Metin HakverdiSPD - Aktuelle Stunde zur Überführung des ESM in einen europäischen Währungsfonds
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die kommenden Wochen und Monate könnten für die Zukunft der Euro-Zone, ja für die Zukunft der Europäischen Union insgesamt wegweisend sein.
Verharren wir in nationalem Denken und in Diskursen, oder erkennen wir, dass die Zukunft unseres Landes in der Zukunft Europas liegt? Erkennen wir, dass der Erfolg der EU in unserem eigenen nationalen Interesse liegt? Erkennen wir, dass diejenigen, die behaupten, wir müssten uns zwischen unseren deutschen Interessen und den europäischen Interessen entscheiden, in Wahrheit ihr eigenes Süppchen kochen? Erkennen wir, dass diese Leute weder an Deutschlands noch an Europas Zukunft in Frieden und Wohlstand interessiert sind?
(Beifall bei der SPD)
Lassen Sie uns gemeinsam den Mut haben – den Mut, der jetzt notwendig ist. Lassen Sie uns gemeinsam noch in dieser Legislaturperiode zurückblicken und sagen: Ja, wir haben diese Chance genutzt. Ja, wir hatten den Mut. Ja, wir haben den Kontinent – Europa – und unser Land – Deutschland – zukunftsfester gemacht. Bevor sich das Zeitfenster für die weitere Vertiefung der Europäischen Union wegen anstehender Wahlen schließt, ist es an uns, jetzt entschlossen zu handeln.
(Beifall bei der SPD)
In der Finanz- und Wirtschaftskrise, die 2008 ihren Anfang nahm, haben wir gelernt, dass die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion Konstruktionsmängel aufweist. Wir haben auf zwischenstaatlicher Ebene Ad-hoc-Entscheidungen getroffen und Maßnahmen ergriffen. Letztlich war es aber eine europäische Institution, die Europäische Zentralbank, die mit der gebündelten Macht aller Mitgliedstaaten den finanzpolitischen Orkan aufgehalten hat.
Jetzt ist es an der Zeit, die Wirtschafts- und Währungsunion kraftvoll voranzubringen. Das gilt auch für die Bankenunion. An einer Letztsicherung für die Bankenabwicklung fehlt es noch. Eine gemeinsame Einlagensicherung scheitert bisher an der mangelnden Risikoreduktion in einigen Bankbilanzen der Europäischen Union. Die gemeinsame europäische Einlagensicherung sollten wir aber nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Aus diesem Grund – da ist sich die SPD-Fraktion mit der Union völlig einig – muss die Risikoreduktion entschiedener als bisher angegangen werden.
Die Kommission hat Vorschläge zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion gemacht. Zu den Vorschlägen gehören ein europäischer Finanzminister – wir haben es gehört –, der mehr oder weniger den Euro-Gruppen-Chef ablösen soll, und ein Europäischer Währungsfonds, der an die Stelle des Europäischen Stabilitätsmechanismus treten soll.
Damit zielt die Kommission darauf ab, zwischenstaatliche Mechanismen, die im Zuge der Finanzkrise geschaffen wurden, in die EU zu integrieren. Es geht darum, einzelne nationalisierte Politikbereiche zurückzuführen unter das gemeinsame Dach der EU. Ich finde das richtig und teile das Ansinnen der Europäischen Kommission.
(Beifall bei der SPD)
Wir sollten die EU und ihre Institutionen stärken. Das Nebeneinander von zwischenstaatlichen und EU-Institutionen schwächt auf Dauer die EU. Das war nicht unser Ziel, als wir einen neuen Aufbruch für Europa formuliert haben. Das Nebeneinander macht auch die Entscheidungsstrukturen intransparent und führt zu einer Entfremdung der Bürgerinnen und Bürger der EU von ihren Institutionen.
Noch ein Gedanke zur Überführung des Europäischen Stabilitätsmechanismus in einen Europäischen Währungsfonds: Wir haben die Idee Wolfgang Schäubles aufgenommen. Die Errichtung eines Europäischen Währungsfonds ist nun Bestandteil des gemeinsamen Koalitionsvertrages. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart:
Erstens. Wir wollen die Euro-Zone nachhaltig stärken und reformieren, sodass der Euro globalen Krisen besser standhalten kann.
Zweitens. Wir wollen den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu einem parlamentarisch kontrollierten Europäischen Währungsfonds weiterentwickeln, der im Unionsrecht verankert werden sollte.
Nun sind einige Kolleginnen und Kollegen bemüht, dieses Vorhaben der Regierung gleich an der Rechtsgrundlage scheitern zu lassen und die gesamte Reformdebatte gleichsam juristisch zu ersticken. Ich sage das hier in aller Deutlichkeit: Diese Regierung fußt auf dem Koalitionsvertrag. Im Übrigen will ich alle Fraktionen hier im Hause daran erinnern, dass in der Vergangenheit sowohl der Europäische Gerichtshof als auch das Bundesverfassungsgericht manches Mal anders entschieden haben, als manche in diesem Haus oder auch außerhalb dieses Hauses gehofft und prognostiziert hatten.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das sagen Sie mal Herrn Boehringer!)
Deshalb empfehle ich, auf dem juristischen Feld den Ball flach zu halten. Wichtig ist – auch das haben wir mit der Union im Koalitionsvertrag vereinbart –, dass Rechte der nationalen Parlamente durch einen Europäischen Währungsfonds nicht geschmälert werden sollen.
(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Genau!)
Das wollen wir auch nicht.
Kolleginnen und Kollegen, wir sollten in den kommenden Wochen in die inhaltliche Debatte eintreten. Wir sollten die Schattenkämpfe hinter uns lassen, damit wir ernsthaft mehr Stabilität im europäischen Wirtschafts- und Währungsraum schaffen können. Meine Fraktion hat den Mut, sich dieser Herausforderung zu stellen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag hat nun Dr. Bruno Hollnagel für die AfD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7219471 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 27 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Überführung des ESM in einen europäischen Währungsfonds |