Katrin BuddeSPD - Ernährung und Landwirtschaft
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht nur die erste Rede, es ist mir eine Ehre, auch das letzte Wort heute bei diesem Einzelplan zu haben. Das muss man mit der ersten Rede erst einmal schaffen. Immerhin.
Der Haushalt des Bereichs Ernährung und Landwirtschaft ist nicht unbedingt der größte Haushalt. Es ist ein großer, aber vieles – wir haben es gehört – ist im Bereich der sozialen Sicherungssysteme angesiedelt. Es ist auch nicht der, der immer die lauteste Auseinandersetzung hervorruft. Aus 27 Jahren Landespolitik weiß ich, dass es unter den Bäuerinnen und Bauern dann doch immer viel Einigkeit gibt.
Vielleicht sollte er aber doch ein Haushalt mit einer großen Auseinandersetzung sein, nicht weil wir in den Fragen und Inhalten so zerstritten sind, sondern weil es der Haushalt ist, der einen entscheidenden Teil unseres Lebens abbildet. Landwirtschaft, Forst- und Ernährungswirtschaft sind entscheidende Säulen unserer Wirtschaft. Sie haben Einfluss auf das Essen, die Gesundheit, die Umwelt und die Umgebung, in der wir leben.
80 Prozent der Bundesrepublik sind ländliche Räume. Sie sind sehr differenziert und unterschiedlich, aber es sind ländliche Räume. Genau deshalb muss die Politik für ländliche Räume sichtbarer, effektiver und wirkungsvoller werden. Dies muss ein Kernthema des Ministeriums in dieser Legislatur sein.
Ich erhoffe mir – das, Herr Fuchtel, geht jetzt sozusagen an Ihre Chefin – durch den Führungswechsel an der Spitze des Ministeriums auch etwas mehr Empathie und Fingerspitzengefühl. Der weibliche Blick für das Wesentliche und für Nachhaltigkeit, also Verantwortung für gegenwärtige und folgende Generationen, ist ja meist – und das schon seit Jahrtausenden – etwas geschärfter, und das kann sehr gut sein.
Wenn man über ländliche Räume redet, meine Damen und Herren, dann trifft man ja im Grunde immer wieder auf gute alte Bekannte, nämlich Themen wie Mobilität, Gesundheitsinfrastruktur, Bildungsinfrastruktur, Versorgung. Es wird immer über diese Dinge geredet, wenn wir über ländliche Räume sprechen.
Daneben schiebt sich aber seit einigen Jahren, in den letzten Monaten noch einmal verstärkt, das Thema Digitalisierung als ein neues Querschnittsthema der Daseinsvorsorge dazwischen – nicht nur in Ballungszentren, sondern insbesondere in ländlichen Räumen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Erreichbarkeit in der digitalen Welt bzw. über die digitale Welt ist auch als Schlüssel für neue, andere, zusätzliche und interessante Arbeitsplätze unerlässlich. Einfach alles in der heutigen Welt ist von Erreichbarkeit und Schnelligkeit abhängig. Manchmal mag man darüber auch denken: leider. Das denke ich auch oft; aber man braucht sie.
Doch um die wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raumes zu stärken, benötigen wir auf der einen Seite schnelles Internet, auf der anderen Seite brauchen wir aber auch eine größere regionale Wertschöpfung, regionale Verarbeitung und regionale Vermarktung. Das Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ ist gut. Die Verstetigung der Mittel im Bundeshaushalt ist richtig und wichtig. Dass sie noch nicht alle vollständig abgerufen werden, zeigt, dass noch viel Arbeit vor uns liegt.
Eingeplante und dennoch verfallene Mittel helfen weder den Menschen vor Ort, den Bäuerinnen und Bauern, noch denjenigen, die in der ländlichen Region etwas aufbauen wollen, oder der gesamten Gesellschaft. Also müssen wir erreichen, dass die Mittel abgerufen werden. Wir halten an unserem Ziel der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse fest. Die Haushaltsmittel sind dabei nur Mittel zum Zweck; wir müssen etwas daraus machen.
(Beifall bei der SPD)
Ein entscheidender Punkt ist dabei – das wurde schon oft gesagt und ist deshalb nicht falsch, sondern umso wichtiger – die regionale Wertschöpfung. Regionale wirtschaftliche eigenständige Strukturen, die tragen, sind gesund und umweltfreundlich. Regionalität ist nicht das Zauberwort, das alle Probleme löst, ist aber entscheidend.
Regionalität ist der Schlüssel, um dem Ziel, unseren Regionen vor Ort wieder Lebenskraft zu geben, ein wenig näherzukommen. Deshalb können wir uns auch gut vorstellen, eine Ergänzung vorzunehmen und ein Modul für regionale Wertschöpfung und Vermarktung im Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ aufzunehmen. Geld ist ja ganz offensichtlich da; wir müssen es nur sinnvoll ausgeben können.
Auch die Gründung des Kompetenzzentrums Ländliche Entwicklung mit ressortübergreifendem Ansatz ist ein solcher Baustein für integrative Politik, für Zusammenarbeit und gegen Ressortdenken. Begleitforschung ist dabei übrigens immer wichtig, meine Damen und Herren von der AfD, und nicht ein notwendiges Übel.
(Beifall bei der SPD)
Ein Thema, das ich noch zum Schluss ansprechen möchte, mir extrem wichtig ist, aber nicht unmittelbar mit dem Haushalt zu tun hat, ist der drohende Ausverkauf von Grund und Boden an Finanzinvestoren oder an Gesellschaften, die mit Grund und Boden handeln oder Grund und Boden als Geldanlage sehen.
Wir brauchen die bodengebundene, die inhabergeführte, die bäuerliche Landwirtschaft. Egal ob es große, kleine oder mittlere Betriebe sind – es muss eine gute Mischung geben. Wir brauchen die Bäuerinnen und Bauern als Eigentümerinnen und Eigentümer in der Region, in der sie arbeiten und wohnen. Sie kennen ihr Land. Sie kennen ihre Region. Sie kennen die Witterungsbedingungen. Sie wissen, was zu machen ist. Sie wissen, was Verantwortung für die nächste Generation heißt.
Und auch wenn dies kein zentrales Haushaltsthema ist, muss es hier doch einmal angesprochen werden. Wir müssen helfen, Lösungen zu finden – im Haushalt und außerhalb des Haushalts. Es ist gerade ein akutes ostdeutsches Problem; aber ich habe gelernt: Es macht vor anderen, westlicheren Bundesländern nicht halt. Ich habe aus Baden-Württemberg gehört, dass es auch dort Probleme gibt.
Also, zum guten Schluss: Perspektiven für ländliche Räume schaffen, heißt Arbeiten, Wohnen und das Gesundheitssystem fördern, heißt Infrastruktur für Mobilität auf Straße, Schiene und im Netz ausbauen, heißt Schulen, Kitas und Horte finanziell besser ausstatten, heißt Studium und Facharbeiterausbildung in der Fläche ermöglichen, Familiengründung und Modern-leben-Können fördern, heißt, die Abwanderung der klugen, jungen Frauen stoppen. Wir können auch Traktoren und Krane fahren. Wir können all das, was die Männer können; aber ohne kluge junge Frauen in der Region wird es ein wirkliches Problem geben. Das heißt, wir müssen ihre Abwanderung stoppen. Heimat ist mehr als das Aufhängen von Kreuzen. Das sage ich, auch wenn ich selbst katholisch bin.
Vielen Dank fürs Zuhören.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7227152 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 31 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |