Sascha RaabeSPD - Europäische Zukunftsstrategie für Afrika
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ja, es stimmt: Afrika könnte ein reicher Kontinent sein. Er ist nicht arm wegen der Hitze oder weil es zu wenig Bodenschätze gibt, sondern weil für viele Länder der Reichtum an Rohstoffen eher Fluch als Segen ist. Das hat natürlich viel damit zu tun – das steht zu Recht in dem Antrag der Linken –, dass europäische Unternehmen den afrikanischen Kontinent nur als Rohstoffversorger für Europa wahrnehmen. Dementsprechend muss die Handelspolitik der Europäischen Union geändert werden. Das ist keine Frage.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Als jemand, der seit 2002 im entwicklungspolitischen Ausschuss tätig ist und in diese Länder fährt, sehe ich natürlich schon eine Veränderung in den letzten 10, 15 Jahren. Wenn man heute vom Flughafen in die meisten Hauptstädte der afrikanischen Länder fährt, sieht man immer mehr Villen, immer mehr SUVs, immer mehr Vier- und Fünf-Sterne-Hotels, immer größere Präsidentenpaläste. Doch wenn man aufs Land fährt, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: die gleiche bittere Armut wie früher. Woran liegt das? Das liegt daran, dass heute nicht mehr nur der böse Norden den Süden ausbeutet, sondern es heute in den meisten afrikanischen Staaten auch eine korrupte, verantwortungslose Elite gibt, die gemeinsam mit den Regierungen und den Unternehmen in den Industrieländern das eigene Volk ausbeutet.
Deswegen müssen wir, wenn wir mit den afrikanischen Staaten jetzt ein neues Abkommen abschließen und damit unsere Handelsbeziehungen neu ordnen, darauf achten, dass Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte und soziale Standards endlich verbindlich sind und eingehalten werden und dies die Voraussetzung für den Handel mit afrikanischen Staaten ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das bedeutet, dass wir es nicht mehr zulassen dürfen, dass fast 2 Millionen Kinder auf den Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste und in Ghana arbeiten, sich selbst mit Pestiziden vergiften, mit Macheten arbeiten müssen und nicht zur Schule gehen können. Wir dürfen nicht zulassen, dass das die nächste Generation ist, die, weil sie dort keine Perspektiven hat, an Europas Tür anklopft, um hier als Armutsflüchtling vielleicht eine Chance zu finden.
Deswegen muss endlich Ernst gemacht werden mit vielen von den Dingen, die schon in unseren Präferenzregeln stehen. Darin steht eigentlich, dass es keine Kinderarbeit und keine Menschenrechtsverletzungen geben darf, wenn man zollfrei Waren in die EU liefern will.
Im Augenblick ist die Europäische Union ja dabei, mit Staaten in der ganzen Welt Verhandlungen über Freihandelsabkommen zu führen, auch mit den afrikanischen Staaten über ein Nachfolgeabkommen zum Cotonou-Abkommen. Da gibt es ein schönes Nachhaltigkeitskapitel, in dem wieder drinsteht – ganz toll –, dass die Menschenrechte eingehalten werden sollen, dass es keine Kinderarbeit geben soll, dass die Arbeitnehmerrechte gelten sollen. Aber was passiert, wenn dagegen verstoßen wird? All diese Verträge sind wieder so angelegt, dass am Ende im Prinzip nichts erfolgt. Es heißt, man führe einen Dialog mit der Zivilgesellschaft, und am Ende ist das schärfste Schwert die Rüge eines Expertengremiums.
Deswegen fordere ich Minister Müller auf – er hat mir versprochen, das zu tun; ich werde das weiter beobachten –, mit dem Kollegen Altmaier zu reden, damit Brüssel jetzt nicht mit Japan und Singapur Verträge abschließt, in denen diese Nachhaltigkeitskapitel unverbindlich sind; denn wenn wir das mit diesen Ländern unverbindlich halten, dann sagen die afrikanischen Länder zu Recht: Warum behandelt ihr diese Länder anders als uns? – Nein, wir müssen, um glaubwürdig zu bleiben, allen Ländern, mit denen wir Handel treiben wollen, klarmachen: Es kommt nicht nur darauf an, dass ihr technische und sanitäre Standards einhaltet, sondern für uns ist auch wichtig, unter welchen Bedingungen die Produkte, die bei uns auf die Märkte kommen, hergestellt werden; wir wollen kein Blut an T-Shirts; wir wollen nicht, dass auf Kakao- und Kaffeeplantagen Kinder arbeiten; wir wollen nicht, dass Arbeiter aus der Luft mit Pestiziden vergiftet werden. Nur wenn das gewährleistet ist, dann dürfen die Waren zollfrei nach Europa geliefert werden.
Ansonsten gilt: Fairer statt freier Handel; das ist es, was wir brauchen.
Vielen Dank.
(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7243413 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 36 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Zukunftsstrategie für Afrika |