26.04.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 29 / Tagesordnungspunkt 17

Jörg SchneiderAfD - Zugang für Beamte in die gesetzliche KV

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Die Linke möchte die gesetzliche Krankenversicherung für Beamte öffnen. Die Argumente, die Sie in Ihrem Antrag anführen, sind durchaus stichhaltig. Das Beihilfesystem ist für Beamte in einigen Fällen tatsächlich nicht sinnvoll und gut, gerade bei Kinderreichtum oder chronischen Erkrankungen.

Nur, wenn man Ihren Antrag liest und gerade die Rede von Herrn Kessler gehört hat, weiß man relativ schnell, wohin die Reise gehen soll. Da kommen dann wieder die üblichen Kampfparolen von der Zweiklassenmedizin. Da wird dann wieder von den enormen Privilegien fabuliert, die Privatversicherte haben.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die gibt es doch!)

Sie haben ganz klar ausgeführt: Im Grunde genommen möchten Sie die Bürgerversicherung; die Privatversicherung würden Sie am liebsten abschaffen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Als Vollversicherung!)

Dann klopfen Sie sich auf die Schulter dafür, dass Sie mit diesem Antrag tatsächlich für die Beamten – Achtung! – eine Wahlfreiheit schaffen.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, stimmt ja auch!)

Liebe Damen und Herren von der Linken: Zu Wahlfreiheit gehört auch immer ein Wettbewerb von Systemen, zwischen denen der Wählende dann frei entscheiden kann. Wenn Sie eines nicht wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Linken, dann sind es Wettbewerb und Wahlfreiheit im Gesundheitswesen. Das wollen Sie garantiert nicht.

(Beifall bei der AfD – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Quatsch! – Abg. Dr. Achim Kessler [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Kessler. Gerne. – Bitte.

(Heiterkeit)

Entschuldigen Sie, Herr Präsident. Also mein Einverständnis haben Sie.

Das ist ja schön. Ich bin auch einverstanden.

Ist Ihnen bekannt, dass wir in der gesetzlichen Krankenversicherung dadurch, dass wir über 1 000 unterschiedliche Versicherungen haben, einen Wettbewerb haben?

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über 1 000? Über 100! Das reicht ja schon!)

Natürlich gibt es schon ein Stück weit diesen Wettbewerb;

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist kein Wettbewerb!)

aber gerade der Dualismus von privater Krankenversicherung und gesetzlicher Krankenversicherung ist ein weiterer Wettbewerb, den ich in diesem Krankenversicherungssystem nicht missen möchte.

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Beamte nicht wählen können, ist das keine Wahlfreiheit! – Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Wahlfreiheit heißt keine Wahlfreiheit!)

Das ist einfach ein zusätzlicher Wettbewerb, der dem System, glaube ich, sehr gut tut.

(Beifall bei der AfD)

Ich möchte auf eine Unstimmigkeit in Ihrem Antrag hinweisen. Sie mögen die private Krankenversicherung nicht, okay. Die private Krankenversicherung ist aber ein ganz zentraler Bestandteil des Beihilfeverfahrens. Wäre es dann nicht ehrlicher, direkt die Abschaffung des Beihilfeverfahrens zu fordern? Oder spricht da bei Ihnen vielleicht ein bisschen Klientelpolitik dagegen? Dem gut versorgten Oberstudienrat, der sich natürlich im Beihilfesystem eingerichtet hat, möchten Sie nicht vors Schienenbein treten.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Keine Ahnung!)

Deswegen kommt bei Ihrem Antrag so ein Reförmchen raus. Ich bitte Sie: Wenn Sie Reformen wollen, dann seien Sie doch mutig und konsequent. So geht das meiner Meinung nach nicht.

(Beifall bei der AfD – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das geht nicht! Verfassungswidrig! Alimentationsprinzip! Schon mal was davon gehört?)

– Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, dann stellen Sie eine Zwischenfrage.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das sagt jemand aus der Fraktion, die hier die meisten Zwischenrufe macht! Das ist ja großartig!)

– Wenn ich vielleicht fortfahren dürfte? – Danke schön.

Das Beihilfeverfahren ist schon im Moment komplex, speziell wenn es um die Mitversicherung von Familienangehörigen geht. Da kann es tatsächlich passieren, dass sich ein Beihilfeberechtigter für eine Versicherung seiner Familienangehörigen entscheidet, die dann unter Umständen Jahre später zu erheblichen Mehrkosten führt. Jetzt wollen Sie diesem System eine zusätzliche Komplexität hinzufügen.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Quatsch!)

Ich sage Ihnen einmal, was das konkret bedeutet. Da ist eine 20-jährige Beamtin, die sich jetzt entscheiden soll: gesetzliche Krankenversicherung oder Beihilfeverfahren. Sie weiß doch noch gar nicht, wie sich ihre Karriere und ihr Einkommen entwickeln. Sie weiß noch gar nicht, ob sie heiraten wird, wie viele Kinder sie haben wird. Für dieses Problem gibt es übrigens eine einfache Lösung. Sie könnten natürlich den Beamten einen ständigen Wechsel zwischen beiden Systemen ermöglichen. Nur: Diese Rosinenpickerei wäre sehr teuer, und sie wäre den nichtverbeamteten Menschen in diesem Land wohl kaum vermittelbar.

(Beifall bei der AfD)

Worauf ich hinaus möchte, ist Folgendes: Die zentrale Frage: „Wer darf eigentlich wann und wie innerhalb dieses Systems wechseln?“, beantworten Sie in Ihrem Antrag nicht. Das ist eine zentrale Frage; die gehört in den Antrag hinein. Es ist einfach handwerklich schlecht gemacht, wenn Sie eine solche zentrale Frage auslassen.

(Beifall bei der AfD – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Wer kann von der PKV in die GKV wechseln?)

Noch etwas haben Sie in Ihrem Antrag ganz geschickt ausgelassen, nämlich die Kostenfrage. So schwierig wäre das an dieser Stelle nicht gewesen. In Hamburg ist man ein bisschen weiter, da plant man schon in diese Richtung.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Genau!)

Der Hamburger Senat hat ausgerechnet: Es entstehen Mehrkosten von ungefähr 6 Millionen Euro pro Jahr. – Wenn das der Gleiche kalkuliert hat, der auch die Kosten für die Elbphilharmonie kalkuliert hat, dann können es vielleicht auch 30 Millionen Euro werden. Wenn ich das auf die Bundesrepublik Deutschland extrapoliere, dann bedeutet das Mehrkosten von ungefähr 250 Millionen bis zu 1 Milliarde Euro im Jahr. So eine Zahl gehört meiner Meinung nach in einen solchen Antrag hinein. Wenn Sie uns hier solche Zahlen vorenthalten, dann verfestigt sich der Eindruck, den ich von Ihnen habe: Probleme mit Geld fangen für Sie immer erst dann an, wenn Ihnen das Geld anderer Leute ausgeht.

(Beifall bei der AfD)

Natürlich sehen auch wir im Gesundheitssystem Reformbedarf; aber im Gegensatz zu Ihnen stehen wir für echte Wahlfreiheit. Wir stehen für einen echten Wettbewerb. Wenn wir uns über Reformen unterhalten, dann muss bitte schön auch die Finanzierung angesprochen werden. Und dann sollten wir eines im Auge behalten: Wir sollten das System für die Menschen grundsätzlich einfacher und verständlicher machen, weil nur dann eine echte freie Wahl möglich ist.

In diesem Sinne freuen wir uns auf die Diskussion im Ausschuss. Wir stimmen der Überweisung an den Ausschuss zu.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Bärbel Bas.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7222191
Wahlperiode 19
Sitzung 29
Tagesordnungspunkt Zugang für Beamte in die gesetzliche KV
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