Daniela De RidderSPD - Luftangriffe gegen Syrien am 14. April 2018
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Seit sieben Jahren tobt ein blutiger Krieg in Syrien. Sieben lange Jahre – das ist im Übrigen länger, als der Zweite Weltkrieg hier in Europa seine Verheerungen und Verirrungen anrichten konnte. Rund 400 000 Tote sind zu beklagen, und es sind vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen. Und an diesem Krieg ist nichts zu beschönigen; denn ein Krieg ist ein Krieg ist ein Krieg. Es ist in der Tat erwiesen – der Kollege Kiesewetter hat es eben erwähnt –, dass es dabei mehrfach zu Giftgaseinsätzen gekommen ist. Syrien – und das ist relevant an dieser Stelle – ist doch in die Organisation für das Verbot chemischer Waffen eingetreten, und dennoch kam es zum Einsatz von Sarin, obgleich alle Chemiewaffen vernichtet werden sollten, auch das mithilfe Russlands.
Schauen wir uns, wenn es um die Einsätze im April dieses Jahres geht, auch mal an, was die Ziele waren; das bleibt ja unerwähnt. Alle Ziele waren nämlich potenzielle Einrichtungen der Chemiewaffenproduktion.
(Karsten Hilse [AfD]: Woher haben Sie das? Aus der „Bild“-Zeitung, oder was?)
– Ich glaube, das ist mir zu unintelligent. Lassen Sie uns lieber über andere Dinge reden, die wirklich hilfreich sind.
Krieg und seine Opfer dürfen uns nicht kaltlassen, aber mit bloßer Empörungsrhetorik kommen wir hier nicht weiter; denn das hilft nicht, das rettet nicht ein einziges Menschenleben. Empörungsrhetorik ist mir zu billig. 70 Prozent der syrischen Bevölkerung – darum geht es nämlich – lebt heute in bitterer Armut, und 13 Millionen Syrer sind auf der Flucht. Und auch hier noch mal eine Dimension: 13 Millionen – das sind mehr Einwohner, als die Städte Berlin, Hamburg, München und Köln zusammen haben.
Es muss doch heute vielmehr darum gehen, welche klaren Handlungsansätze wir diskutieren können. Deshalb bin ich an der Stelle auch den Grünen für ihren Antrag sehr dankbar. Ja, wir müssen noch einmal über die Syrien-Konferenz reden und nicht nur über das Geld, das wir hier investieren. Sie wissen: Wir haben Milliardenbeträge investiert. Aber die Syrien-Konferenz braucht einen neuen Schub.
Ja, lassen Sie uns darüber reden, dass wir die NGOs besser einbinden! Lassen Sie uns darüber sprechen, was für den Wiederaufbau getan werden kann, was für humanitäre Hilfen getan werden kann! Lassen Sie uns darüber sprechen, was wir für Krankenhäuser und Schulen in Syrien tun können! Wenn ich schon dabei bin – meine Wunschliste möchte ich noch verlängern –: Wir sollten auch darüber reden, was es bedeuten würde, wenn Syrien eine neue Verfassung bekäme, freie Wahlen hätte oder eine unbelastete Regierung.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Immer das Geträume!)
Es ist in der Tat ein Segen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dass wir ein Strafgesetz haben, das es bereits heute zulässt, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit, was Syrien anbelangt, in Deutschland verfolgt werden können; das ist das Weltrechtsprinzip. Dies geschieht bereits. Da gilt mein ganz besonderer Dank dem Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank, weil er sich dafür einsetzt. Das dient dem Schutz der Menschenrechte.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Roderich Kiesewetter [CDU/CSU])
Ich will Sie aber noch ganz kurz teilhaben lassen an dem Telefonat, das ich gestern mit der französischen Journalistin Garance Le Caisne führte. Das ist die Journalistin, die jenen Mann interviewte, der unter dem Decknamen „Caesar“ als anonymer Fotograf inzwischen zum Staatsfeind Nummer eins für Assad geworden ist. Er war noch beim Militär, als er seinerzeit die Todesopfer aus Assads Foltergefängnissen fotografieren musste. Diese Fotos – ich vermute, viele von Ihnen kennen sie – schockierten die Welt und machten „Caesar“ zu einem Flüchtling des Assad-Regimes.
Ich finde, wir sollten Garance Le Caisne in unseren Ausschuss einladen und uns von ihr berichten lassen. Garance Le Caisne forderte mich auf, Ihnen zu sagen, wie stolz wir auf unser Land sein dürfen, weil wir, so sagte sie, aus der Shoah gelernt haben. Ja, Madame Le Caisne, ich bin stolz auf mein Land, weil es eine wehrhafte Demokratie ist, und ich werde bis zum letzten Atemzug darum kämpfen, dass dies so bleibt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Abschließend einen Satz an Sie, meine Herren von der AfD: Ihre unsägliche Rhetorik ohne jeden Lösungsvorschlag entsetzt mich zutiefst. Das empört mich. Ihre Rhetorik ist zumeist degoutant. Daher hoffe ich für dieses demokratische Land, aber auch für die Wähler, die Sie nur aus Protest gewählt haben, dass Ihre Partei ein Fliegenschiss in der Geschichte dieses stolzen demokratischen Parlaments bleiben wird.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Da könnten Sie sich verrechnen, gnädige Frau! – Gegenruf der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Das glaube ich nicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sie werden sich noch wundern!)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Heike Hänsel von der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 36 |
Tagesordnungspunkt | Luftangriffe gegen Syrien am 14. April 2018 |