Esther DilcherSPD - Ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel
Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren Antragsteller der AfD, Sie wollen eine neue Vorschrift in das Strafgesetzbuch und einen Ordnungswidrigkeitentatbestand in das Haushaltsgrundsätzegesetz einführen.
Ich möchte gerne auf Ihren Vorwurf eingehen, Herr Reusch, dass wir uns mit Ihren Anträgen nicht ernsthaft auseinandersetzen und sie nicht ernsthaft diskutieren. Mitnichten! Diesen Fehler werden wir nicht wiederholen; er ist in der Vergangenheit passiert. Sie können davon ausgehen, dass wir uns gerade mit Ihren Anträgen besonders ernsthaft auseinandersetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])
Sie haben gesagt, es könnten jährlich Milliarden gespart werden, wenn keine Steuerverschwendung erfolgen würde. Aber Sie sind doch selbst auch Jurist und müssten wissen, dass alles erst mal einer Definition bedarf. Wenn ich hier durch den Saal gucke und mal die einzelnen Abgeordneten frage, was sie unter Steuerverschwendung verstehen, würde mir jeder sicherlich andere Beispiele nennen. Wir wissen auch, dass letztendlich solch ein Rechtsbegriff womöglich durch Rechtsfortbildung vom BGH definiert würde.
Wir könnten mit dem Geld, was Sie als verschwendete Steuern betrachten, Schulden zurückführen, ja; aber ich gehe mal davon aus, dass dem Haus sicherlich Möglichkeiten einfallen würden, diese Gelder anders zu investieren. Also: Was ist Steuerverschwendung?
„Was will ich?“ fragt der Verstand. „ Worauf kommt es an?“ fragt die Urteilskraft. „ Was kommt heraus?“ fragt die Vernunft.
Mit diesem Zitat von Immanuel Kant habe ich mich mal Ihrem Gesetzentwurf zu nähern versucht.
Bereits der Ansatz zur Begründung des Gesetzentwurfs ist unrichtig. Sie behaupten nämlich, wie die Kollegin Steffen und andere auch schon ausgeführt haben, dass der BGH durch sein Urteil zu § 266 StGB die Sanktionierung der Haushaltsuntreue obsolet gemacht hat bzw. aufgehoben hat. Das ist mitnichten so; das haben die Kollegen und Kolleginnen bereits ausgeführt.
Aber: Sie haben einen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuchs eingebracht, das in bestimmte Abschnitte unterteilt ist. Das heißt, es gibt Straftaten gegen die Freiheit, es gibt Straftaten gegen den Staat, es gibt Straftaten gegen das Vermögen usw. Sie fügen einen Paragrafen ein und unterschreiben den neuen § 349 mit „Haushaltsuntreue“. Die Untreue ist ein Vermögensdelikt. Aber dieser Vermögensnachteil kommt in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht vor. Er knüpft an eine reine Handlung an, nämlich an die Kompetenzüberschreitung. Das ist in diesem Abschnitt völlig systemwidrig und deswegen auch schon handwerklich überhaupt nicht gut gemacht, fast gar nicht.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der BGH hat gesagt, dass es nicht ausreichend ist, nur pflichtwidrig zu handeln. Nun soll, wenn die Kompetenz überschritten wird, die ein mit Haushaltsentscheidungen Befasster hat, dieser strafrechtlich zu belangen sein. Sie sehen in Ihrem Tatbestand, den Sie uns hier vorlegen, also dieser Kompetenzüberschreitung, wenn pflichtwidrig Haushaltsmittel verschwendet werden, dasselbe Strafmaß vor, nämlich Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, wie wir sie auch für die Haushaltsuntreue haben, bei der zusätzlich noch dieser Vermögensnachteil gegeben sein muss. Dabei hat der BGH übrigens schon in allen Einzelheiten definiert, was überhaupt so ein Vermögensnachteil ist.
Die Auswirkungen der sogenannten Bugwellenentscheidung, auf die Sie sich beziehen, sind völlig überstrapaziert. Man muss sagen, dass einfach nicht jeder Verstoß gegen Haushaltsrecht diesen Untreuetatbestand im Sinne des Strafgesetzbuchs verwirklichen soll. Das ist eine Wertung, die wir hier vornehmen. Wir nehmen sie anders vor als Sie und sagen: Uns reichen die Maßnahmen aus, die wir jetzt schon in unseren Gesetzen haben – die Kollegen haben es erwähnt –: disziplinarrechtliche Möglichkeiten, Schadenersatzansprüche.
Was Sie darüber hinaus noch tun: Sie formulieren einen wunderbaren Absatz 5 in Ihrem Gesetzentwurf und definieren, dass jetzt „Amtsträger im Sinne dieser Vorschrift … auch Mitglieder von kommunalen oder vergleichbaren Vertretungsorganen, die mit haushaltswirksamen Entscheidungen befasst sind,“ sein sollen. Ich verstehe das so, dass Sie ganz ausdrücklich verlangen, dass jetzt auch Mandatsträger Amtsträger sein sollen. Bisher war ich davon ausgegangen, dass wir immer eine Trennung von Amt und Mandat haben, dass das durchaus zu unterscheiden ist. Das verwischen Sie hier in Ihrem Gesetzentwurf mit ganz kurzen Sätzen ganz am Ende, die man vielleicht auch zu überlesen geneigt ist. Das ist ebenfalls systemfremd und daher auch abzulehnen.
Es gibt die Fälle, wie gesagt, der disziplinarrechtlichen Bestrafung, der Amtshaftung, des Rückgriffs des Staates auf diejenigen, die mit dem Haushaltsrecht in Konflikt gekommen sind. Ich finde, die Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten sind ausreichend. Sie bedürfen keiner weiteren Ergänzung.
Darüber hinaus sei Ihnen mit Goethe gesagt:
Ein jeder kehre vor seiner Tür, Und rein ist jedes Stadtquartier.
Ein jeder übe seine Lektion, So wird es gut im Rate stohn.
Wer – ich möchte darauf eingehen – die Nazizeit als „Vogelschiss“ bezeichnet und sich mit dieser Äußerung hart an der Grenze – nach meiner Auffassung! – der Volksverhetzung nach § 130 StGB bewegt,
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Da habe ich schon lange drauf gewartet!)
der sollte sich eher damit beschäftigen, diesen Kollegen in der Fraktion zu disziplinieren, als uns hier neue Vorschriften zu geben.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen Axel Müller für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7243197 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 36 |
Tagesordnungspunkt | Ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel |