16.05.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 32 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 04

Achim PostSPD - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht ganz genau, über welches Land mein Vorredner geredet hat; über den Haushalt hat er jedenfalls nicht geredet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Hat Frau Nahles auch nicht!)

Dafür weiß ich sehr wohl, dass das, was die erste Rednerin der AfD, Frau Weidel, gesagt hat, mit dem deutschen Grundgesetz nichts zu tun hat, jedenfalls nichts mit Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Haushaltsdebatten, Haushaltswochen, Haushalte sind immer wichtig. Die Debatte heute hat gezeigt: Diese Haushaltswoche, diese Haushaltsdebatte, dieser deutsche Bundeshaushalt 2018 sind noch wichtiger als sonst. Warum? Viele Rednerinnen und Redner haben auf das politische Umfeld hingewiesen, nicht nur im Nahen Osten, wo durch einseitiges Handeln des amerikanischen Präsidenten, sowohl durch die Botschaftsverlegung als auch durch die Aufkündigung des Iran-Abkommens, das Pulverfass mit einem Brandbeschleuniger versehen wurde und dadurch der Nahe Osten weiter in die falsche Richtung getrieben wird, und zwar mit unabsehbaren Konsequenzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Hier wurden vorhin die Äußerungen des neuen amerikanischen Botschafters angesprochen. Auch ich habe mich über seine Äußerungen gewundert. Vielleicht sollte der Herr Botschafter einmal in seine Ernennungsurkunde gucken. Darin steht nämlich: Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in der Bundesrepublik Deutschland. Darin steht nicht: Korrespondent von Fox oder Breitbart News.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn man sich die Lage im Nahen Osten anschaut, gerade in Syrien, muss man sagen, dass das, was Russland in den letzten Monaten und in den letzten zwei Jahren dort gemacht hat, brutal, zynisch und menschenverachtend ist und mit dem Völkerrecht nichts, aber auch gar nichts zu tun hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Man muss aber auch, bevor man auf Europa blickt, wissen, dass es eine große Macht, nämlich China, gibt, die versucht, die neue Ordnungsmacht in der Welt zu werden, und zwar mit einer Systemalternative. Diese Alternative unterscheidet sich von unserem Modell der Freiheit, der Menschenrechte und der Demokratie. Das muss man im Kopf haben. Deshalb müssen wir sowohl mit den Vereinigten Staaten von Amerika – mit denen sowieso; das sind seit 20, 30, 40, 50 Jahren unsere wichtigsten Partner außerhalb Europas – als auch mit Russland und China eng zusammenarbeiten und jede Dialogmöglichkeit nutzen, die sich bietet, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Auf welcher Grundlage ist der Bundeshaushalt 2018 aufgestellt worden? Wir haben in Deutschland – und darum beneiden uns viele in der Welt – stabile Wachstumsprognosen, sinkende Arbeitslosigkeit, steigende Beschäftigung. Auf dieser Grundlage stellen wir einen Haushalt auf – der Bundesfinanzminister ist anwesend –, den ich in aller Kürze mit drei Überschriften beschreiben würde:

Erstens: Es ist ein Haushalt der Solidität. Der Haushalt 2018 und die nachfolgenden Haushalte kommen ohne neue Nettokreditaufnahmen aus.

Zweitens: Es ist ein Haushalt der Solidarität. Jeder, der was anderes behauptet, sollte sich die Zahlen angucken. Wir geben viel Geld aus, um das Leben der Menschen in Deutschland zu erleichtern, zu verbessern und etwas gerechter zu machen. Gucken Sie sich genau an, was in den Haushalten von Hubertus Heil und Franziska Giffey passiert.

Drittens – das ist besonders an die FDP gerichtet –: Es ist ein Zukunftshaushalt. Man muss sich nur ansehen, wie viel wir investieren.

(Otto Fricke [FDP]: Prozentual runter! Die Investitionen sinken prozentual!)

Zurzeit marschiert ja ein Gespenst durch das Regierungsviertel. Es wird gesagt, dieser Haushalt sehe keine Investitionen vor. Schauen wir uns die Zahlen an: In dieser Legislaturperiode werden wir im Vergleich zur letzten Legislaturperiode im Bereich Bildung und Forschung 18 Prozent mehr ausgeben, und auch in den Bereichen Arbeit sowie Familie und Soziales geben wir 18 Prozent mehr aus als vorher.

(Otto Fricke [FDP]: Interessanter Investitionsbegriff! – Gegenruf der Abg. Andrea Nahles [SPD]: Soziale Investitionen!)

Diese Zahlen sollten Sie sich einmal ansehen.

(Otto Fricke [FDP]: Das sind aber keine Investitionen im Sinne des Haushaltsgesetzes! – Gegenruf der Abg. Andrea Nahles [SPD]: Das ist Ihre Meinung!)

– Das ist ein gutes Stichwort. Gucken Sie sich die Investitionen des Bundes an.

(Otto Fricke [FDP]: Die sinken prozentual!)

Im Vergleich zum letzten Bundeshaushalt ist ein Plus von 18 Prozent zu verzeichnen. Ich habe mir diese Bereiche extra herausgesucht, weil die Steigerung jedes Mal 18 Prozent beträgt. Das kann man sich leicht merken. Das sollten auch Sie sich merken, lieber Kollege von der FDP.

(Otto Fricke [FDP]: Oh, oh, oh! Sie haben einen anderen Haushalt!)

– Der Haushalt ist für alle gleich.

Jetzt kommen wir zum nächsten Punkt, zu Europa. Das ist ja ein Lieblingsthema von einigen von Ihnen. Wie kann man sowohl das, was in der Welt geschehen muss, als auch das, was für dieses Land erforderlich ist, vernünftig voranbringen? Wir kommen voran – das haben die Bundeskanzlerin heute und der Bundesfinanzminister gestern gesagt –, indem wir in Europa investieren. Das steht genau so im Koalitionsvertrag. Sie können sich darauf verlassen: Wir werden diesen Koalitionsvertrag umsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Dabei geht es um zwei Bereiche, zwei Pfeiler, wenn Sie so wollen. Ja, wir wollen die Euro-Zone stabiler machen. Ja, wir wollen die Euro-Zone krisenfester machen. Ja, wir wollen die Wirtschafts- und Währungsunion reformieren. Gleichzeitig wollen wir Europa sozialer machen. Wir wollen mehr tun gegen Steuerflucht. Wir wollen mehr tun gegen Steuerdumping. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir tun das bereits, und wir werden diese Arbeit fortsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Zu jeder Haushaltsdebatte, zu jeder Debatte darüber, wie die Politik der Bundesrepublik Deutschland in diesem und den nächsten drei Jahren aussehen soll, gehört Streit. Ich würde sagen: Ohne Streit ist eine Demokratie keine richtige Demokratie. Streiten wir doch einmal über zwei, drei wichtige Punkte:

Erster Streitpunkt. Ich streite leidenschaftlich dafür, dass das, was im Koalitionsvertrag steht – Einführung einer Finanztransaktionsteuer und Einführung einer Digitalsteuer –, umgesetzt wird, und zwar so schnell wie möglich.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])

Zweiter Punkt. Frau Verteidigungsministerin, ich streite auch leidenschaftlich dafür, dass die Bundeswehr – genauso wie es im Koalitionsvertrag steht und genauso wie wir es im Haushalt festgelegt haben – besser, deutlich besser ausgestattet wird als bisher. Jeder Euro und jeder Cent, der im Haushalt steht, wird dann auch für die Bundeswehr ausgegeben. Wogegen ich aber bin, ist die Verdopplung des Verteidigungshaushaltes, und wogegen ich bin, sind neue Sonderwunschlisten. Die gibt es nur zu Weihnachten, aber nicht zu Pfingsten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Da seid ihr aber kleinlich!)

Dritter Punkt. Wenn wir über Europa und auch über das streiten, was wir mit Frankreich gemeinsam machen müssen – denn wir müssen es zuallererst mit Frankreich gemeinsam und dann mit allen anderen machen –, muss ich einmal zu Ihnen schauen, Frau Wagenknecht. Bei aller Liebe und bei allem Respekt: Sie haben vorhin relativ spöttisch auf die Kolleginnen und Kollegen geschaut, die sich darüber gefreut haben, dass Herr Macron vor einem Jahr die Wahlen in Frankreich gewonnen hat. Können Sie mir sagen, wer in Frankreich die Alternative zu Herrn Macron war? Es war Marine Le Pen, eine Rechtsradikale. Wollten Sie die? Ich hoffe nicht, dass das der Fall ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir in der Koalition – das zeigt das Europa-Kapitel des Koalitionsvertrages – sind die Letzten, die mit naiver Begeisterung für irgendjemanden in Europa zu Werke gehen; vielmehr handeln wir mit Realitätssinn, im deutschen Eigeninteresse und mit europäischem Verstand.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist dieser Koalitionsvertrag gut, ist dieser Haushalt gut und wird die Politik der Großen Koalition gut.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Kollegin Simone Barrientos.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7227238
Wahlperiode 19
Sitzung 32
Tagesordnungspunkt Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
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