17.05.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 33 / Einzelplan 07

Katarina Barley - Justiz und Verbraucherschutz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist ebenfalls ein klassisches Ressort wie das Bundesministerium des Innern. Es ist deutlich kleiner im Etat, aber fein; denn uns ist innerhalb der Bundesregierung das höchste Gut unserer Verfassung anvertraut: der Schutz der Rechtsstaatlichkeit und deren Garantie in unserem Land.

Es ist mittlerweile schick geworden, sich über unseren Rechtsstaat zu mokieren, ihn lächerlich zu machen und zu beschimpfen, leider inzwischen nicht nur von Populisten – bei denen gehört das zum Geschäftsmodell –, sondern mittlerweile dringt es in weite Teile der politischen Landschaft durch.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Siehe Bayern!)

Das ist erstens unverantwortlich, und zweitens ist es falsch.

Deutschland genießt nach einer wirklich schwierigen Geschichte mittlerweile einen hervorragenden Ruf in der Welt. Das hat zu ganz großen Teilen auch damit zu tun, dass in Deutschland Entscheidungen nach klaren Regeln fallen, dass man sich darauf verlassen kann, dass es ohne Ansehen der Person geschieht. Das ist für jeden Menschen existenziell, es ist für unsere Gesellschaft existenziell und im Übrigen wichtig für die Stabilität unserer Gesellschaft und auch für die Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])

Ich möchte an dieser Stelle denjenigen danken, die jeden Tag dafür einstehen. Es sind Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Anwältinnen und Anwälte, aber auch ganz viele in Verwaltung und nichtrichterlichen Diensten, die jeden Tag einen super Job machen. Vielen Dank an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Gerechtigkeit braucht einen starken Rechtsstaat und einen schlagkräftigen Verbraucherschutz. Beides dürfen nicht nur Schlagworte sein. Es ist unsere Aufgabe, diese Werte mit Leben zu füllen. Wir brauchen weniger abstrakte Debatten, wir brauchen spürbare Verbesserungen im Alltag der Menschen. Dabei kommt es natürlich auch auf die Wahl der Mittel an. Immer nur schärfere Gesetze zu fordern oder umzusetzen, ist allein nicht der richtige Weg, um beispielsweise wirkungsvoll gegen Kriminalität vorzugehen. Wir werden deshalb auf der Ebene der Regierungschefinnen und ‑chefs von Bund und Ländern einen Pakt für den Rechtsstaat schließen und damit eine umfassende Qualitätsoffensive starten. Im Rahmen dieses Pakts von Bund und Ländern werden wir gemeinsam 2 000 zusätzliche Stellen im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst schaffen. Vereinbart haben wir ebenfalls deutlich mehr Stellen für das nichtrichterliche Justizpersonal.

Der Bund geht schon jetzt mit gutem Beispiel voran. Ich greife bewusst eine eher kleinere Behörde heraus, nämlich den Generalbundesanwalt und die Bundesanwaltschaft, die bisher 200 Stellen hat. Sie soll im Wege eines Sofortprogramms 27 neue Stellen erhalten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Welt und die Gesellschaft ändern sich. Die Justiz bleibt davon nicht unberührt. Von Digitalisierung ist überall die Rede. Deshalb müssen wir ganz gezielt in die Digitalisierung der Justiz und in die Vermittlung von digitalen Kompetenzen investieren. Hier ist wirklich noch viel zu tun. Das sage ich auch aus meiner eigenen richterlichen Erfahrung.

Wir werden uns der Qualität in familiengerichtlichen Verfahren widmen und sicherstellen, dass alle Verfahrensbeteiligten über die erforderliche Qualifikation verfügen, um ihre anspruchsvolle Tätigkeit auszufüllen. Und wir wollen im Rahmen dieses Pakts für den Rechtsstaat auch eine Kampagne für den Rechtsstaat starten. Jeder muss verstehen, dass dieser Rechtsstaat nur funktionieren kann, wenn seine Regeln eingehalten werden können. Wir müssen aber ebenso verdeutlichen, dass der Rechtsweg nach den geltenden Regeln jedem offensteht, wenn er sich durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt sieht. Das ist auch gut und richtig so.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich müssen wir verbessern, wo wir noch nicht gut genug sind. Der Staat muss sich nicht nur darum kümmern, Täter zu verurteilen, sondern er muss sich auch darum kümmern, den Opfern und ihren Angehörigen beizustehen. Mit dem neuen Opferbeauftragten haben Betroffene von Terroranschlägen künftig einen zentralen Ansprechpartner auf Bundesebene, der sich um all ihre Fragen und Anliegen kümmert. Wir hoffen natürlich, dass er so selten wie möglich in Aktion treten muss. In diesem Zusammenhang wollen wir im Bundeshaushalt 2018 zusätzliche Mittel in Höhe von 6,6 Millionen Euro für den Entschädigungsfonds für Opfer terroristischer Gewalt sowie für die Härteleistung für Opfer extremistischer Übergriffe zur Verfügung stellen.

Ein weiterer Bereich, in dem wir Verbesserungen vorsehen – das ist schon auf dem Weg –, ist die Rechtsdurchsetzung. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich gemeinsam schnell und unbürokratisch gegen rechtswidriges Verhalten und Täuschung vor allen Dingen von großen Konzernen wehren können. Der Satz muss gelten: Wer recht hat, muss auch recht bekommen. – Statt teure und langwierige Einzelverfahren führen zu müssen, sollen sich Betroffene künftig einer sogenannten Musterfeststellungsklage – nach dem Motto „einer für alle“ – anschließen können, um zu ihrem guten Recht zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich hoffe da auf eine schnelle und konstruktive parlamentarische Beratung des Gesetzentwurfs, um drohende Verjährungen zum Jahresende zu verhindern.

Wir haben einen wirklich guten Gesetzentwurf vorgelegt, wie ich finde. Wir haben konkret in das Gesetz geschrieben, was Verbände vorweisen müssen, um klagebefugt zu sein. Es werden nur solche Verbände klagebefugt sein, die sich schon jahrelang mit der Vertretung von Verbraucherinteressen beschäftigen und eine gewisse Mitgliederstärke hinter sich wissen; Prozessfinanzierer und Kanzleien sollen bewusst nicht Kläger sein können. Die Vorteile liegen auf der Hand: Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist eine solche Klage kostenfrei, und sie wissen relativ schnell, ohne selbst ein Kostenrisiko tragen zu müssen, um die Erfolgsaussichten in ihrem ganz konkreten Fall, die Unternehmen haben sehr schnell Rechtssicherheit, und die Gerichte werden durch die Bündelung entlastet.

Der Verbraucherschutz betrifft weitere existenzielle Felder – es kam schon beim BMI-Haushalt zur Sprache –: das ganze Thema Wohnen und Mieten. Eine Wohnung ist eben keine beliebige Sache wie jede andere, sondern der Lebensmittelpunkt, das Zuhause. Deswegen gehen wir entschieden dagegen vor, dass Mieterinnen und Mieter, zum Teil nach Jahrzehnten durch Luxussanierungen aus ihren Wohnungen gedrängt werden. Wenn ein Vermieter gegen diese Regeln verstößt, muss er zur Rechenschaft gezogen werden können.

(Beifall bei der SPD)

Außerdem werden wir die Mietpreisbremse verschärfen. Das allein wird nicht reichen – Kollege Ruppert hat da durchaus recht –, aber es ist eine Maßnahme in einem ganzen Bündel von Maßnahmen, die ergriffen werden, damit Mieten in den Ballungszentren und in weiteren begehrten Wohnlagen nicht wie bisher explodieren.

(Beatrix von Storch [AfD]: Erwiesen unwirksam!)

– Genau aus dem Grunde verändern wir ja was.

(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist falsch!)

Es ist der Sinn von Demokratie, dass man lernt und es besser macht.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Man kann es aber auch verschlimmbessern!)

Wir werden die Marktwächter als Teil einer neuen Verbraucherschutzarchitektur ausbauen und verstetigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Marktwächter für Finanzen, digitale Welt und Energie können Fehlentwicklungen und Missstände frühzeitig identifizieren, die gewonnenen Erkenntnisse an die Aufsichtsbehörden weiterleiten und die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Gefahren informieren, die sich gezeigt haben.

Wir haben uns zu vielfältigen Initiativen und Verbesserungen entschlossen, um die Freiheit des Einzelnen im Alltag zu stärken und unsere Gesellschaft insgesamt gerechter zu machen. Aber wir sehen an aktuellen Entwicklungen und Diskussionen auch, dass sich Rechtspolitik nie im luftleeren Raum abspielt, sondern vor dem Hintergrund unserer Geschichte und daraus erwachsener Werte gestaltet werden muss. Das Rosenburg-Projekt zum Umgang mit der NS-Vergangenheit des Bundesjustizministeriums hat zum Beispiel gezeigt, dass das Interesse an dieser Materie unter Studierenden der Rechtswissenschaften hoch, das Wissen aber oft gering ist. Deshalb wollen wir im Deutschen Richtergesetz festschreiben, dass die Auseinandersetzung mit dem Justizunrecht des 20. Jahrhunderts Pflichtstoff der Juristenausbildung wird.

(Beifall bei der SPD)

Denn unser demokratischer Rechtsstaat ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Errungenschaft, für die wir uns täglich und immer wieder aufs Neue einsetzen müssen. Das erleben wir leider jeden Tag, auch und gerade hier in diesem Hohen Haus.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern für den Haushalt und beim Rechtsausschuss für sehr konstruktive Beratungen im Vorfeld und bitte Sie herzlich um Unterstützung für den Einzelplan 07.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Nächster Redner ist der Kollege Martin Hohmann, AfD.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7227457
Wahlperiode 19
Sitzung 33
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz
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