Sarah RyglewskiSPD - Legaldefinition in §130 StGB - Volksverhetzung-
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werter Herr Martens, vielen Dank. Auch ich hätte von der AfD, ehrlich gesagt, angesichts ihrer einschlägigen Expertise beim Thema Volksverhetzung etwas mehr erwartet.
Ihr Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland hat wegen seiner Äußerung über die frühere Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özuğuz auch eine Anzeige erhalten, genauso wie der Verfasser dieses Gesetzentwurfes, Herr Maier. Er sollte sich eigentlich auch sehr gut mit diesem Paragrafen auskennen. Gegen Sie ist ja gleich mehrfach Strafanzeige erstattet worden.
(Beatrix von Storch [AfD]: Und ich auch! Hunderte!)
– Frau Storch, gegen Sie auch.
(Zuruf von der AfD: Ich hatte noch keine!)
– Oh, wunderbar; lassen Sie sich das einrahmen; es bleibt sicherlich nicht lange so. – Zuletzt wegen Ihrer widerlichen Äußerung gegenüber Noah Becker, der im Übrigen genau wie Frau Özuğuz deutscher Staatsbürger ist. Mit Deutschenfeindlichkeit haben Sie von der AfD offensichtlich nur dann ein Problem, wenn Menschen betroffen sind, die offensichtlich nach Ihrer Definition keine Deutschen sind.
Frau Kollegin Ryglewski, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Maier?
Gerne, Herr Maier.
Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sehr geehrte Frau Ryglewski, ist Ihnen der Unterschied zwischen einer Anzeige und einer Verurteilung bekannt?
Anzeigen kann man nämlich jeden.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Ich habe hier auch schon einige angezeigt.
(Lachen bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Mal sehen, was dabei herauskommt.
(Heiterkeit bei der AfD)
Ich bin nicht verurteilt worden. Herr Dr. Gauland ist nicht verurteilt worden. Hier ist noch niemand verurteilt worden. Das sollten Sie vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen. § 130 StGB ist ein Kampfmittel gegen uns, genauso wie damals im 19. Jahrhundert § 130 ein Kampfmittel gegen die Sozialdemokratie war. Das sollten Sie vielleicht auch wissen. – Danke.
(Beifall bei der AfD)
Herr Kollege Maier, jetzt antwortet Frau Ryglewski.
Herr Maier, vielen Dank. – Die Aussage mit dem Kampfmittel gegen Sie wollte ich eigentlich hören.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Niemand hat behauptet, dass Sie wegen Volksverhetzung verurteilt worden sind.
(Zurufe von der AfD)
– Ich möchte gerne dem Kollegen Maier antworten. Er hat mich etwas gefragt. Darauf antworte ich jetzt.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Kollege Martens hat genau die Trennschärfe und den Unterschied zwischen Beleidigung und Volksverhetzung dargelegt. Ich habe gesagt, Sie sind deswegen angezeigt worden und müssten sich aufgrund dessen mit diesem Paragrafen auskennen. Mehr habe ich nicht gesagt. Das beantwortet Ihre Frage.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)
Ihre Äußerung dahin gehend, dass es ein Kampfmittel ist, zeigt genau die Intention Ihres Antrags, nämlich hier alles in einen Sack zu packen, das Ganze zu einer Soße zu vermengen und damit dieses Schwert zu entschärfen. Das machen wir aber nicht mit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)
Ich werde die angezeigten Äußerungen nicht wiederholen, weil sie es nicht wert sind. Die Damen und Herren von der AfD wissen, was sie und ihre Kollegen gesagt haben. Die meisten hier im Raum wissen es leider auch. Wir müssen uns das ja fast täglich anhören. Spätestens nach dieser Debatte können sich alle Anwesenden hier im Raum, die es bisher nicht wussten, denken, was Sie so von sich geben.
Allen Äußerungen, die ich hier angesprochen habe, ist gemein, dass sie auf die Verächtlichmachung, die Herabsetzung und nicht zuletzt auf die Ausgrenzung eines Teils unserer Bevölkerung abzielen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Genau für solche Äußerungen ist § 130 gedacht. Er soll nämlich Gruppen, die von der Mehrheit als Minderheit interpretiert werden, vor der Mehrheit schützen. Anders ausgedrückt: Er soll verhindern, dass eine Mehrheit darüber entscheidet, wer zu uns gehört und wer nicht; denn genau das zerstört den Frieden in unserem Land.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir wissen in Deutschland aus leidvoller Erfahrung, dass eine entsprechende Stimmung im schlimmsten Fall zu Gewalt und Pogromen führen kann. Das wollen wir alle nicht wieder erleben.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ihr vorliegender Antrag zeigt – das haben schon mehrere Vorredner dargelegt –, dass Sie den Tatbestand der Volksverhetzung nicht verstanden haben. Auf Bevölkerungsmehrheiten, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern, ist der Paragraf einfach nicht ausgerichtet.
(Zuruf von der AfD: Deswegen stellen wir diesen Antrag!)
Hingegen offenbart Ihr Antrag etwas komplett anderes: Ihr völkisches Weltbild.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beatrix von Storch [AfD]: Oh ja!)
Wer Ihn genau durchliest, wird sehen: Er strotzt nur so von Formulierungen wie „die angestammte deutsche Bevölkerung“. Sehr spannend! Was ist denn die „angestammte deutsche Bevölkerung“?
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Dass Sie das nicht wissen, ist klar!)
Gehöre ich mit meinen Wurzeln in Polen dazu? Gehören die Kollegin Özoğuz, die Kollegin Fahimi oder die Kollegin Bayram auch dazu? Das können Sie gerne einmal erklären. Melden Sie sich ruhig zu Wort.
Verräterisch sind auch Ihre Ausführungen in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs. Sie führen aus, die Deutschen gehörten zu diesem Zeitpunkt noch zur Mehrheit in Deutschland. „ Fremd im eigenen Land“ ist bei Ihnen sozusagen ein Dauerschlager und verwundert mich auch nicht bei jemandem wie Ihnen, Herr Maier, der im Vorprogramm von Björn Höcke vor der Entstehung von Mischvölkern warnt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Der heißt Bernd!)
Ich mache Ihnen einen guten Vorschlag. Stellen Sie sich doch einmal schützend an die Seite der Deutschen, für die § 130 StGB schon heute gilt, und schützen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund ihrer Religion, ihres Migrationshintergrundes oder ihrer sexuellen Orientierung von Ihren Kolleginnen und Kollegen diskriminiert werden,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
statt sich dafür gegenseitig zu bejubeln und zu beklatschen. Damit würden Sie dem friedlichen Zusammenleben in unserem Land einen deutlich größeren Dienst erweisen als mit diesem Gesetzentwurf.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Martina Renner, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7222275 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 30 |
Tagesordnungspunkt | Legaldefinition in §130 StGB - Volksverhetzung- |