18.05.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 34 / Tagesordnungspunkt 1

Florian ToncarFDP - Schlussrunde Haushaltsgesetz 2018

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Finanzpolitik werden Antworten erwartet – von den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland genauso wie von unseren europäischen Partnern. Diese Woche hat leider gezeigt: Die deutsche Finanzpolitik bleibt voller Ungereimtheiten und Widersprüche. Deutschland ist in den wichtigsten finanzpolitischen Fragen nicht sprechfähig.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was sich jetzt zeigt, ist: Die Ursache dafür ist nicht, wie lange erzählt wurde, die lange Regierungsbildung. Die Ursache dafür, dass Deutschland immer noch nicht sprechfähig ist, ist: Sie haben schlicht und ergreifend keine Vorstellung davon, was Sie mit Ihrem Regierungsmandat in der Sache eigentlich anfangen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Erstes Beispiel: Bankenrettung. Herr Minister Scholz, Sie haben am Dienstag hier an diesem Pult vorgetragen: Banken sollen nie mehr mit Steuergeldern gerettet werden. Die Steuerzahler sollen nicht mehr für Bankrisiken haften. – Das ist richtig. Aber in derselben Rede – nur wenige Sätze später – haben Sie angekündigt, dass die Bundesregierung bereit ist, einem sogenannten Backstop zuzustimmen. Das ist nichts anderes als eine Kreditlinie aus Steuergeld, die für Bankrisiken einstehen muss.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Kredit wird zurückgezahlt!)

Ich frage mich ehrlich gesagt: Liest denn keiner die Reden quer und achtet auf Kohärenz? Sie können doch nicht sagen: „Die Steuerzahler haften nicht“, und hinterher einen Backstop machen, der nichts anderes ist, als Banken mit Steuergeldern zu unterstützen.

(Beifall bei der FDP – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen doch auch, was Backstop ist! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unter Ihrem Niveau!)

Die Bundeskanzlerin – übrigens nicht der Minister – hat am Mittwoch angekündigt, dass ein Investivhaushalt

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig und wichtig!)

für die Euro-Zone für sie vorstellbar ist, also noch mehr staatliche Programme, noch mehr staatliche Wirtschaftsförderung, ohne zu fragen: Brauchen wir das eigentlich? Oder bräuchten wir nicht vielmehr private Investitionen, Innovationen und unternehmerische Initiative, statt noch mehr Steuergelder für falsche Programme auszugeben.

(Beifall bei der FDP)

Was man sagen kann, Herr Minister – egal ob Sie diesen Investivhaushalt wollen oder nicht; darüber kann man streiten –: Der Finanzplan, den Sie vorgelegt haben, über den wir heute diskutieren, ist eigentlich schon überholt, wenn Sie einen solchen Investivhaushalt machen wollen; denn dann müssen Sie dafür zusätzliche Mittel einstellen. Wir beraten also im Grunde über einen Finanzplan, der heute schon nicht mehr aktuell ist, weil Sie bereits zusätzliche Maßnahmen planen.

(Beifall bei der FDP)

Wichtig für die Stabilität in Europa ist natürlich auch, dass wir in Deutschland stabiles Wachstum haben. Sie kündigen im Koalitionsvertrag an, dass der Solidaritätszuschlag im Jahr 2021 halb abgebaut werden soll. Sie wollen den Soli also zur Hälfte abschaffen.

(Johannes Kahrs [SPD]: 90 Prozent ist nicht die Hälfte!)

Sie, Herr Scholz, der Bundesfinanzminister, haben am Dienstag gesagt, dass Sie den Soli eigentlich auch komplett abschaffen wollen. Sie haben nur nicht gesagt, wann. Und Sie haben uns vor allem nicht schlüssig erklärt, ob das die Haltung der gesamten Bundesregierung und ob das die Haltung der sie tragenden Fraktionen ist. Das ist eine Ankündigungspolitik, die im Widerspruch steht zu allem, was Ihre eigene Fraktion hier monatelang vorgetragen hat. Das ist nicht die Klarheit, die die deutschen Bürgerinnen und Bürger brauchen;

(Beifall bei der FDP)

vielmehr brauchen sie klare Ansagen, die nachher auch eingehalten werden und die verbindlich sind.

Wenn Sie beim Soli einmal genau hinschauen, dann stellen Sie fest, dass es ernstzunehmende Gutachten gibt, die besagen, dass die Abschaffung 2020 erfolgen muss, und zwar für alle Steuerzahler. Sie können also nicht einen Teil weiterhin belasten und einen anderen Teil nicht. Wenn Sie das, was Sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben, die halbe Abschaffung des Solidaritätszuschlags, umsetzen, dann sage ich Ihnen eines voraus – das kann weder in Ihrem noch in unser aller Interesse sein –: Wir werden ab dem Jahr 2020 eine Flut von Einsprüchen von Bürgerinnen und Bürgern haben, die gegen ihre Steuerbescheide vorgehen – übrigens mit guten Argumenten und mit Fug und Recht. Sie werden nachher derjenige sein, der für finanzielle Risiken im Bundeshaushalt geradestehen muss, weil eben nicht klar ist, ob der Solidaritätszuschlag ab 2020 überhaupt noch erhoben werden darf. Verhindern Sie dieses Chaos. Verhindern Sie, dass unsere Finanzämter mit Millionen von Einsprüchen überschwemmt werden. Machen Sie einfach gleich den richtigen Schritt: Abschaffung des Solidaritätszuschlags ab 2020. Vermeiden Sie diese ganzen schwierigen Auseinandersetzungen.

(Beifall bei der FDP – Kay Gottschalk [AfD]: Sofort, Herr Kollege!)

In diesem Zusammenhang haben Sie am Dienstag auch angekündigt, dass Sie Steuermehreinnahmen zum Abbau der kalten Progression nutzen wollen. Da habe ich bisher von der SPD-Fraktion immer gehört, diese sei gar kein so großes Problem. Auch da frage ich Sie: Ist das eigentlich die Haltung der Regierung? Ist das die Haltung der Koalition? Wenn Sie die Bezieher mittlerer Einkommen entlasten wollen, wenn Sie wie wir der Meinung sind, dass die Steuereinnahmen auch Spielräume dafür bieten, dann bringen Sie es Ihrer eigenen Koalition bei. Leisten Sie hier Überzeugungsarbeit, und setzen Sie es dann um! Wir werden die Allerletzten sein, die Ihnen dabei im Wege stehen, Herr Minister.

(Beifall bei der FDP)

Bemerkenswert, Herr Minister, ist allerdings auch, was Sie in dieser Woche nicht gesagt haben: Im Koalitionsvertrag steht kein Wort zur Steuererhöhung bei der Abgeltungsteuer. Kein Wort von Ihnen zur Finanztransaktionsteuer. Sollte das der Einsicht geschuldet sein, dass Steuererhöhungen und neue Steuern falsch sind, dann haben Sie auch da die Freien Demokraten an Ihrer Seite. Aber ich frage Sie: Sprechen Sie hier eigentlich für die Regierung? Was ist überhaupt die Haltung der Regierung zur Steuererhöhung bei der Abgeltungsteuer und zur geplanten Finanztransaktionsteuer? Beantworten Sie diese Fragen einmal; in dieser Haushaltswoche hätten Sie dazu die Gelegenheit gehabt.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Wir brauchen in Deutschland eine klare prinzipiengeleitete Finanzpolitik, ein verantwortungsvolles Wirtschaften von Staaten und Banken in Europa und die Entlastung der Mittelschicht in Deutschland. Das ist der Weg, den wir vorschlagen. Wenn Sie das machen wollen, Herr Minister, haben Sie uns mehr auf Ihrer Seite als vermutlich einen guten Teil Ihrer eigenen Koalition.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7228581
Wahlperiode 19
Sitzung 34
Tagesordnungspunkt Schlussrunde Haushaltsgesetz 2018
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta