18.05.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 34 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 11

Otto FrickeFDP - Arbeit und Soziales

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Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Weiß, dass Ihnen die Arbeit Spaß macht, ist nett, wenn man im Hier und Jetzt lebt, aber das, worum es eigentlich geht, ist, sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Das haben Sie völlig außer Acht gelassen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es gibt ein wunderbares Sprichwort, das da lautet: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Schwarze Null!)

Wenn man die Reden der Kollegen aus der Koalition angehört hat, wird man feststellen, dass man keine Überlegung dazu gehört hat, nach acht, neun Jahren guten Wachstums etwas zurückzulegen, weil die Situation irgendwann auch mal wieder schlecht wird. Nein, im Gegenteil: Der Kollege Weiß hat es auf den Punkt gebracht: Es macht Spaß, weil man mehr Geld hat, das man ausgeben kann.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Weil man Probleme lösen kann!)

Das ist keine verantwortungsvolle Haushaltspolitik und keine verantwortungsvolle Politik für den Bürger.

Kommen wir zur Sozialleistungsquote, die Sie, Herr Weiß, angesprochen haben. 51,6 Prozent sind es, wenn ich es richtig sehe.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: 51,5!)

Wenn Sie daran eine gute Sozialpolitik festmachen wollen, wenn Sie daran festmachen wollen, was einen Sozialstaat ausmacht, müssen Sie sich folgende Frage stellen: Haben Sie sich einmal überlegt, wann wir die höchste Sozialleistungsquote in der Bundesrepublik Deutschland hatten? Nein? 2010; damals gab es eine schwarz-gelbe Regierung. Jetzt werden Sie, Herr Weiß, überrascht sein und sagen: Schwarz-Gelb war die sozialste Regierung aller Zeiten.

(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Korrelation und Kausalität ist nicht dasselbe!)

Das stimmt an bestimmten Stellen sogar.

Ich erkläre Ihnen, wo der Fehler liegt, wenn man nur die Zahlen der Sozialleistungsquoten betrachtet. Warum war sie damals so hoch? Wir befanden uns damals in einer Krise und haben verantwortungsvoll sozialstaatliche Leistungen hochgefahren und verantwortungsvoll das, was an Rücklagen durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer gebildet worden war, genutzt, um eine Brücke zu bauen.

Jetzt komme ich zum Unterschied zu Ihrer Politik: Wir leben seit mehreren Jahren in einer sehr guten Zeit. Und was machen Sie? Sie fahren nicht die Sozialleistungsquote runter, um die Wirtschaft zu stärken und weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Sie fahren sie seit 2014 Jahr für Jahr nach oben.

Jetzt kann man sagen: „Das ist schön und hört sich gut an“, aber ich muss an die Sozialdemokraten gerichtet sagen: Sie müssten sich eigentlich immer noch daran erinnern, was das letzte Mal passiert ist, als man sozialstaatliche Leistungen immer weiter hochgefahren hat. Der Nachhaltigkeitsfaktor bei der Rente wurde eben angesprochen. Bundeskanzler Schröder ist mit diesem Thema 1998 in den Wahlkampf gezogen und hat ihn unter anderem damit gewonnen, dass er es an dieser Stelle für die Rentner besser machen wollte. Dann hat er irgendwann festgestellt, dass die Rechnung mathematisch nicht aufgeht.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist falsch!)

Er hat die Sozialleistungsquote hochgefahren mit dem Ergebnis, dass die stolze SPD durch das tiefste Tal der Tränen gehen musste, weil sie über Jahre überzogen hat. Wollen Sie dasselbe wieder machen? Wollen Sie bei der nächsten Krise wieder erleben,

(Beifall bei der FDP)

dass Sie am Ende korrigieren müssen, was Sie jetzt vollmundig versprechen?

Da muss ich sagen: Das ist für mich eine völlig falsche Sozialpolitik. Sie – da liegt der Unterschied, Kollege Gröhe – versprechen heute leichtfertig, wie morgen alles gut ist, aber, wie Kollege Vogel richtig gesagt hat: Wer Versprechungen für morgen macht, die er übermorgen wieder zurücknehmen muss, der macht eine Sozialpolitik, die beim Bürger nur noch zu Kopfschütteln führt. Das können und werden wir als Liberale nicht zulassen.

(Beifall bei der FDP – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Zulassen müssen!)

Meine Damen und Herren, ich will noch auf einen Punkt eingehen, der für mich als Haushälter wichtig ist und den wir nur am Rande besprochen haben, nämlich die Frage: Wie schaffen wir es eigentlich, dass dieser Haushalt insgesamt so stark ist? Wir schaffen es dadurch, dass wir Arbeitsplätze schaffen. Wir schaffen es dadurch, dass Arbeitgeber sagen: Ich bin bereit, Arbeitsplätze zu schaffen. Ja, einige wollen das wieder über den zweiten Arbeitsmarkt erreichen. Ich sage Ihnen: Es wird der 125. Versuch sein, der am Ende genauso kläglich scheitern wird wie alle Versuche zuvor.

Zum Thema Brückenteilzeit sage ich: Ja, es ist gut, wenn man eine gewisse Sicherheit hat, dass man wieder zu Vollzeit zurückkehren kann. Aber was wird das Ergebnis für viele Arbeitgeber sein? Es wird dazu führen, dass sie sagen: Ich riskiere es nicht, einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen, sondern ich werde schauen, dass ich das notfalls erst einmal mit Überstunden kompensiere; denn es kann ja sein, dass jemand wieder zu Vollzeit zurückkehren will, und das muss ich ihm garantieren.

(Kerstin Tack [SPD]: Das ist doch alles falsch, was Sie sagen! Wir schicken Ihnen das Gesetz mal rüber!)

Ich bin sehr gespannt auf die CDU/CSU. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Die Verantwortung liegt jetzt bei Ihnen.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Sie wollten ja nicht!)

Ich habe es eigentlich so verstanden, Herr Minister, dass der Gesetzentwurf am kommenden Mittwoch dem Kabinett vorgelegt wird. Wenn ich den Kollegen Linnemann und andere höre, dann habe ich noch eine gewisse Hoffnung, dass es wirtschaftliche Vernunft in der CDU/CSU gibt und der Gesetzentwurf am Mittwoch dem Kabinett nicht vorgelegt wird. Wir werden sehen, wohin diese Große Koalition in diesem Bereich geht. Wir befürchten: Es wird weiter nach links gehen, wie schon in den letzten vier Jahren mit dieser großen sozialdemokratischen Koalition.

(Beifall bei der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ihr wolltet ja nicht vernünftig sein bei Jamaika! – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Ihr fürchtet die Verantwortung! – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das kalte Herz des Liberalismus!)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die Haushaltsberatungen an dieser Stelle mit diesem sehr großen Einzelplan werden sicherlich unter der Hauptberichterstatterin Deligöz sehr ordentlich und stringent geführt werden. Darauf freue ich mich. Aber wir müssen eines erkennen: Es sind enorme Belastungen für die Zukunft, die wir zu verantworten haben. Gehen wir in das Jahr 2013 und von dort sieben Jahre zurück. Von 2006 bis 2013 ist der Zuschuss in die Rentenversicherung um 4 Milliarden Euro gestiegen. Von 2013 bis 2020 – das könnte man meinen – führen Demografie und andere Faktoren dazu, dass er vielleicht nicht um 4 Milliarden Euro, auch nicht um 6 Milliarden Euro, sondern vielleicht um 8 Milliarden Euro steigt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Absolute Zahlen sind Unsinn!)

Wissen Sie, um wie viel er laut Finanzplanung steigen wird? Um 18 Milliarden Euro. So viel zu der Frage, wie sich diese Koalition mit der Zukunft beschäftigt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt hat das Wort der Kollege Matthias Birkwald, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7228361
Wahlperiode 19
Sitzung 34
Tagesordnungspunkt Arbeit und Soziales
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Keine
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Gerhard Schröder

Gerhard Schröder

Gerhard Fritz Kurt „Gerd“ Schröder ist ein ehemaliger deutscher Politiker (SPD). Er war von Oktober 1998 bis November 2005 der siebte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und regierte in der ersten rot-grünen Koalition auf Bundesebene. Zuvor war Schröder von 1990 bis 1998 Ministerpräsident von Niedersachsen. Er war in den Jahren 1999 bis 2004 Bundesvorsitzender der SPD und von 1978 bis 1980 Bundesvorsitzender der Jusos. Während seiner Zeit als Bundeskanzler brachte er unter anderem die Agenda 2010 und die Hartz-Reformen auf den Weg. Infolgedessen spalteten sich Teile der SPD ab und gingen später in der neu gegründeten Linkspartei auf. Nach verlorener Vertrauensfrage kam es 2005 zu vorgezogenen Bundestagswahlen, bei der er die Mehrheit für eine Wiederwahl verlor. Seit dem Ende seiner politischen Karriere ist er als Wirtschaftsanwalt sowie in verschiedenen Positionen als Interessenvertreter des mit ihm befreundeten russischen Präsidenten Wladimir Putin und als Wirtschaftslobbyist tätig, unter anderem als Verwaltungsratspräsident des Ostsee-Pipeline-Betreibers Nord Stream 2. Weiterhin war er bis Ende 2021 Ehrenvorsitzender des Nah- und Mittelost-Vereins. Spätestens nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 geriet Schröder wegen seiner Russland-Nähe und insbesondere Putin-freundlichen Position in die Kritik. Infolgedessen wurde gegen Schröder als bislang einzigem Bundeskanzler ein Parteiausschlussverfahren angestrengt, das jedoch scheiterte.

Gerhard Schröder

Gerhard Fritz Kurt „Gerd“ Schröder ist ein ehemaliger deutscher Politiker (SPD). Er war von Oktober 1998 bis November 2005 der siebte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und regierte in der ersten rot-grünen Koalition auf Bundesebene. Zuvor war Schröder von 1990 bis 1998 Ministerpräsident von Niedersachsen. Er war in den Jahren 1999 bis 2004 Bundesvorsitzender der SPD und von 1978 bis 1980 Bundesvorsitzender der Jusos. Während seiner Zeit als Bundeskanzler brachte er unter anderem die Agenda 2010 und die Hartz-Reformen auf den Weg. Infolgedessen spalteten sich Teile der SPD ab und gingen später in der neu gegründeten Linkspartei auf. Nach verlorener Vertrauensfrage kam es 2005 zu vorgezogenen Bundestagswahlen, bei der er die Mehrheit für eine Wiederwahl verlor. Seit dem Ende seiner politischen Karriere ist er als Wirtschaftsanwalt sowie in verschiedenen Positionen als Interessenvertreter des mit ihm befreundeten russischen Präsidenten Wladimir Putin und als Wirtschaftslobbyist tätig, unter anderem als Verwaltungsratspräsident des Ostsee-Pipeline-Betreibers Nord Stream 2. Weiterhin war er bis Ende 2021 Ehrenvorsitzender des Nah- und Mittelost-Vereins. Spätestens nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 geriet Schröder wegen seiner Russland-Nähe und insbesondere Putin-freundlichen Position in die Kritik. Infolgedessen wurde gegen Schröder als bislang einzigem Bundeskanzler ein Parteiausschlussverfahren angestrengt, das jedoch scheiterte.