Karl-Heinz BrunnerSPD - Legaldefinition in §130 StGB - Volksverhetzung-
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich diese Debatte und die letzten Zwischenfragen betrachte, dann ziehe ich aus dieser Debatte zwei Lehren: Erstens. Volksverhetzung muss strafbar sein. Das ist gut; das ist richtig; das ist verfassungsgemäß. Zweitens. Einer Änderung des § 130 StGB bedarf es nicht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wer diese Debatte verfolgt hat, kann nur zu diesem Schluss kommen.
Es stellt sich aus dieser Debatte heraus aber die Frage: Warum überhaupt dieser Gesetzentwurf? Der Kollege Sensburg hat es angesprochen, und ich will es wiederholen und vertiefen. Zum einen, weil mit diesem Gesetzentwurf – Sie bezeichneten es zuvor in Ihrer Antwort auf die Zwischenfrage so schön als „fabulieren“ – eigentlich gewollt ist, § 130 StGB so lange zu verwässern, bis genau das herauskommt, was Sie wollen, nämlich das Schutzinteresse des § 130 StGB aufzuweichen und aus unserem Rechtsystem zu entfernen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb, liebe Mitglieder dieses Hohen Hauses, verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer, sollten wir über die Frage nachdenken: Für was haben wir den § 130 StGB? Wozu ist er gedacht? Zwei Gründe sind anzuführen. Dazu gehört nicht der Schutz der Sozialdemokratie; das mag vielleicht Ihrem Bismarck’schen Gedankengut entsprechen, aber nicht unserem bundesrepublikanischen Rechtsystem. Er ist erstens dazu da, den öffentlichen Frieden zu wahren. Und zweitens – das ist die wichtige Kernaussage – ist er dazu da, Minderheiten in diesem Land zu schützen, nicht die Mehrheitsgesellschaft, die auch polemische Angriffe aushalten muss. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Nationalsozialismus soll er verhindern, dass in Deutschland nie wieder der Mob loszieht, um
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Schwule und Lesben, Farbige, Nichtfarbige, Deutsche, Nichtdeutsche zu jagen, zu verunglimpfen, zusammenzutreiben und dann … Wir kennen die Geschichte. Deshalb verbietet sich jede Relativierung. Deshalb ist § 130 StGB erforderlich. Deshalb dürfen wir nicht Hand an diese Vorschriften anlegen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dass § 130 StGB als Sondervorschrift auch im Sinne des Artikels 5 Grundgesetz verfassungswidrig ist, zeigt Ihr Gesetzentwurf ganz deutlich.
Sie zitieren zwar das Revisionsurteil des Kammergerichts, aber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom November 2009 lassen Sie tunlichst beiseite. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal ausdrücklich gesagt, dass § 130 StGB eben kein allgemeines Gesetz ist, sondern ein Gesetz, das explizit auf die nationalsozialistische Unrechtsideologie abstellt. Daran müssen wir festhalten.
Für alle anderen Tatbestände haben wir Regeln in diesem Land. In § 185 ff. StGB ist das Strafmaß bei Verletzung individueller Rechte durch Beleidigungen, üble Nachrede, Verleumdung – damit haben Sie alle miteinander gute Erfahrungen – geregelt. Wenn es um Gewalt gegen Deutsche geht, frage ich Sie: Welche Deutschen meinen Sie denn damit mehrheitlich und ethnisch? Den ganzen Deutschen? Den Halbdeutschen? Den Vierteldeutschen? Solche Begriffe hatten wir in diesem Land doch schon einmal. Ich möchte nicht, dass sie noch einmal üblich werden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Störung des öffentlichen Friedens ist nach § 126 StGB strafbar.
Meine Kernaussage zu Ihrem Gesetzentwurf lautet: Wir brauchen keine Änderung des § 130 StGB. In unserem Land darf niemand, egal ob deutsch oder nicht deutsch, farbig oder nicht farbig, christlich oder nicht christlich, krank oder gesund, behindert oder nicht behindert, schutzlos sein.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Deshalb ist es erforderlich, den § 130 StGB in der bestehenden Form zu erhalten und diesem unsinnigen Ansinnen eine Abfuhr zu erteilen.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7222292 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 30 |
Tagesordnungspunkt | Legaldefinition in §130 StGB - Volksverhetzung- |