Timon GremmelsSPD - Atomausstieg
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur ein kurzer Satz zur rechten Seite dieses Hauses: Sie sind nicht die Alternative für Deutschland; Sie sind die Atomlobbypartei für Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Darauf sind Sie auch noch stolz.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Hören Sie doch mit dem Schwachsinn auf!)
Aber ich kann Ihnen eines sagen: Es gibt keine gesellschaftliche Mehrheit für Ihre Position. Ich hoffe, möglichst viele Menschen haben gehört, was der Kollege hier heute vorgetragen hat. Es war eine Verhöhnung der Opfer von Tschernobyl – und das am Gedenktag, meine sehr verehrten Damen und Herren!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN – Widerspruch bei der AfD)
Ich war im April 1986 zehn Jahre alt, und ich hatte es als Kind nicht verstanden.
(Zuruf von der AfD: Sie haben es immer noch nicht verstanden!)
Ich durfte nicht mehr draußen spielen, musste jeden Tag nach der Schule duschen, musste wochenlang ein Milchpulver-Wasser-Gemisch trinken. Mich hat das als Kind geprägt. Meine klare Überzeugung für die Energiewende, für den Einstieg in die erneuerbaren Energien hat damit etwas zu tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Das ist so ein Blödsinn!)
Wir Sozialdemokraten kämpfen für den Atomausstieg, und zwar konsequent.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben – das muss ich jetzt an die Kollegen unseres aktuellen Koalitionspartners richten – dazu nicht erst Fukushima gebraucht. Wir haben im Jahr der Tschernobyl-Katastrophe, auf dem Parteitag in Nürnberg 1986, erkannt, dass diese Technologie keine Zukunft hat. Seitdem haben wir konsequent für Alternativen geworben.
(Beifall bei der SPD)
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
(Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)
Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Gremmels, dass Sie eine Zwischenfrage erlauben. Ich habe hier den Bericht der Weltgesundheitsorganisation zum 30. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl. Ich möchte Ihnen gerne eine Schlussfolgerung vorlesen; die Übersetzung ist von mir.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
– Ich kann es auch auf Englisch vortragen; das wäre mir egal. – Die WHO konstatiert hier: Es war notwendig, die Tschernobyl-Mythen zu zerstreuen, um klarzumachen, dass für die meisten von der Tschernobyl-Katastrophe betroffenen Menschen die Strahlung nicht der bestimmende Faktor im breiten Spektrum der gesundheits- und sozioökonomischen Probleme der betroffenen Region ist.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich, wirklich! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist zynisch, was Sie hier vortragen!)
Ist Ihnen das bekannt? Das ist der WHO-Bericht.
Sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben wieder einmal bewiesen, dass Sie Opfer verhöhnen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Menschen, die in Tschernobyl gestorben sind, sind die wahren Opfer, und Sie verhöhnen sie mit Ihren Reden hier im Deutschen Bundestag. Ich finde das peinlich, ich finde das armselig. Aber das müssen Sie verantworten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Lassen Sie mich jetzt für die SPD sagen: Wir sind froh, dass im Jahre 2022 in Deutschland das letzte AKW vom Netz geht; das ist längst überfällig.
(Zuruf von der AfD: Dann machen wir das Licht aus!)
Das ist gut so. Ich sage Ihnen – die Grünen konnten das ja nicht machen; ich hätte mich gefreut, wenn sie uns auch mal gelobt hätten; aber gut –: Ich finde, dass unsere ehemalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks in den letzten vier Jahren einen verdammt guten Job gemacht hat.
(Beifall bei der SPD)
Das kann man nach den schwarz-gelben Chaostagen in der Atompolitik auch einmal sagen. In den Jahren 2010 und 2011 hat Barbara Hendricks wieder Ordnung in den Laden gebracht.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben mit dem nationalen Entsorgungsprogramm erstmals eine langfristige Strategie für die Entsorgung der Brennelemente auf den Weg gebracht. Wir haben uns um die Rückführung der radioaktiven Abfälle aus den Wiederaufbereitungsanlagen La Hague und Sellafield gekümmert. Wir haben dafür gesorgt, dass mit Belgien ein Abkommen für den besseren Austausch in Fragen der nuklearen Sicherheit unterzeichnet wurde. Wir haben die Stromkonzerne dazu gebracht, dass sie im Rahmen der Stilllegung auch zur Zahlung verpflichtet sind. Ich hätte mir gewünscht, dass sie mehr zahlen; aber es ist ein großer Fortschritt, dass wir in diesem Punkt überhaupt vorangekommen sind. Und wir haben die Novelle zum Standortauswahlgesetz auf den Weg gebracht. Ich finde, das sind fünf tolle Punkte, die Barbara Hendricks hier durchgesetzt hat. Es war, wie ich gehört habe, mit dem Koalitionspartner nicht immer leicht.
(Beifall bei der SPD)
Wir bringen auch im aktuellen Koalitionsvertrag einiges auf den Weg.
(Karsten Möring [CDU/CSU]: Ich frage mich gerade, wer „wir“ ist?)
Bei diesem Punkt kann Herr Möring noch einmal zuhören. Im aktuellen Koalitionsvertrag haben wir festgelegt: „Keine EU-Förderung für neue Atomkraftwerke.“
(Beifall bei der SPD)
Konsequente „Beendigung aller Beteiligungen staatlicher Fonds an AKWs“ –
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es doch mal!)
auch das steht im Koalitionsvertrag, auch dafür haben wir gesorgt. Drittens wollen wir verhindern, dass Brennelemente aus deutscher Produktion ins Ausland verkauft werden. Diese Punkte haben wir im Koalitionsvertrag verankert.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Investitionen sind in den letzten Jahren gestiegen bei uns in Deutschland!)
– Es tut mir ja leid, Frau Kotting-Uhl, dass wir Ihnen die Themen weggenommen haben, aber die SPD kann das auch.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich bin mir sehr sicher, dass Svenja Schulze als Umweltministerin das hervorragend weitermachen wird.
(Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])
Ich sage Ihnen: Wir werden alles dafür tun – da gibt es auch keinen Zweifel –, dass Deutschland spätestens 2022 unumkehrbar aus der Nutzung der Atomenergie ausgestiegen ist. 36 Jahre nach Tschernobyl ist dann das Thema Kernenergie in Deutschland endlich beendet. Darauf können Sie sich verlassen!
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7222211 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 29 |
Tagesordnungspunkt | Atomausstieg |