: Der Finanzmarkt wird es schon richten.
(Christian Petry [SPD]: Hört! Hört!)
Wer so mit dem Schicksal von Menschen umgeht, wer ein Europa will, das so wenig für seine Bürgerinnen und Bürger tun kann, der darf sich nicht wundern, wenn Europa auseinanderfällt.
(Beifall bei der SPD)
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen für eine andere Vorstellung von Europa. Deswegen werden wir weiter mit aller Kraft daran arbeiten, den ESM gemeinsam mit den anderen Euro-Ländern weiterzuentwickeln und zu einem Europäischen Währungsfonds auszubauen. Wir wollen mehr Europa. Wir wollen gemeinsam mehr in Europa erreichen. Aber wir werden dabei immer sicherstellen, dass die nationalen Parlamente die Verantwortung für die nationalen Haushalte nicht aus der Hand geben.
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land verlassen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Peter Boehringer für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7219462 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 27 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Überführung des ESM in einen europäischen Währungsfonds |