17.05.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 33 / Einzelplan 06

Konstantin KuhleFDP - Inneres, Bau und Heimat

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Es geht um Grenzziehungen und um Orientierungen, es geht darum den Raum der Zusammengehörigkeit gemeinsam zu definieren.

So schreiben Sie, sehr verehrter Herr Bundesminister Seehofer, in Ihrem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 30. April 2018 über Ihre sogenannte heimatbezogene Innenpolitik. Reden wir also über Orientierung, und reden wir über Grenzziehungen.

Wer im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern in diesen Tagen auf der Suche nach Orientierung ist, der wird nicht fündig, oder, um es mit den Worten des ehemaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière zu sagen: „Das deutsche Innenministerium ist jetzt schon extrem groß …“ Wir sprechen über ein Haus, das neben der öffentlichen Sicherheit, neben der IT-Infrastruktur, neben der IT-Sicherheit, neben öffentlichem Dienst, Sport, Staatsrecht und gesellschaftlichem Zusammenhalt nun auch noch für Heimat und für Bauen zuständig ist. Um es mit den Worten von Thomas de Maizière zu sagen: „Ich jedenfalls hätte mir diese Breite des Ressorts, wie die CSU sie anstrebt, nicht zugetraut.“

(Beifall bei der FDP)

Genauso fehlt es dann – das sieht man beim näheren Blick in den Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums – an Orientierung. Seit der Hochphase der Flüchtlingskrise fehlt es an Personal im BAMF. Wir haben erlebt, dass eine leitende Mitarbeiterin der Bremer Außenstelle über 1 000 Asylanträge bewilligt hat, obwohl kein Rechtsgrund dafür bestand. Darunter waren möglicherweise Asylanträge von Menschen, die eine terroristische Gefahr darstellen. Angesichts dieses Skandals muss doch die Aufklärung im BAMF die höchste politische Priorität der Bundesregierung haben.

Stattdessen hat die Bundeskanzlerin gestern hier an dieser Stelle ausgeführt, die Hausleitung des BMI habe erst Anfang 2018 davon erfahren, obwohl dieses Haus längst weiß, dass die ersten anonymen Hinweise bereits im Frühjahr 2016 eingingen.

(Beifall bei der FDP)

Die Bundeskanzlerin hat an dieser Stelle ebenso gesagt, man solle den Herrn Bundesinnenminister nicht nach weniger als 100 Tagen so schlecht bewerten und so unfair behandeln. Meine Damen und Herren, die CSU und die CDU führen seit über zwölf Jahren das Bundesinnenministerium, und sie sind offenbar nicht in der Lage, den Konflikt und die Unsicherheit im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu befrieden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sehr verehrter Herr Bundesminister Seehofer, Sie haben hier beschrieben, dass es eine Überprüfung durch den Bundesrechnungshof geben soll. Diese Überprüfung ist seit Wochen angekündigt. Noch nach der Ankündigung dieser Überprüfung hat der ehemalige Chef des BAMF ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt. Sie sind offensichtlich nicht in der Lage, das BAMF zu befrieden, sondern sorgen für mehr Unsicherheit und mehr Verunsicherung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BAMF. Das muss sich nach einer zwölfjährigen Amtszeit der CDU und der CSU an der Spitze des BMI deutlich ändern.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich dem Kollegen Lischka für seine großartige Oppositionsrede von dieser Stelle aus danken.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der AfD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn er hat in bemerkenswerter Weise uns allen vor Augen geführt, wie groß der Konflikt und wie groß der Unterschied zwischen CDU/CSU auf der einen Seite und der SPD auf der anderen Seite bei der Einrichtung der AnKER-Zentren ist. Die Einrichtung der AnKER-Zentren ist eine gute Idee; aber es herrscht offenbar ein offener Konflikt zwischen dem Bundesinnenministerium und der Bundespolizei, zwischen der Bundesebene und den Ländern, zwischen Herrn Middelberg und Herrn Pistorius, sodass die Abspracheschwierigkeiten in der niedersächsischen Landeskoalition jetzt im Deutschen Bundestag gelöst werden sollen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Dr. Middelberg.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir erleben, dass Herr Lischka hier offensichtlich die Unklarheiten aus dem Koalitionsvertrag im Plenum des Deutschen Bundestages klären möchte. Sorgen Sie dafür, dass hier Einigkeit besteht, und berufen Sie noch vor der Sommerpause mit den Kommunen, mit den Ländern einen nationalen Migrationsgipfel ein, um ein für alle Mal zu klären, wie diese AnKER-Zentren organisiert werden sollen.

(Beifall bei der FDP)

Laut Ihrem Gastbeitrag in der „FAZ“ ist Ihnen offenkundig nicht nur an Orientierung gelegen, sondern auch an Grenzziehung. So formuliert das Grundgesetz neben dem Auftrag, für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen – deswegen begrüßen wir ausdrücklich den schnellen Aufwuchs bei der Bundespolizei, den Mittelaufwuchs für die innere Sicherheit –, eben auch Grenzen für Handlungen des Staates. Diese Grenzen befinden sich in den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger. Da gibt es etwas, das die Vertreterinnen und Vertreter von CDU und CSU niemals verstehen werden: Zu diesen Grundrechten gehören die informationelle Selbstbestimmung und auch die Privatsphäre.

(Beifall bei der FDP)

Das, was Sie in Bayern mit dem neuen Polizeiaufgabengesetz machen, hat bundespolitische Relevanz, weil zu befürchten ist, dass dieses Polizeiaufgabengesetz zum Musterbeispiel für ein Musterpolizeigesetz wird. Diese Arroganz, diese Überheblichkeit, mit der gegen Menschen Stimmung gemacht wird, die für ihre Bürgerrechte auf die Straße gehen, wird Ihnen noch auf die Füße fallen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist die wahre drohende Gefahr doch die absolute Mehrheit der CSU in Bayern.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es wird immer wieder gesagt: Ich habe doch nichts zu verbergen. – Wer nichts zu verbergen hat, der hat ein verdammt trauriges Leben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese offene Gesellschaft lebt auch davon, dass Menschen einen Ort des Rückzugs, einen Ort der Privatsphäre haben, an dem sie für sich alleine sein können. Das muss auch auf Bundesebene wieder stärker berücksichtigt werden.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat das Wort der Kollege André Hahn von der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7227443
Wahlperiode 19
Sitzung 33
Tagesordnungspunkt Inneres, Bau und Heimat
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