07.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 36 / Tagesordnungspunkt 6

Ulli NissenSPD - Mietpreispolitik

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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bei einigen das Gefühl, dass sie den Schlag von Frankfurt noch nicht gespürt haben. 70,8 Prozent für den Frankfurter Oberbürgermeister,

(Zuruf des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])

der das Thema „bezahlbares Wohnen” ganz oben auf die Agenda gesetzt hat! Herr Luczak, darüber sollten Sie mal nachdenken.

Ich bin froh, dass wir heute wieder über bezahlbaren Wohnraum reden können. In meinem Frankfurter Wahlkreis werde ich immer wieder auf dieses Problem angesprochen. Viele, die eine Wohnung haben, befürchten, dass sie sich diese nach einer Modernisierung nicht mehr leisten können. In unserem Koalitionsvertrag haben wir uns auf diverse Verbesserungen geeinigt.

Ich bin unserer SPD-Ministerin Katarina Barley dankbar, dass sie schon jetzt – noch nicht mal 100 Tage im Amt – einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt hat.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Eben nicht entsprechend! Das ist das Problem!)

In diesem gibt es deutliche Fortschritte für Menschen in Mietwohnungen. Wir wollen die Mietpreisbremse scharf stellen. Künftig muss der Vermieter die Vormiete angeben. Außerdem soll es künftig leichter sein, zu viel gezahlte Miete zurückzufordern. Gerade für meinen Frankfurter Wahlkreis ist es extrem wichtig, dass wir eine Kappungsgrenze, einen Deckel für die Mieterhöhung nach Modernisierung einführen. Künftig darf nach Modernisierung nur noch maximal um 3 Euro pro Quadratmeter innerhalb von sechs Jahren erhöht werden. In Frankfurt hatten wir einen Fall, da wurde die Miete nach Modernisierung um 14 Euro pro Quadratmeter erhöht. Niemand von den Bestandsmietern konnte sich dies leisten. Alle zogen aus. Ein gezieltes Herausmodernisieren ist häufig ein Motiv. Das wollen wir künftig verhindern. Wir wollen den Straftatbestand einer Ordnungswidrigkeit einführen und so für die Mieterinnen und Mieter Schadenersatzansprüche begründen.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Sie bringen rechtssystematisch einiges durcheinander!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie alle kennen das Struck’sche Gesetz: Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist. – Ich halte es zum Beispiel für sinnvoll, Vermieter zu verpflichten, jedem neuen Mietvertrag ein Informationsblatt beizufügen, in dem die Mietpreisbremse ausführlich erklärt wird. Nur wer seine Rechte kennt, kann sie auch richtig nutzen. Außerdem bin ich dafür, dass möblierte Wohnungen – da bin ich mit den Linken einig – auch unter die Mietpreisbremse fallen. Mir hat ein Vermieter gesagt: Ach, dann stelle ich ein paar alte Möbel in die Wohnung; dann habe ich kein Problem mit der Mietpreisbremse. – Dem sollten wir einen Riegel vorschieben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

In Frankfurt hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt Holding mit gut 50 000 Wohnungen aufgrund einer Initiative – wir wissen, um wen es geht: um Oberbürgermeister Peter Feldmann – eine eigene Mietpreisbremse eingeführt. Die Miete darf innerhalb von fünf Jahren nur noch um 1 Prozent pro Jahr erhöht werden. Nach großem Engagement von unserem Oberbürgermeister und von dem SPD-Landesvorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel wird eine ähnliche Mietpreisbremse jetzt bei der Nassauischen Heimstätte mit etwa 60 000 Wohnungen eingeführt. Dies sollte auch für uns als Bund ein Vorbild sein.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir gut gemacht, die Grünen, ja?)

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat etwa 37 000 Wohnungen im Bestand. Lassen Sie uns auch dort eine Mietpreisbremse einführen!

(Beifall der Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE] und Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich bin selber seit 2004 Vermieterin im Frankfurter Nordend. Ich habe nicht einmal eine Bestandsmiete erhöht. Nur einmal habe ich vor vielen Jahren bei einer Neuvermietung die Miete um 20 Euro angehoben.

Ich komme zurück zur BImA. Diese hat Grundstücke in der Größe von etwa 470 000 Hektar im Besitz. Seit 2015 gibt es eine Richtlinie für verbilligte Abgabe von Grundstücken. Seitdem sind bei gut 2 000 Verkaufsfällen nur etwa 12 Grundstücke verbilligt abgegeben worden. Hohe Bodenpreise sind einer der Hauptpreistreiber beim Wohnungsbau. Jetzt ist Olaf Scholz von der SPD als Finanzminister dafür verantwortlich. Ich bin sicher, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass er in Kürze eine gute Lösung für die vergünstigte Abgabe von Grundstücken für sozial geförderten Wohnungsbau bei der BImA finden wird.

(Abg. Hagen Reinhold [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Mietrechtsverbesserungen sind gut; wir brauchen aber vor allem neue Wohnungen. 1,5 Millionen wollen wir durch eine Wohnraumoffensive schaffen. Dazu gehört natürlich auch die Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Um dies nach 2019 weiterhin tun zu können, müssen wir das Grundgesetz ändern. Dies wurde mit dem Beschluss des Bundeskabinetts von Anfang Mai auf den Weg gebracht. Allein für die Jahre 2020/21 wollen wir 2 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen.

Kollegin Nissen, gestatten Sie eine Zwischenfrage von der FDP?

Nein; gerne im Anschluss. – Über eine weitere Erhöhung der Mittel würde ich mich freuen. Sozial geförderte Wohnungen sind für Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen dringend nötig.

In Hessen hat der bezahlbare Wohnraum seit vielen Jahren unter CDU-Regierungsführung keinerlei Priorität. Seit 1999 hat sich die Zahl der Sozialwohnungen in Hessen auf 90 000 halbiert – ein Schlag ins Gesicht der Menschen mit geringem Einkommen. Jetzt wird es dringend Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die SPD bei der Landtagswahl im Oktober die Regierungsführung übernimmt. Denn bei uns steht – nicht kurz vor der Wahl wie bei den Grünen –

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der ganzen Wahlperiode!)

die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ganz oben auf der Tagesordnung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu wenig bezahlbarer Wohnraum kann gewaltigen sozialen Sprengstoff bedeuten. Lassen Sie uns im Interesse der Menschen eine gute Lösung finden. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU])

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Canan Bayram.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hagen Reinhold [FDP]: Ich dachte, ich darf im Anschluss fragen!)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7243238
Wahlperiode 19
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Mietpreispolitik
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