Florian PostSPD - Export von Rüstungsgütern
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass es sich um ein hochsensibles Thema handelt, ist klar. Deswegen debattieren wir hier sehr leidenschaftlich. Das ist in Ordnung. Nicht in Ordnung ist allerdings, wenn man wenig differenziert. Ich verstehe es, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken: Differenzierung eignet sich ja auch nicht für Ihre Propagandazwecke. Deswegen sehe ich Ihnen das nach. Aber Fakt ist, dass Rüstungsexporten generell Einzelfallprüfungen zugrunde liegen. Jeder USB-Stick, auf dem sich Geschäftsunterlagen, Baupläne oder Sonstiges befindet, und jede Patrone – Kollege Willsch hat es schon gesagt – muss genehmigt werden.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Wenn Sie in alle Länder Waffen liefern, ist das für Sie Differenzierung!)
Beide Anträge befassen sich damit, Rüstungsexporte zu beschränken. Allerdings haben die Anträge eine unterschiedliche Qualität; das möchte ich den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen zugestehen. Aber in der Zielsetzung lehnen wir natürlich beide Anträge ab.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum?)
Die Linken wollen Rüstungsexporte komplett verbieten. Das ist wenig nachvollziehbar. Es aber ist ihr gutes Recht, diese Meinung so zu vertreten. Ich teile diese Meinung nicht. Sie müssen sich jedoch über die Konsequenzen im Klaren sein und hier über die Fragen diskutieren: Was passiert mit bestimmten Schlüsselindustrien in unserem Land? Wie gehen wir mit der dann eintretenden kompletten Abhängigkeit von NATO-Partnern, zum Beispiel den USA, um? Wie gewährleisten wir dann die Unterstützung von Ländern im Kampf gegen den internationalen Terrorismus? Da hilft eben kein Stuhlkreis; manchmal muss man auch zu anderen Mitteln greifen.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Überall Kriege führen! Das sieht man in Afghanistan seit 17 Jahren! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: „Stuhlkreis“! Auf welchem Niveau reden wir denn?)
Kollege Post, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Liebich?
Ja, natürlich.
Vielen Dank, Herr Kollege Post, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie wollen mehr Differenzierung. Dann will ich Ihnen Gelegenheit dazu geben.
Ihr früherer Parteivorsitzender und ehemaliger Wirtschaftsminister, der ja zuständig für die Genehmigungen von Rüstungsexporten war, hat am Anfang der letzten Wahlperiode gesagt, er wünsche sich eine restriktivere Rüstungsexportpolitik. Am Ende der Wahlperiode mussten wir feststellen, dass es die Wahlperiode war, in der die meisten Waffenexporte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs genehmigt wurden.
(Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]: Ich kann es nicht mehr hören! Das ist einfach falsch!)
Wie bringen Sie das zusammen?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ganz einfach: Dabei helfen Ihnen die Grundrechenarten. Wenn für das Jahr 2015 die Summe von 7,86 Milliarden Euro im Rüstungsexportbericht steht und für das Jahr 2017 die Summe von 6,24 Milliarden Euro im Rüstungsexportbericht angegeben wird, dann kapiert eigentlich jeder, der die Grundrechenarten beherrscht – für mich hat dafür der Besuch einer bayerischen Volksschulklasse ausgereicht, manch andere brauchen dazu den Deutschen Bundestag –, dass die Zahl kleiner geworden ist.
(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Die Wahlperiode begann 2013!)
Im Übrigen: Wenn es heißt, dass die Kleinwaffenexporte um 50 Prozent reduziert worden sind, dann weiß jeder, dass 50 Prozent die Hälfte vom Ganzen sind – also weniger.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Rechentricks!)
Die Genehmigungszahlen sagen für sich genommen sehr wenig aus. Wenn man sich die Summe von 7,86 Milliarden Euro aus dem Jahr 2015 anschaut, stellt man fest, dass damals die Kosten von vier Tankflugzeugen für Großbritannien, also unkompliziertes Rüstungsgut für einen NATO-Partner, und außerdem Panzer im Wert von 1,6 Milliarden Euro für Katar enthalten sind. Der Export der Panzer ist von der Vorgängerregierung, an der die SPD nicht beteiligt war, genehmigt worden. Wir hätten das nie genehmigt. Auch die Kosten eines U-Boots für Israel – der Kollege Willsch hat es bereits gesagt – sind in dieser Summe enthalten, dessen Export wir heute genauso wieder genehmigen und das wir wieder ausliefern würden. Das ist Tatsache.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Ich sage es noch einmal: In der letzten Wahlperiode sind die Kleinwaffenexporte um 50 Prozent reduziert worden. Im Koalitionsvertrag haben wir jetzt vereinbart, dass wir an Drittländer überhaupt keine Kleinwaffenexporte mehr genehmigen werden. Das nenne ich Reduzierung.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Grundschule in Bayern reicht nicht für Friedenspolitik!)
Sie sehen das scheinbar anders. Das ist Ihr gutes Recht. Ich kann das aber nicht nachvollziehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Ich will auch gerne auf die Türkei eingehen. Die Türkei ist und bleibt ein NATO-Partner, auch wenn wir bestimmte innenpolitische Vorgänge in der Türkei selbstverständlich mit Sorge betrachten. Allerdings haben wir ein Interesse daran, dass die Türkei NATO-Partner bleibt.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Die Türkei hat einen völkerrechtswidrigen Krieg geführt!)
Es kann nicht in unserem Interesse liegen, dass die Türkei künftig von Russland beliefert wird. Was würde denn das in der Konsequenz für die NATO bedeuten? – Ja, ich weiß, Sie wollen die NATO abschaffen. Das hat hier jeder verstanden.
(Zurufe von der LINKEN)
Uns sind aber NATO-Gemeinschaftsprojekte auch künftig wichtig. Wir müssen die Frage beantworten, was das für die deutsche Rüstungskooperationsfähigkeit bedeuten würde. Natürlich geht es uns auch darum, dass Deutschland in diesem Bündnis künftig als verlässlicher Partner wahrgenommen wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Der Antrag der Grünen ist etwas differenzierter; das möchte ich zugestehen. Die Zwischenfrage hat meine Bemerkung vorweggenommen, aber ich wiederhole diese gerne zur Klarheit noch einmal. Sie suggerieren, dass unsere Rüstungsexportkontrolle nicht effektiv wäre
(Andreas Wagner [DIE LINKE]: Ist sie auch nicht! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Ist sie auch nicht! Das haben Sie doch selber gesagt! Sie wollen sie novellieren!)
und dass die Bemühungen um die Rüstungsexportreduzierung nicht erfolgreich wären. Hierzu möchte ich noch einmal auf die Zahlen verweisen: In der Summe von 7,68 Milliarden Euro aus dem Jahr 2015 sind die Kosten von vier Tankflugzeugen enthalten. Zum Vergleich: Die Summe von 6,24 Milliarden Euro im Jahr 2017 bedeutet eine deutliche Reduzierung. Man muss dabei vor allen Dingen auch sehen: Was verbirgt sich denn hinter den einzelnen Rüstungsgütern? Rüstungsgüter sind auch Splitterschutzwesten oder gepanzerte Autos für das Kinderhilfswerk; auch das zählt zu den Rüstungsexporten. Deshalb bitte ich auch hier um mehr Differenzierung in der Debatte.
Kollege Post, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Lechte aus der FDP-Fraktion?
Natürlich.
Herr Kollege Post, Sie haben uns gerade eben zur Kenntnis gegeben, dass die böse Bundesregierung vor der letzten Großen Koalition, nämlich die schwarz-gelbe Bundesregierung, die Zahl der Rüstungsgüterexporte sehr nach oben getrieben habe. Ist Ihnen bekannt, dass die letzte Bundesregierung weitaus mehr exportiert hat, als das die schwarz-gelbe getan hat,
(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Das sind die Zahlen, ja!)
und dass die Zahlen zu Zeiten von Schwarz-Rot gestiegen sind?
Ich erteile auch Ihnen gerne die diesbezügliche Nachhilfe: Es geht nicht um den Zeitpunkt dieser Exporte, sondern es geht um den Zeitpunkt der Genehmigung dieser Exporte.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulrich Lechte [FDP]: Ah! Sehr beeindruckend! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Es geht nicht darum!)
In diesem Fall fällt der Genehmigungszeitpunkt in die Periode, in der Sie, also Schwarz-Gelb, regiert haben und nicht die SPD.
Deutschland hat eines der restriktivsten Rüstungskontrollregime der Welt. Wir sorgen dafür, dass das auch so bleibt.
(Zurufe von der LINKEN: Ah! – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ein Mythos! Eine Legende ist das!)
Wir werden – ich wiederhole mich zum zweiten oder dritten Male – keine Kleinwaffen mehr in Drittstaaten exportieren. Wir haben Post-Shipment-Kontrollen bei Kleinwaffen eingeführt, und wir werden mehr Mittel für den weiteren Aufbau des Personalbestandes beim zuständigen Bundesamt BAFA zur Verfügung stellen, um auch hier eine effektive Rüstungsexportkontrolle zu gewährleisten.
Natürlich müssen wir auch die europäische Komponente berücksichtigen. Uns ist nicht geholfen, wenn wir nichts mehr exportieren, aber andere europäische Länder das gleiche Rüstungsgut sehr wohl. Hier müssen europäische Regelungen gefunden werden.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Was ist das für eine Logik! Das macht es doch nicht besser!)
Das ist in unserem Interesse. Ich möchte noch einmal betonen, dass wir selbstverständlich zu unserer Bündnisverpflichtung stehen, dass wir ein verantwortungsvoller und zuverlässiger Partner sein wollen,
(Andreas Wagner [DIE LINKE]: Das glaubt Ihnen ja niemand!)
dass wir Rüstungsexporte so restriktiv handhaben wie kein anderes Land dieser Welt
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Stimmt!)
und dass gleiche Standards für alle in Europa gelten müssen. Darauf wird die SPD ihre Bemühungen richten.
(Andreas Wagner [DIE LINKE]: Menschenrechte! Das wäre ein Standard!)
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Sandra Weeser das Wort.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7222336 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 30 |
Tagesordnungspunkt | Export von Rüstungsgütern |