27.04.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 30 / Tagesordnungspunkt 21

Jürgen MartensFDP - Legaldefinition in §130 StGB - Volksverhetzung-

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch das Schwert des Strafrechts dient letztlich dem Rechtsfrieden. Aber bei Ihnen habe ich immer das Gefühl,

(Martin Hebner [AfD]: Weniger Gefühl, mehr Tatsachen!)

das Schwert des Strafrechts mutiert bei Ihnen zur Angriffswaffe in der politischen Auseinandersetzung.

Um dies vorab klarzustellen: Niemand muss es in Deutschland hinnehmen, beleidigt oder, wie Sie sagen, „angepöbelt“ zu werden.

(Martin Hebner [AfD]: Doch!)

Das gilt für die Deutschen, die sich hier nicht als „blöde deutsche Kartoffel“ bezeichnen lassen müssen. Es muss sich aber auch niemand als – in Anführungszeichen – „Kümmelhändler“ beleidigen lassen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Es muss sich auch niemand als „Halbneger“ beleidigen lassen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch der Maier! – Michael Theurer [FDP]: Das war Herr Maier!)

Wenn diesen Grundsatz mehr Menschen in diesem Land begriffen hätten, dann wäre für die Kultur in diesem Land wesentlich mehr getan, als mit jeder Strafrechtsänderung möglich wäre.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Die Regelungen zum Schutz vor Beleidigungen unterscheiden nicht nach der Herkunft des Opfers. Sie unterscheiden auch nicht nach der Herkunft des Täters. Die Schutzlosstellung von Deutschen, wie es im Gesetzentwurf heißt, eine Privilegierung von Ausländern für Beleidigungen, gibt es schlicht nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Das ist eine Schimäre, eine Erzählung, die Sie hier vorbringen, um den Anhängern Ihrer Partei einzureden, dass sie einmal wieder Opfer seien, nämlich diesmal von Volksverhetzung.

Natürlich schützt § 130 Strafgesetzbuch auch Deutsche. Es geht im Übrigen – das ist auch dargelegt worden – gar nicht um den Ehrenschutz, sondern um den Schutz der öffentlichen Sicherheit. Dieser kann durch Angriff auf Personengruppen nur dann gefährdet sein, wenn diese hinreichend bestimmt sind. Um eine Störung herbeiführen zu können, braucht man eine Zielgerichtetheit. Ansonsten ist diese Störung überhaupt nicht zu bewirken.

(Lachen des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

Das wissen Sie; das hoffe ich jedenfalls. Dementsprechend unklar ist auch der Entwurf, meine Damen und Herren. Wer sich das durchliest, kommt auch nach fünfmaligem Lesen nicht hinter den Sinn der Regelung.

(Stephan Brandner [AfD]: Das glaube ich Ihnen! Das liegt aber an Ihnen, Herr Martens!)

Darin heißt es:

Teile der Bevölkerung sind unabhängig von ihrem Größenverhältnis … auch solche nicht unerheblichen Personenmehrheiten, die sich … abgrenzen lassen.

Das ist wirklich nicht zu verstehen.

Ihrem Wortlaut nach gibt es also eine Bevölkerung und eine Gesamtbevölkerung; denn Sie führen das gesondert auf. Das ist also etwas Unterschiedliches. In der Bevölkerung gibt es Personenmehrheiten. Es gibt nicht eine Mehrheit, sondern verschiedene Mehrheiten, und die sind auch noch erhebliche oder logischerweise unerhebliche Mehrheiten von Bevölkerungen in der Gesamtbevölkerung.

Das ist sinnfrei, meine Damen und Herren. Das ist Wortgeklingel.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber dieser Gesetzentwurf ist nicht nur ungeschickt und kompliziert; er ist auch das Musterbeispiel für Ihre Methode, die Methode von Nationalpopulisten und ihrem Erzählmuster.

(Kay Gottschalk [AfD]: Strafrecht sechs, setzen, Herr Kollege! Das ist gräulich! – Stephan Brandner [AfD]: So einer war mal Minister! – Kay Gottschalk [AfD]: Wo waren Sie in der Strafrechtsvorlesung, Herr Kollege?)

Das lautet: Wir sind alle Opfer, diesmal von Fremden, und die Fremden sind böse, und deswegen müssen wir sie ausgrenzen. Dafür gibt es besondere Strafregelungen, und deswegen basteln wir euch einen Teutonenschutzparagrafen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt genügend Strafnormen, die auch die Öffentlichkeit schützen. Die Aufforderung zu Straftaten ist strafbar. Die Androhung von Straftaten ist strafbar. Belohnung und Billigung von Straftaten sind strafbar, und Volksverhetzung auch. Das gilt auch zum Schutz von Deutschen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was Sie im Übrigen an Beispielen für angebliche Volksverhetzung anführen, sind bei genauer Betrachtung nichts weiter als Beleidigungen, und das ist strafbar. Daraus wird auch keine Volksverhetzung, nur weil in einer Beleidigung das Wort „Deutscher“ auftaucht, meine Damen und Herren. Das lässt sich damit nicht bewirken.

Meine Damen und Herren, mit dem Gesetzentwurf verbessern Sie weder den Tonfall auf unseren Straßen noch die Diskussionskultur in unserer Gesellschaft. Bei der Expertise, die die AfD in Sachen Volksverhetzung in sich hat, hätte ich eigentlich mehr von Ihnen erwartet.

(Heiterkeit bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie könnten hier Positives beitragen, aber das wollen oder können Sie nicht.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Sarah Ryglewski, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7222274
Wahlperiode 19
Sitzung 30
Tagesordnungspunkt Legaldefinition in §130 StGB - Volksverhetzung-
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