Sonja SteffenSPD - Ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Die AfD möchte mit einem neuen Straftatbestand die Haushaltsuntreue unter Strafe stellen und die ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel sicherstellen. – Das alles klingt ja erst einmal recht vernünftig. Aber ein Blick in Ihren Gesetzentwurf zeigt, dass Ihre Analyse der jetzigen Rechtssituation schlechtweg falsch ist.
In Ihrer Begründung lese ich:
Das Bedürfnis nach einer korrekten Bewirtschaftung der Staatsausgaben ist in der gegenwärtigen Situation zu einer Überlebensfrage der Staatsfinanzen geworden.
Das Überleben der Staatsfinanzen: Damit scheint also viel auf dem Spiel zu stehen. Sie behaupten nämlich, der Bundesgerichtshof habe die „strafrechtliche Sanktionierung der Haushaltsuntreue“ durch die sogenannte Bugwellenentscheidung aus dem Jahr 1997 aufgehoben. Seitdem gehe es in Deutschland schlicht rechtlos zu. Das, Kolleginnen und Kollegen von der AfD, ist falsch.
Meine Vorredner haben noch nicht erwähnt, um was es bei der Bugwellenentscheidung geht. Vielleicht auch für die Gäste auf der Tribüne: Es handelt sich um eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1997. Angeklagt waren damals der Intendant und der Verwaltungsdirektor des Staatstheaters Stuttgart.
Was ist da passiert? Im November 1990 hatten sie den Haushalt des Staatstheaters um 5,4 Millionen D‑Mark – damals noch – überschritten. Das ist eine ganze Menge, aber man muss auch wissen: Der Generalintendant hatte damals, im November 1990, notwendige Zahlungen angewiesen, obwohl die Mittel erschöpft waren.
Natürlich geht so etwas nicht, aber das Gericht hat damals zutreffenderweise festgestellt, dass eine Haushaltsüberschreitung bei zweckmäßigem Mitteleinsatz nicht den Straftatbestand der Untreue erfüllt. Punkt! Es hat also keineswegs die Haushaltsuntreue aufgehoben. Es hat festgestellt – ich sage es jetzt noch einmal –, dass eine Haushaltsüberschreitung bei zweckmäßigem Mitteleinsatz nicht den Straftatbestand der Untreue erfüllt. Es ist also falsch, dass Untreue zulasten der öffentlichen Hand nicht mehr strafbar ist. Es gibt bis zum heutigen Tag in diesem Zusammenhang Prozesse und Verurteilungen, weil es bedauerlicherweise immer schwarze Schafe gibt.
Selbstverständlich dürfen Amtsträger keine schwarzen Kassen mit öffentlichem Geld anlegen. Das wird wegen Untreue bestraft. Selbstverständlich ist es strafbare Untreue, wenn Amtsträger Forderungen der öffentlichen Hand bewusst nicht eintreiben. Ich will mich jetzt hier nicht mit weiteren Beispielen über die Zeit retten. Wir haben bereits ausreichende strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten.
Ihr Gesetzentwurf unterstellt, dass sich der Gesetzgeber bei dem rechtswidrigen Umgang mit öffentlichen Geldern einen schlanken Fuß macht. Das ist polemisch. Das ist billige und verlogene Stimmungsmache. Und vor allem: Es stimmt nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)
Natürlich muss der Staat darauf achten, dass Haushaltsregeln eingehalten werden. Er muss Verschwendung entgegenwirken. Aber wir haben bislang schon wirksame Mittel, mit denen an dieser Stelle angesetzt und geprüft wird. Es gibt Grundsätze wie das Vieraugenprinzip, das in der öffentlichen Buchhaltung umgesetzt werden muss. Es gibt Kontrollinstanzen, beispielsweise im Rahmen der Kommunalaufsicht. Es gibt die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder mit weitreichenden Kontrollbefugnissen. Wenn ich allein an unseren Bundesrechnungshof denke – das sage ich auch aus der Sicht einer Haushälterin –, dann muss ich feststellen, dass hier eine solide und wichtige, kritische und vor allem neutrale Arbeit geleistet wird. Ihr Vorschlag geht auch hier in die falsche Richtung. Bei rechtswidrigem Umgang mit öffentlichem Geld greift das bereits bestehende Strafrecht.
Noch zwei weitere Bemerkungen zu Ihrem vorliegenden Gesetzentwurf. Sie schlagen vor, dass auch Mitglieder der kommunalen Vertretung wegen Haushaltsuntreue bestraft werden können, also auch Stadtverordnete und Gemeinderäte. Ich halte das für verfehlt, sowohl politisch als auch rechtlich. Die Kommunalparlamente sind doch diejenigen, die den Haushalt beschließen. Sie führen ihn nicht aus. Erst wenn der beschlossene Haushalt vorliegt, dann könnte die Verwaltung – zumindest theoretisch – gegen diesen Haushalt handeln. Will die AfD jetzt die gewählten Menschen in den Kommunalparlamenten bestrafen, weil sie ihrer Meinung nach die Haushaltstitel im Haushalt vielleicht zu großzügig befüllen?
Mehr noch: In Ihrem Gesetzentwurf, Kolleginnen und Kollegen von der AfD, schieben Sie politischen Entscheidungsträgern auf allen Ebenen den Schwarzen Peter des potenziellen Korruptionsverdachts in die Schuhe. Das geht so nicht. Wer soll sich denn dann noch zu einem Ehrenamt bereit erklären, wenn er bei jeder Entscheidung damit rechnen muss, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Als letzte Bemerkung: Sie haben vorgeschlagen, im Haushaltsgrundsätzegesetz einen neuen Ordnungswidrigkeitentatbestand zu verankern, ein Bußgeld in Höhe von bis zu 100 000 Euro für diejenigen, die entgegen den Vorschriften keine öffentlichen Ausschreibungen vornehmen. So geht das meiner Meinung nach nicht. In dem Haushaltsgrundsätzegesetz, dem Gesetz des Bundes, geht es um die Haushaltsgrundsätze des Bundes. Ein Bußgeldtatbestand für Bundes-, Landes- und kommunale Behörden hat in diesem Gesetz nichts verloren. Ich sehe dafür keine Gesetzgebungskompetenz.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])
Das mag vielleicht ein handwerklicher Fehler sein, Herr Reusch. Aber sei es drum. Wir werden uns damit in den Fachausschüssen beschäftigen. So viel schon jetzt: Der Entwurf ist rechtlich unseriös. Er ist kein scharfes Schwert. Er bindet völlig unnötig Ressourcen. Das, Kolleginnen und Kollegen von der AfD, ist ganz bestimmt Verschwendung öffentlicher Mittel.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Straetmanns, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7243189 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 36 |
Tagesordnungspunkt | Ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel |