Wolfgang HellmichSPD - Verteidigung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Verwirrung möchte ich auflösen: Der Ausruf „Heureka!“ stammt nicht von Odysseus, sondern von Archimedes von Syrakus,
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
als er nämlich in der Badewanne das Archimedische Prinzip entdeckte. Er stieg aus und sagte: Heureka! Es ist gelungen.
(Heiterkeit)
Das kann man über die Bundeswehr im Moment leider nicht sagen.
Im Koalitionsvertrag steht: Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr werden das erhalten, was sie brauchen. – Darauf verlassen sich die Soldatinnen und Soldaten auch. Dabei verfolgen sie verwundert die Debatte über sie und sagen mir gelegentlich, es wäre doch vielleicht besser, mehr mit ihnen als über sie zu sprechen. Sie erfahren jeden Tag das Delta zwischen Anspruch und Realität, und das Delta ist groß.
Ich will den Aufzählungen, die hier genannt worden sind, nicht noch Begriffe hinzufügen, weil sie den Soldatinnen und Soldaten in ihrem Dienst nicht helfen und weil sie auf die Mentalität in der Bundeswehr eher demotivierend als motivierend wirken. Die Soldatinnen und Soldaten und auch ich sind an guten Lösungen interessiert – und das sehr schnell und sehr deutlich.
Die Soldatinnen und Soldaten sind allerdings nicht an Aussagen interessiert, die ihnen in der Öffentlichkeit schaden. Ich will an dieser Stelle eine Aussage nennen, die mir große Sorgen bereitet: Ein Vertreter der AfD im Bundestag, der einmal Soldat war, erklärte im Deutschlandfunk, in der Frage der Sanierung der Bundeswehr stehe der Feind in der Bundesregierung.
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oi!)
Das halte ich, der ich nun sehr genau weiß, was ein Feind für einen Soldaten bedeutet – einen Feind bekämpft man mit allen Mitteln; als Abgeordneter, der diese Koalition trägt, werde ich offensichtlich auch als Feind bezeichnet –, mit dem Eid, den die Soldatinnen und Soldaten ablegen, nämlich diesem Lande treu zu dienen, für nicht vereinbar. Das will ich hier ganz deutlich sagen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es gilt, Lösungen zu finden. Das Ziel ist eine voll einsatzfähige und einsatzbereite Bundeswehr, eine attraktive Bundeswehr, in der der Dienst gerne getan wird und deren Soldatinnen und Soldaten und zivilen Beschäftigten mit Achtung entgegengetreten wird.
Es gibt keinen Einzelplan, der von der Kameralistik so entlastet und flexibilisiert ist wie der Einzelplan 14.
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! Recht hat er!)
Deshalb will ich an dieser Stelle etwas zum Thema 25-Millionen-Euro-Vorlage sagen. Ich glaube nicht – das sehe ich auch nicht so –, dass mit der Kritik an dieser 25-Millionen-Euro-Vorlage gemeint ist, dass das Parlament für die Verzögerung sorge und damit die Verantwortung für bestimmte Prozesse am Ende der Entscheidungskette in das Parlament geschoben werden soll. Unsere parlamentarische Beteiligung hat keine Schuld an den Verzögerungen. Wir sind, wenn es sein muss, in einer Woche mit einer Vorlage fertig. Das haben wir oftmals unter Beweis gestellt, sowohl im Verteidigungsausschuss als auch im Haushaltsausschuss.
(Beifall bei der SPD)
Wenn ich aber sehe, dass für die Bestellung wichtiger Bauteile in Beschaffungsprogrammen mit 140 Vorschriften 14 000 Seiten an Anforderungsprofil produziert werden und es für dieses Anforderungsprofil und die Umsetzung nicht einmal ein Programm gibt, das diesen Prozess organisiert und darstellt, dann sehe ich das Problem eher an anderer Stelle. Es ist also im Maschinenraum der konkreten praktischen Arbeit angesichts der Komplexität dieser Projekte eine Menge zu tun.
Wenn mir dann eine Brandschutzvorschrift von 1988 in die Hände fällt, die auch heute noch gilt, dann sage ich mir: Irgendetwas stimmt da nicht. Irgendetwas muss an dieser Stelle in den Prozessen besser gemacht werden. – Das ist das, worauf die Soldatinnen und Soldaten in den Prozessen genau schauen, weil sie eben wissen, wo man anpacken muss und wo die Verzögerungen liegen.
Die Lösung der Probleme liegt auch nicht in der Privatisierung der Erledigung hoheitlicher Aufgaben; auch das will ich an dieser Stelle deutlich sagen. Das, was zur Sicherheit und zur Souveränität der Bundesrepublik Deutschland gehört, gehört nicht in private Hände. Es gehört in die öffentliche Verantwortung, diese Interessen wahrzunehmen und durch dieses Parlament kontrollieren zu lassen. Ansonsten sind wir nämlich draußen.
(Beifall bei der SPD)
Die Optimierung des Beschaffungswesens, eine attraktive Gestaltung der Jobs durch Stellenhebungen und Bündelung, die Veränderung der Ausschreibungsprozesse – vieles steht im Koalitionsvertrag und wird praktisch und pragmatisch in Angriff genommen, um nämlich die Beschaffungsprozesse voranzubringen und das Material, die Versorgung und die persönliche Ausstattung, die die Soldatinnen und Soldaten brauchen, zügig, schnell und besser auf den Hof zu bringen und ihnen für die Erledigung ihres Dienstes zur Verfügung zu stellen.
Ich bin der Meinung, dass die Summen, die im Haushalt 2018 stehen, für die Erfüllung dessen, was in diesem Jahr getan werden kann, voll und ganz ausreichen. Das, was dort steht, muss erst einmal alles umgesetzt werden. Dieses Jahr ist zur Hälfte um.
Die Jahre 2019, 2020 und 2021 werden dann von höherer Bedeutung sein. Die logische Kette ist: Wir haben ein Weißbuch, wir haben eine Konzeption der Bundeswehr. Wir haben dann – jetzt noch nicht – ein Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und eine Finanzbedarfsplanung. Ich bitte sehr darum, dass man auf der Grundlage der Dokumente, die es für die parlamentarische Beratung gibt, eine sehr gründliche, rationale und auch ruhige Debatte darüber führt, was dann an Finanzmitteln zur Verfügung gestellt werden muss.
Die Finanzen müssen so gestaltet sein, dass die Partnerinnen und Partner, mit denen wir – gerade auch in Europa – zusammenarbeiten, mit uns auch kooperieren wollen und von uns nicht Signale erhalten, die sie fragen lassen: Was macht denn die Bundesrepublik Deutschland da? Steht sie zu ihrem Wort? Stehen denn diese Projekte noch, oder werden sie auf einmal zur Disposition gestellt? Das schürt Verunsicherung.
Herr Präsident, ich sehe das Signal. – Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, letzter Redner zu diesem Einzelplan ist Dr. Reinhard Brandl für die CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU – Henning Otte [CDU/CSU]: Last, but not least!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7227328 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 32 |
Tagesordnungspunkt | Verteidigung |