15.05.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 31 / Tagesordnungspunkt 1

Gero Clemens HockerFDP - Ernährung und Landwirtschaft

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Fuchtel, ich habe mich gemeinsam mit meiner Fraktion darüber gefreut, dass Sie eben erklärt haben, dass Sie die Lebensbedingungen in Stadt und Land anzugleichen beabsichtigen. Wir unterstützen Sie in diesem Ansinnen ausdrücklich. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, dafür muss auf der einen Seite dann auch Geld in die Hand genommen werden bei den sinnvollen und wichtigen Investitionen. Auf der anderen Seite möchten wir Ihnen in den Haushaltsberatungen demonstrieren, dass man das Ziel – die Angleichung der Lebensverhältnisse – mit weniger Geld erreichen kann, und das werde ich Ihnen bei den Haushaltsberatungen in den nächsten Wochen deutlich machen.

(Beifall bei der FDP)

Wir glauben, dass es unredlich ist, einerseits ständig die Einhaltung neuer und immer höherer Standards von unserer Landwirtschaft einzufordern – ich nenne nur die Düngeverordnung –, während auf der anderen Seite immer weniger Verbraucher bereit sind, hierfür auch einen angemessenen Preis zu zahlen. Am allerschlimmsten ist, dass die Landwirte dann auch noch systematisch von den Technologien abgeschnitten werden, die sie aber bräuchten, um diese neuen Herausforderungen auch bewältigen zu können.

(Beifall bei der FDP)

Da sage ich Ihnen ganz konkret, meine Damen und Herren, verehrter Herr Kollege: Im Landwirtschaftsministerium sind im letzten Jahr 50 Millionen Euro an Personalmitteln nicht ausgegeben worden. Wir möchten Sie dafür gewinnen, dass davon Mittel in Höhe von 30 Millionen Euro umgewidmet werden und endlich den Zulassungsbehörden zugutekommen, die genehmigen dürfen, dass neue Technologien und neue Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft angewendet werden können. Den Rest des Geldes können Sie gern für die Schuldentilgung verwenden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, um unsere Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Fuchtel, der Koalitionsvertrag formuliert es in den Zeilen 3 912 und 3 913, dass Sie – ich darf das mit der Zustimmung des Präsidenten kurz zitieren – „nachfrageorientiert“ den „Ökolandbau weiter ausbauen“ möchten. Sehr geehrter Herr Staatssekretär, das ist in unseren Augen ein Widerspruch in sich. Das erkennt man, wenn man sich gleichzeitig anguckt, wie die tatsächlichen Konsumsituationen aussehen: Im Jahr 2017 wurden ganze 8 Prozent der Nahrungsmittel mit dem Biosiegel versehen, während über 90 Prozent aus konventioneller Herstellung stammen. Hier von einem gesellschaftlichen Wunsch nach Strukturveränderungen zu sprechen, ist, das sage ich Ihnen, an den Haaren herbeigezogen. Wir sind der Ansicht, Herr Kollege, dass es eben der Verbraucher ist – und nicht der Staat –, der entscheidet, ob er zur Fußball-WM eine konventionelle oder eine Biobratwurst verzehrt.

(Beifall bei der FDP)

Es ist nicht Ihre Aufgabe als Regierung, darüber zu entscheiden.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsache, die Bratwurst ist gut!)

Dieses Geld – die zusätzlichen 10 Millionen Euro, die Sie da investieren wollen, ein Aufwuchs von 50 Prozent von 2017 auf 2018 – wäre besser angelegt, wenn Sie endlich in die Digitalisierung im ländlichen Raum investieren würden.

(Beifall bei der FDP)

Unser Fokus liegt darauf, Geld in die Zukunftsbereiche von Landwirtschaft und ländlichen Räumen umzuschichten. Dazu gehört ausdrücklich auch, die Diskussion darüber zu führen, wie man eine noch schonendere Bodenbearbeitung hinbekommen kann, wie man es hinbekommt, dass noch weniger Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden – es waren in den letzten Jahren schon historisch niedrige Zahlen –, und wie man es letzten Endes auch hinbekommt, dass freiwillige Initiativen für mehr Transparenz in Sachen Tierwohl auch tatsächlich auf den Weg gebracht werden können.

Mir sagen Landwirte in Niedersachsen: Wir würden uns so gerne eben nicht mehr als Opfer von irgendwelchen Tierrechtsorganisationen sehen, die des Nachts in Ställe einbrechen, die Videoaufnahmen machen und häufig manipulieren und sie dann häufig genug meistbietend an irgendwelche Fernsehsender verkaufen, sondern wir möchten das gerne selber in die Hand nehmen. Wir möchten dafür sorgen, dass Transparenz herrscht, dass in unseren Ställen vielleicht eine Kamera aufgehängt wird, damit der Verbraucher tatsächlich eins zu eins 24 Stunden am Tag nachprüfen kann, wie es den Tieren bei uns geht und ob wir tatsächlich alle Tierwohlbestimmungen akribisch einhalten. – Aber diesen Leuten muss ich sagen: Das geht leider nicht; denn bei dir in Niedersachen auf dem Land gibt es keine Breitbandversorgung. Du kannst diesen Livestream gar nicht ins Internet stellen.

(Beifall bei der FDP)

Da muss das Geld investiert werden, und da reißen Sie leider die Latte.

Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten setzen alte, aber auch neue Schwerpunkte. Neben einer leistungsfähigen Landwirtschaft liegt uns auch das Tierwohl in besonderer Weise am Herzen. Wir werden in den nächsten Wochen Initiativen auf den Weg bringen, die unter anderem thematisieren werden, wie man es denn hinbekommt, dass ab 2019 endlich nicht mehr 50 Millionen männliche Küken, unmittelbar nachdem sie geschlüpft sind, getötet werden, weil es für sie keine industrielle Verwendung gibt. Das sind Zustände, die wir verändern wollen, weil wir glauben, dass wir moralisch dazu verpflichtet sind.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ich mir daneben den Haushaltsentwurf von Union und SPD angucke und mir vergegenwärtige, dass es sich bei dem Landwirtschaftsministerium um ein Haus handelt, das von der Union geführt wird, dann muss ich sagen, dass sich das fortschreibt, was wir in den letzten vier Jahren gesehen haben: Sie sind an vielen Stellen sehr „durchgegrünt“, indem sie teilweise sogar Wordings, Vokabeln übernehmen, die eigentlich von einer anderen politischen Partei stammen.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nur das Wording!)

Ich kann nur hoffen, dass das Landwirtschaftsministerium die Chuzpe hat, dieser offensichtlichen Strategie Ihrer Partei, der CDU, die ihr Wählerpotenzial künftig eben nicht mehr so sehr in den ländlichen Regionen, sondern eher in dem urbanen Milieu sieht, etwas entgegenzusetzen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Hocker. – Nächste Rednerin ist Amira Mohamed Ali für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7227139
Wahlperiode 19
Sitzung 31
Tagesordnungspunkt Ernährung und Landwirtschaft
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta