26.04.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 29 / Zusatzpunkt 8

Ralf KapschackSPD - Bürokratieentlastung für Unternehmen

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein paar Zuschauer sind zu dieser späten Stunde auch noch da. – Politik ist die Kunst, Probleme zu lösen und nicht neue zu schaffen. Der Redebeitrag der AfD war ein Beleg für das Gegenteil: Sie lösen kein einziges Problem und schaffen jede Menge neue.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das ist wahr!)

Probleme lösen, darum geht es heute. Politische Entscheidungen können rückgängig gemacht werden, wenn man der Meinung ist: Es funktioniert nicht so, wie man es sich ursprünglich gedacht hat. Deshalb ist es gut und völlig in Ordnung, dass Sie von der FDP heute diesen Antrag vorlegen. Wir finden ihn allerdings wenig gelungen. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Er bringt mehr Probleme, als er lösen würde, und ist voller Widersprüche. Natürlich entstehen durch die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in den Unternehmen Kosten. Aber zur Erinnerung: Das Vorziehen der Fälligkeit erfolgte damals auch aufgrund eines Wunsches der Arbeitgeber. In der Begründung des Gesetzes von 2005 heißt es – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –: Die Neuregelung „kommt auch einem Anliegen der Arbeitgeber entgegen, die die bisherige rückwirkende Fälligkeit solcher Entgeltbestandteile kritisiert hatten“.

Würde man Ihrem Vorschlag nachkommen, würde der Sozialversicherung, zum Beispiel der Rentenversicherung, Geld fehlen. Das ist ganz banal.

(Thomas L. Kemmerich [FDP]: Nein, das ist doch nicht der Fall!)

– Lassen Sie mich doch mal ausreden.

(Thomas L. Kemmerich [FDP]: Ja, gerne, aber dann mit Inhalt!)

Das wissen Sie auch; für so schlau halte ich Sie schon. Deshalb schreiben Sie in Ihrem Antrag, die Liquidität der Sozialversicherung solle gewährleistet bleiben. Das ist ja schon mal ganz schön. Dafür sollen Unternehmen zum Jahresbeginn eine freiwillige Sonderzahlung leisten. Woher kommt das Geld? Die jetzige Regelung führt dazu – das kritisieren Sie –, dass insbesondere „kleinen und mittleren Unternehmen Finanzmittel entzogen“ werden – das steht so in Ihrem Antrag –, die für Investitionen und Innovationen fehlen. Aber warum ist das bei einer Sonderzahlung anders, einer Sonderzahlung, die noch gar nicht erwirtschaftet ist, sondern aus dem Ertrag des Vorjahres finanziert werden muss? Dazu findet sich nichts in Ihrem Papier. Fehlanzeige! Warum das weniger aufwendig sein soll als die aktuelle Regelung, bleibt offen. Fehlanzeige! Immerhin haben Sie bemerkt, dass man eine solche Krücke braucht. Sie haben 2015 im nordrhein-westfälischen Landtag schon einmal einen solchen Antrag gestellt. Ziel war es, zum alten System zurückzukehren. Die Deutsche Rentenversicherung hat Ihnen damals vorgerechnet, dass allein sie Beitragsausfälle in Höhe von 15 Milliarden Euro zu verkraften hätte. Außerdem würden die Beiträge um 1,25 Prozentpunkte steigen. Das hätte Arbeitgeber mit Milliardenbeträgen belastet, Arbeitgeber, die Sie eigentlich entlasten wollen.

Kollege Kapschack, Herr Kemmerich von der FDP versucht beharrlich, eine Zwischenfrage zu stellen. Gestatten Sie das?

Bitte schön.

Das ist schon seine zweite heute und die letzte.

Sehr zuvorkommend, Herr Präsident. Vielen Dank. – Ich versuche, das noch einmal auf der Grundlage des Antrags zu erklären.

(Zuruf: Eine Frage!)

Er kann auch eine Bemerkung machen.

Können Sie nachvollziehen, wie wir es in unserem Antrag beschreiben, dass nur die Unternehmen, die die Sondervorauszahlung, die ungefähr der tatsächlichen Beitragszahlung entspricht, leisten, in den Genuss kommen, das Datum der Beitragsfälligkeit bzw. der exakten Zahlung zu verschieben? Alle anderen zahlen wie bisher. Insofern entsteht den Rentenversicherungsträgern, den Sozialversicherungen kein Ausfall. Gleichzeitig werden die Unternehmen in die Lage versetzt, immer spitz abzurechnen, wenn sie es wollen, entweder im laufenden Monat oder im folgenden Monat, und sie sparen signifikant Aufwand. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Herr Kollege, Sie können davon ausgehen, dass ich Ihren Antrag gelesen habe. Ich sage es ungern: Ich habe mich auch einmal wissenschaftlich mit solchen Themen beschäftigt. Also, ich habe das schon nachvollzogen.

Trotzdem finde ich es nicht plausibel. Sie haben eine Krücke gesucht, um Ihren Antrag von 2015 aus dem nordrhein-westfälischen Landtag wieder einbringen zu können. Aber Ihr neuer Vorschlag macht es nicht wesentlich besser. Er bedeutet einen massiven Eingriff in die Finanzierung, zum Beispiel der Rentenversicherung.

Da kann ich mir zum Schluss eine Bemerkung nicht verkneifen. Vertreter der FDP haben sich vor ein paar Tagen ganz schnell die abenteuerlichen Rechnungen einiger sogenannter Rentenexperten zu eigen gemacht.

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: „Sogenannte Rentenexperten“ nennen Sie Professoren?!)

Die Rentenpläne der Koalition seien unbezahlbar, hieß es da lautstark.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7222186
Wahlperiode 19
Sitzung 29
Tagesordnungspunkt Bürokratieentlastung für Unternehmen
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