26.04.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 29 / Tagesordnungspunkt 6

Markus HerbrandFDP - Steuermehrbelastung durch kalte Progression

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die AfD zeigt mit diesem Antrag aus meiner Sicht, was sie tatsächlich am besten kann, nämlich ganz knapp an den Fakten vorbeizugehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie das machen, weil Sie es nicht besser wissen – das wäre schon schlimm genug – oder obwohl Sie es besser wissen. Das wäre aus meiner Sicht noch viel schlimmer.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vielleicht können sie es einfach nicht!)

Aber das gehört ja ein Stück weit zu Ihrem Geschäftsmodell.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch mitteilen: Es ist wirklich schön, zu sehen, dass Sie es schaffen, einen Antrag zu stellen, der keinen Sachzusammenhang zwischen der Migration und der kalten Progression findet.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das fand ich auch enttäuschend!)

Das ist ein Fortschritt; das sollten wir zur Kenntnis nehmen.

Zu den Fakten bei der kalten Progression ist mitzuteilen, dass die kalte Progression bei geringer Inflation kaum eine Rolle spielt. In 2016 gab es kaum finanzielle Auswirkungen durch die kalte Progression. Es gibt also entweder keine Inflation und damit wenig kalte Progression oder eine höhere Inflation und damit kalte Progression. Dann besteht natürlich ein Problem im Tarif, und das müssen wir angehen. Das werden wir auch weiter verfolgen. Im Grundsatz aber gibt es dieses Problem im Augenblick nicht. Es ist eine theoretische Debatte.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Entgegen Ihren Darstellungen wurden in den vergangenen Jahren sehr wohl Maßnahmen ergriffen. Es ist keinesfalls so, dass wir alle das nur in unseren Wahlprogrammen stehen hätten.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat in den Jahren 2009 bis 2013 einen Gesetzentwurf eingebracht, der die kalte Progression verhindern sollte. Der Bundestag hat diesen Gesetzentwurf verabschiedet. Leider ist das Gesetz im Bundesrat an Rot, Grün und Links gescheitert.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Albrecht Glaser [AfD])

Diesen Parteien fehlte schon damals der politische Wille zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Das ist leider bis heute so geblieben.

(Beifall bei der FDP – Fabio De Masi [DIE LINKE]: Das ist leider falsch!)

In 2012 ist dann auf Bestreben der FDP die Vorlage eines Steuerprogressionsberichts durchgesetzt worden. Seitdem ist es dem Parlament vorbehalten, im Steuertarif darauf zu reagieren, wie die Inflation sich entwickelt.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Dann reagieren Sie doch!)

Daraufhin werden Freibeträge angepasst – das muss man der Ehrlichkeit halber sagen –, auch geringfügige Veränderungen im Tarif werden vorgenommen. Die negativen Wirkungen der kalten Progression werden zurzeit so gut wie ausgeglichen.

Nachwirkungen – das festzustellen, gehört auch zur Ehrlichkeit dazu – aus den Jahren 2010 bis 2012 gibt es bis heute. Damals gab es noch keinen Steuerprogressionsbericht. Damals hat der Gesetzgeber nicht reagiert. Da hat im Grunde genommen der Steuerbürger bis heute eine Steuergutschrift aus den Jahren 2010 bis 2012 ausstehen. Vor 2010 gab es keine kalte Progression. Im Augenblick ist es, wie gesagt, eher eine theoretische Debatte.

Was wir aber wirklich brauchen – Herr Michelbach hat es angesprochen –, ist eine Steuerreform, die diesen Namen verdient.

(Beifall bei der FDP)

Die Bretter, die zu bohren sind, sind wesentlich dicker als all das, was hier angesprochen wird. Wer sich an veränderte Bedingungen in der Welt nicht anpasst, der wird auf Dauer Schwierigkeiten haben. Andere Volkswirtschaften – nehmen Sie die USA, nehmen Sie Frankreich, nehmen Sie Großbritannien oder China – reagieren und gehen voran. Wir müssen begreifen, dass Steuerpolitik auch Standortpolitik ist. Das ist bei uns noch gar nicht angekommen.

(Beifall bei der FDP – Christian Lindner [FDP]: Bei uns schon!)

Wir müssen die Rahmenbedingungen dafür setzen, dass Investitionen in Deutschland bleiben und nicht abzuwandern drohen. Es gefährdet unseren Wohlstand, wenn wir das nicht angehen.

Es geht dabei – das will ich ausdrücklich sagen – nicht nur um Steuersätze – das ist die geringste aller Debatten –, es geht um die Steuerstruktur, die wir verändern müssen. Wir müssen Abschreibungstatbestände und Abschreibungstabellen an aktuelle Anforderungen anpassen.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungstatbestände abschaffen. Wir müssen die unterschiedliche Behandlung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften bei der Belastung angehen.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen unser Steuerrecht internationalisieren. Wir müssen steuerneutrale Umstrukturierungen ermöglichen.

Es gibt ganz viele Beispiele. Wir werben seit Jahren für einen Tarif auf Rädern, der auch hier angesprochen worden ist. Es gibt viele Beispiele, die Sie alle kennen. Falls Sie da Nachholbedarf haben, stehen wir als Ihre Serviceopposition selbstverständlich immer zur Verfügung.

(Beifall bei der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nur nicht für eine Koalition!)

Ich weiß, dass viele in diesem Hause lieber heute als morgen eine solche Steuerreform angehen würden. Deshalb appelliere ich an die Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns das doch bitte gemeinsam machen. Dabei kann dann auch der Tarif angepasst werden, um die kalte Progression anzugehen. Dann können wir auch das endgültige Aus dieses Problems möglich machen.

(Beifall bei der FDP)

Wir stimmen der Überweisung zu. Der Antrag ist aber keine geeignete Grundlage für Strukturveränderungen im Steuerrecht. Herr Glaser, Sie haben einmal gesagt: Der Antrag ist dünn wie Kaffee. – Das stimmt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dünne Suppe mit großer Kelle!)

Jetzt hat das Wort die Kollegin Ingrid Arndt-Brauer, SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7221601
Wahlperiode 19
Sitzung 29
Tagesordnungspunkt Steuermehrbelastung durch kalte Progression
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