Amira Mohamed AliDIE LINKE - Ernährung und Landwirtschaft
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Vorrednerin aus meiner Fraktion, Heidrun Bluhm, hat damit geendet – ich beginne damit –: Die Ministerin Klöckner hat in ihrer Regierungserklärung gesagt, das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft sei das Lebensministerium.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aus Österreich geklaut!)
Das hat mich erst mal gefreut; denn es betont die Bedeutung, die diese Themen für die Menschen haben. Es geht um unser Essen, um gesunde Ernährung. Es geht um die Frage, ob wir die Agrarwende auf den Weg bringen, unsere Landwirtschaft zukunftsfähig machen. Es geht um den Schutz unserer Tiere, unserer Böden und der Gesundheit der Menschen. Ich frage mich allerdings, wie ernst Sie es mit dem „Lebensministerium“ meinen; denn nur 3 Prozent des Gesamtbudgets, also rund 167 Millionen Euro, sind für den gesundheitlichen Verbraucherschutz und für die Ernährung eingeplant. Das erscheint mir zu wenig.
(Beifall bei der LINKEN)
Zum Vergleich: Alleine der Verteidigungshaushalt soll in diesem Jahr mehr als 38 Milliarden Euro verschlingen.
Sind Ihnen die Lebensmittelskandale der letzten Jahre entgangen? Bekommen Sie nicht mit, dass immer mehr Menschen aufgrund ungesunder Ernährung ernsthafte gesundheitliche Probleme haben? Für Die Linke ist klar: Wir brauchen in der Lebensmittelpolitik bessere Kontrollen. Es nützt nichts, das nur zu sagen; dafür muss man auch Geld in die Hand nehmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Stichwort „Geld“: Immer mehr Menschen fehlt das Geld, um sich gesund ernähren zu können. Die Ministerin hat genau das vor kurzem abgestritten. Aber, ich denke, da verschließen Sie die Augen vor der Realität. Wir haben eine Zwei-Klassen-Ernährung in unserem Land. Jedes vierte Kind in Deutschland ist inzwischen von Armut betroffen. Wissen Sie, wie viel im Hartz-IV-Regelsatz am Tag für Essen und Trinken für ein zwölfjähriges Kind zur Verfügung steht? Das sind keine 3 Euro.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Skandalös!)
Dafür können Sie kein Kind im Wachstum ausreichend und gesund ernähren. Ich finde das unerträglich. Die Linke akzeptiert das nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Problem, die eigenen Kinder nicht gesund ernähren zu können, betrifft nicht nur Eltern in Hartz IV. Es betrifft immer mehr Familien, die von hohen Mieten und Energiekosten erdrückt werden, die im Niedriglohnsektor arbeiten, zum Beispiel im Lebensmitteleinzelhandel. Auch darum fordert Die Linke kostenlose Schulverpflegung mit frischem, gesundem Essen. Es geht um einen guten Start ins Leben, und den verdienen alle Kinder.
(Beifall bei der LINKEN)
Kolleginnen und Kollegen von der Regierung, ich weiß ja, dass Sie Hartz IV gut finden, den Niedriglohnsektor nicht eindämmen wollen, dass Sie also die notwendigen Schritte nicht gehen wollen, um die Situation der Eltern zu verbessern. Aber ich bitte Sie: Gehen Sie doch wenigstens diesen einen Schritt für die Kinder! Stimmen Sie unserem Antrag zu!
(Beifall bei der LINKEN)
Für Rüstung und Verteidigung wollen Sie mehr als das Sechsfache dessen ausgeben, was gesundes Essen in Schulen kosten würde. Setzen Sie bitte die richtigen Prioritäten!
Ich komme zu einem weiteren Thema. Die Regierung plant 7 Millionen Euro ein, um ein Tierwohllabel einzuführen. Aber ich bin, offen gesagt, etwas skeptisch, was die Ernsthaftigkeit Ihrer Absichten zum Tierwohl angeht. Was in diesem Haus zu diesem Thema gerade schon gesagt wurde, hat mich darin bestärkt. Im Koalitionsvertrag steht – ich zitiere –:
Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden.
(Dieter Stier [CDU/CSU]: Ja! Richtig!)
Als Juristin möchte ich Ihnen dazu sagen: Einbruch auf fremdem Grund und Boden ist bereits strafbar.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Ach nee! – Christian Haase [CDU/CSU]: Komisch, dass die Gerichte dann nicht so entscheiden!)
Aber Sie wollen einen extra Straftatbestand schaffen. Worum geht es hier? Warum ist das notwendig?
Das Landgericht Magdeburg und das Oberlandesgericht Naumburg haben jüngst in bestimmten Fällen Tierschützer, die in Ställe eingedrungen sind, um dort die furchtbaren Missstände zu dokumentieren und zur Anzeige zu bringen, freigesprochen. Begründet wurde das mit der vorhandenen Notstandssituation; denn die Behörden sind aktuell nicht gut genug ausgestattet, um die Betriebe hinreichend zu kontrollieren.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Wir müssen auch das ändern! Wir dürfen dieser Anarchie nicht auch noch Raum geben!)
Die Behörden werden auch erst aktiv, wenn handfeste Beweise für Verstöße gegen das Tierschutzgesetz vorliegen. – Herr Kollege, Sie sprechen von Anarchie. Das sind Gerichtsentscheidungen.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Gero Clemens Hocker [FDP])
Jetzt wollen Sie unser Strafrecht ändern, damit die Gerichte die Tierschützer nicht mehr freisprechen können, um sie davon abzuhalten, die Tierquälerei ans Tageslicht zu bringen.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Was ist die Aufgabe der Behörden?)
Sie wollen Einbrüche in Tierställe effektiv ahnden. Ahnden Sie lieber die Verstöße gegen das Tierschutzgesetz effektiv!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unbedingt!)
Sorgen Sie dafür, dass die Veterinärbehörden mit den notwendigen Mitteln und Befugnissen ausgestattet werden, das Tierschutzgesetz durchzusetzen! Dann endet auch die Notstandssituation.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Weil morgen der islamische Fastenmonat beginnt, möchte ich die Gelegenheit, heute hier sprechen zu können, dafür nutzen, aus dem Deutschen Bundestag allen Musliminnen und Muslimen in diesem Land einen guten Ramadan zu wünschen.
Danke.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Jürgen Braun [AfD]: Auch das noch!)
Nächster Redner ist der Kollege Harald Ebner, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7227141 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 31 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |