Stephan ThomaeFDP - Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lischka, in einem Punkt kann man Ihnen nicht widersprechen: Es gab in der Tat im Vorfeld des heute vorliegenden Gesetzentwurfs viel Lärm, und Sie haben auch recht: Es war viel Lärm um nichts. Denn das, was Sie uns vorlegen, ist in der Tat ein sehr ernüchterndes Resultat Ihrer Schaukämpfe, die Sie zum Teil auf offener Bühne ausgetragen haben.
(Beifall bei der FDP)
Es gab viel Theaterdonner. Aber der von Ihnen errungene Kompromiss, den Sie sehr loben, überzeugt nicht. Zum einen ist da weiterhin das Problem der Kontingentierung. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Auch die Freien Demokraten halten es für richtig, den Familiennachzug zu begrenzen. Wir sind nicht für einen uneingeschränkten Familiennachzug. Aber es auf eine Zahl festzulegen, ist und bleibt falsch. Deswegen bleiben wir dabei, dass ein Sachgrund dazu gefunden werden muss, wer Eingang finden kann, wer die Familie nachholen kann und wer eben nicht. Das ist doch die richtige Lösung und nicht die Festlegung auf eine Zahl.
(Beifall bei der FDP)
Deswegen gab es diesen Theaterdonner, gab es diesen Schaukampf auf offener Bühne.
1 000 pro Monat! Dann gab es Diskussionen darüber: Heißt 1 000 pro Monat 12 000 pro Jahr – um solche Dinge haben Sie sich hier gezankt –, und was ist, wenn das Kontingent in einem Monat nicht ausgeschöpft wird? Kann es sozusagen übertragen werden auf den Folgemonat? Das waren die Probleme, mit denen Sie sich befasst haben. Dabei ist aber das eigentliche Problem immer außer Betracht geblieben: Wie wollen Sie es denn priorisieren, Herr Minister? Das bleibt doch das eigentliche Problem. Aktuell – Stand 31. März 2018 – liegen ungefähr 26 000 Anträge auf Familiennachzug vor. Das heißt, wenn Sie auf 1 000 pro Monat kontingentieren, sind schon jetzt – je nachdem, wer in der Amtsstube als Letzter die Nummer zieht – bis zu über zwei Jahre Wartezeit zu gewärtigen. Das kann bei schweren Krankheitsfällen, bei minderjährigen Kindern ein viel zu langer Zeitraum sein. Das einzig Richtige wäre, zu sagen: Wir nehmen einen Sachgrund und schauen, wer ein echter Härtefall ist, und der kann eben diesen Antrag stellen.
Da muss man auch gar keine Angst haben, dass es irgendwie ungeordnet wäre, dass man von Nachzüglern überschwemmt würde. Denn das ist doch ein geordnetes Verfahren: Es muss ein Antrag gestellt werden. Der Antrag muss bearbeitet werden. Er muss bewilligt werden. Dann muss ein Visum erteilt werden. Dann erfolgt die Einreise. Das dauert doch ohnehin Wochen oder gar Monate, selbst wenn Sie es vom Bundesverwaltungsamt machen lassen. Da ist doch nicht zu erwarten, dass wir überschwemmt werden. Von daher hätte ich gar keine Angst davor, den Sachgrund zu wählen und nicht diese Kunstfigur der bloßen, in meinen Augen immer noch aus der Luft gegriffenen Zahl.
(Beifall bei der FDP)
Einen zweiten Punkt möchte ich noch an die SPD richten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben ja nun wirklich beim Thema „Nachzug für ehemalige Gefährder“ ein denkwürdiges Schauspiel geliefert. Ich habe mich immer gefragt: Wovon sprechen die eigentlich? Ihre Ministerin hat den Familiennachzug für ehemalige Gefährder in einer bestimmten Phase zur Bedingung für die Zustimmung zu diesem Gesetz gemacht. Sie haben es durch das Kabinett durchgeboxt. Das Bundeskanzleramt und die Union haben zunächst einmal nachgegeben, um den Koalitionsfrieden nicht noch mehr zu gefährden. Und dann fordern Sie selbst wieder die Streichung dieses Nachzugsrechtes für ehemalige Gefährder. Dem gibt Herr Seehofer nach, und dann feiern Sie sich dafür, dass Sie eine Streichung für etwas durchgesetzt haben, was Sie selbst am Anfang gefordert haben. Das versteht doch kein Mensch mehr und zeigt Ihre Orientierungslosigkeit.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Dabei läge die Lösung doch eigentlich auf der Hand. Dass Gefährder Familien grundsätzlich nicht nachholen können, ist doch völlig klar; die wollen wir ja loswerden. Aber es kann in der Tat eine Fallgruppe geben, bei der es anders ist. Jetzt komme ich zu den ehemaligen Gefährdern, bei denen man fragt: Was ist das eigentlich? Ein Gefährder ist jemand, der zunächst einmal noch gar keine Straftat begangen hat, der aufgrund einer Prognose gefährlich erschien und bei dem man überlegt, ob er vielleicht eine Straftat begehen könnte. Jetzt kann es schon mal sein, dass man hinterher feststellt: Da haben wir uns vertan; bei der Prognose haben wir uns geirrt; den gruppieren wir sozusagen wieder aus, weil er gar nicht wirklich gefährlich war. – Das wäre sozusagen ein ehemaliger Gefährder. Dass so jemand einen Antrag stellen kann und dass dieser Antrag genauso zu prüfen ist wie jeder andere auch, leuchtet mir eigentlich ein. Deswegen halten wir Ihren Entwurf weiterhin für in zu vielen Punkten misslungen.
Wenn Sie es uns schon nicht glauben – Herr Präsident, damit komme ich zum Schluss –, dann hören Sie auf den Normenkontrollrat, der in seltener Deutlichkeit Ihren Entwurf kritisiert hat, ihm die Praxistauglichkeit abgesprochen hat und erhebliche Unsicherheiten im Vollzug vorhersagt. Deswegen stellen wir Ihnen unseren Vorschlag weiterhin zur Beratung anheim. Wir wollen ihn mit Ihnen konstruktiv beraten und hoffen, dass wir in die parlamentarische Beratung unsere Punkte einfließen lassen können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7243172 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 36 |
Tagesordnungspunkt | Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten |