07.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 36 / Tagesordnungspunkt 10

Niels Annen - Bundeswehreinsatz im Libanon (UNIFIL)

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Herr Präsident, vielen Dank. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir über den Libanon reden, geht es Ihnen wahrscheinlich ähnlich wie mir: Man erinnert sich an die Bilder von Bürgerkrieg, von Attentaten, von Milizen, die sich gegenseitig bekämpft haben. Angesichts der Geschichte, aber auch der Komplexität des Landes mit alleine 18 Religionsgemeinschaften mutet es fast schon wie ein kleines Wunder an, dass es dem Land gelungen ist, sich von den Konflikten der Region, gerade im Nachbarland Syrien, etwas abzukoppeln und sich im Wesentlichen herauszuhalten.

Meine Damen und Herren, ja, es hat Situationen gegeben, auch in der jüngeren Geschichte des Libanon, wo wir uns ernsthaft Sorgen machen mussten um die Ruhe und Stabilität des Landes. Wir erinnern uns an die Episode des Rücktritts von Ministerpräsident al-Hariri. Es gab dabei mit Sicherheit einen Zusammenhang mit der sozusagen regionalen Auseinandersetzung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Es gab Waffenstillstandsverletzungen, Drohgebärden der Hisbollah, auf die Israel verständlicherweise hochsensibel reagiert hat. Aber trotz dieser Vorzeichen ist es gelungen, Probleme einzudämmen und die Stabilität des Landes aufrechtzuerhalten, nicht zuletzt deshalb – das ist nicht der einzige Grund, aber doch ein wesentlicher Grund –, weil wir mit ­UNIFIL ein Instrument geschaffen haben, das Gespräche zwischen den Konfliktparteien ermöglicht hat. Allein das hat mit zur Stabilität beigetragen. Deswegen bleibt UNIFIL ein wichtiges Element zur Stabilisierung des Landes, aber auch der Region insgesamt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben als Bundesrepublik Deutschland einen Beitrag geleistet. Nach dem Krieg zwischen dem Libanon und Israel – man muss ja eigentlich sagen: der Hisbollah und Israel – 2006 gab es ja nicht nur Vermittlungsbemühungen der damaligen Bundesregierung, sondern wir haben uns dann auch mit einem großen Kontingent an dieser UN-Mission beteiligt. Ich hatte mehrfach die Gelegenheit, das Einsatzkontingent zu besuchen. Viele von Ihnen haben das in den letzten Jahren auch getan. 2017 war ich das letzte Mal in Naqura an der südlichen Grenze des Libanon, eine Region, die, wie Sie alle wissen, ausgesprochen instabil und politisch problematisch ist. Das Engagement der Soldatinnen und Soldaten, auch das Engagement der internationalen Gemeinschaft, die sich dort zusammengetan hat – im Moment unter Führung eines irischen Generals –, hat mit drei wesentlichen Elementen zur Stabilität beigetragen.

Erstens, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es um die Funktion von UNIFIL als Deeskalations- und Kommunikationskanal; darauf habe ich schon hingewiesen. Durch Diplomatie und Vermittlung arbeitet UNIFIL daran, und zwar ganz konkret, Spannungen abzubauen. An der Blue Line – das ist sozusagen die Demarkationslinie, die Waffenstillstandslinie, die damals vereinbart worden ist – gibt es tägliche Patrouillen. Es gibt aber vor allem ein Instrument, das bemerkenswert ist: einen Dreiparteienmechanismus, über den die Vertreter des Libanon und der israelischen Armee zwar nicht offiziell, aber sozusagen über die Vermittlung der Vereinten Nationen miteinander kommunizieren. Wir alle wissen, dass dort de facto miteinander geredet wird, und zwar ganz konkret über die Lage an der Grenze. Das ist ein wichtiger Beitrag, den wir dort leisten. Denn wir dürfen ja nicht vergessen: Es handelt sich lediglich um einen Waffenstillstand. Es gibt keinen politischen Prozess zwischen Israel und dem Libanon. Der Kriegszustand ist der aktuelle Zustand. Er währt fort. Deswegen ist es ganz wichtig, dass diese Möglichkeiten bestehen. Beide Staaten erkennen sich gegenseitig nicht an. Land- und Seegrenze – auch das übrigens durchaus ein Problem – sind nicht festgelegt. Aber beide Seiten akzeptieren in der Regel UNIFIL. Deswegen ist dieser Streitschlichtungsmechanismus wichtig, der nur unter dem Dach der Vereinten Nationen stattfindet. Ich glaube, es wäre ein Risiko, das wir nicht eingehen sollten, UNIFIL gerade in der aktuell angespannten Situation von dort zurückzuziehen. Denn es gibt weiterhin, zum Teil täglich, Verletzungen der Waffenruhe. UNIFIL berichtet über diese Verletzungen. Sie schickt Patrouillen in die Region. Wir haben eine verstärkte Patrouillentätigkeit. Die Berichterstattung, die der internationalen Gemeinschaft Informationen vermittelt und uns zur Verfügung stellt als neutrale Quelle in einer von parteilicher Berichterstattung geprägten Region, ist deswegen umso wichtiger.

Zweitens – das muss man auch ansprechen, weil es den größten Teil der Arbeit ausmacht – geht es um die Unterbindung des Waffenschmuggels von See. Dabei hilft es, die Ausrüstung von Gruppen zu verhindern, die destabilisierend wirken können. Es ist natürlich ein Beitrag zur Stabilität des Landes, übrigens auch der militärischen Strukturen der libanesischen Marine, die wir ebenfalls unterstützen. Es ist aber auch mir jedenfalls wichtig, zu sagen: Es ist auch ein Beitrag zur Sicherheit unserer israelischen Partner. Deswegen darf ich darauf hinweisen, dass dieser Beitrag zwei Komponenten hat: UNIFIL sichert maritim die Seeseite ab. Es gibt nur noch vereinzelt Waffenschmuggel, über den berichtet wird, und wir leisten einen Beitrag – auch das habe ich erwähnt –, die Marine auszustatten und auszurüsten. Das ist, glaube ich, ebenfalls wichtig.

Der dritte Aspekt, den ich erwähnen muss – ihn kann man gar nicht ignorieren –, ist, dass wir es hier mit einem Land zu tun haben, das große Sorge, vielleicht sogar offene Angst davor hat, dass der Konflikt erneut ausbrechen könnte, ein Land, das selber unverschuldet in die Situation geraten ist, das über 1 Million Flüchtlinge aus dem Nachbarland Syrien aufgenommen hat. Das ist eine enorme Leistung. Sie wissen, der Libanon ist ein kleines Land. Er hat etwa 4 Millionen Einwohner. Es ist ein Land, das 15 Jahre Bürgerkrieg hinter sich hat und dessen Belastungsgrenze längst erreicht ist. Angesichts dieser Situation, auch der politischen und konfessionellen Spannung, ist dies ein Aspekt, den man erwähnen muss.

Deswegen betten wir unser sicherheitspolitisches Engagement in ein politisches Engagement ein. Wir unterstützen die libanesische Regierung bei der Bewältigung dieser Flüchtlingskrise ganz konkret. Ich glaube, es geht insgesamt auch um ein politisches Zeichen, das wir damit aussenden, dass wir die Menschen dort nicht vergessen haben. Es gibt viele Beispiele. Wir haben Bildungsprogramme und Infrastrukturinvestitionen unterstützt. Die Beschulung, gerade auch die der Flüchtlinge, ist eine konkrete Entlastung des libanesischen Staates insgesamt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, insgesamt haben wir rund 380 Millionen Euro allein im Jahr 2017 in die Entwicklung des Libanon investiert.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das ist eine beträchtliche Summe. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal die Gelegenheit nutzen, dem Deutschen Bundestag dafür zu danken, dass die Bundesregierung in der Lage war, diese Gelder auch bereitzustellen. Es geht beispielsweise um die Einrichtung von Schulgebäuden. Ich habe darauf hingewiesen: Wir kooperieren an dieser Stelle auch mit UNICEF. Wasserinfrastruktur ist ganz wichtig. Wenn ich das noch einmal sagen darf, auch aus der Erfahrung zahlreicher Besuche in der Region – mit dem Kollegen Nouripour habe ich einige dieser Reisen gemeinsam gemacht –: Es ist wichtig, zu erläutern, dass wir den Flüchtlingen im Libanon helfen, aber auch immer daran denken, dass den Kommunen, den Gemeinden, von denen die Menschen aufgenommen worden sind, diese Leistungen zur Verfügung stehen, damit die Akzeptanz nicht weiter leidet. Das ist ganz, ganz wichtig.

Deswegen lassen Sie mich abschließend sagen: ­UNIFIL ist eine Operation, die unter extrem schwierigen Bedingungen erfolgreich gearbeitet hat und die uns die Möglichkeit bietet, fragile Annäherung, vorsichtige Annäherung zwischen Konfliktpartnern zu unterstützen. Sie bietet Informationen für eine politische Bewertung, die möglicherweise in den nächsten Wochen und Monaten noch wichtiger werden kann. Deswegen freuen wir uns auf eine Auseinandersetzung, die wichtig ist. Ich darf Sie herzlich bitten, diesem Antrag der Bundesregierung zuzustimmen und damit auch ein Signal an unsere Soldatinnen und Soldaten auszusenden, die in einer gefährlichen und schwierigen Region einen hervorragenden Job machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Ich erteile das Wort für die AfD-Fraktion dem Kollegen Petr Bystron.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7243312
Wahlperiode 19
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz im Libanon (UNIFIL)
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