07.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 36 / Tagesordnungspunkt 18

Johannes VogelFDP - Stärkung der Erwerbsminderungsrente

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Hochverehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Hochverehrt!)

So gehört sich das.

So gehört sich das, wie er zu Recht sagt. – Die Menschen, wir alle, werden immer älter und bleiben immer länger fit. Das ist erst mal eine großartige Nachricht. Aber die Lebenswege sind unterschiedlich – da haben Sie recht, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken –: Bei manchen Menschen spielt die Gesundheit nicht mit, ein Schicksalsschlag kommt, eine Krankheit, von der man sich nie wieder erholt. Deshalb brauchen wir eine starke Erwerbsminderungsrente; das ist völlig richtig. Und natürlich ist klar, dass, wenn die Erwerbsminderungsrente so berechnet wird, als hätte jemand bis zum Renteneintrittsalter einbezahlt, es dann, wenn das Renteneintrittsalter steigt, richtig ist, dass auch die sogenannte Zurechnungszeit erhöht wird und man sie künftig auch aufwachsen lässt, wenn das Renteneintrittsalter weiter bis hin zur Rente mit 67 steigt.

Ich freue mich, dass dieser Wunsch uns hier offenbar alle eint. Das war in den Jamaika-Gesprächen konsentiert – einer der wenigen Punkte, die konsentiert waren –, und es findet sich jetzt im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Das ist richtig. Und ich freue mich ernsthaft, dass diese Position hier alle teilen und dass wir das voranbringen.

(Beifall bei der FDP)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, ich glaube schon, dass auch bei vorzeitigen Erwerbsminderungsrenten gewisse Abschläge zumutbar sind. Übrigens: Wenn man eine private Berufsunfähigkeitsrente abschließt, schließt man die auch nicht in der vollen Höhe seines Gehaltes ab, sondern mit gewissen Abschlägen. Auch das Verfassungsgericht hat festgestellt, dass diese Abschläge zumutbar sind. Ich glaube, dass sie auch nachvollziehbar und verhältnismäßig sind. Insofern geht Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, natürlich mal wieder erheblich zu weit. Sie lassen wie so oft die notwendige Balance in der Sozialpolitik vermissen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Menschen landen in der Sozialhilfe!)

– Deshalb überzeugt uns dieser Antrag nicht, lieber Matthias Birkwald.

(Beifall bei der FDP)

Das soll es zu eurem Antrag auch schon gewesen sein.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich an die Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD zu wenden, die hier übrigens mit erheblich besserer Anwesenheit glänzen als die Fraktion, die den Antrag eingebracht hat, lieber Kollege,

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

und Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, sagen: Ja, wir brauchen in einer Zeit, in der die Menschen älter werden und länger fit bleiben, starke Erwerbsminderungsrenten. Man kann aber auch noch eine andere Veränderung beobachten: Die Lebenswege entwickeln sich ganz wunderbar unterschiedlich. Der eine arbeitet, seit er 16 ist, der andere promoviert, bis er 35 ist. Auch die Berufe unterscheiden sich. Ist es in einer sich so sehr verändernden Arbeitswelt wirklich noch zeitgemäß, dass wir im Alter alle Menschen über einen Kamm scheren?

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Tun wir nicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, denkt hier doch komplett und geht eine mutige Modernisierung unseres Rentensystems an! Führt endlich einen vollständig flexiblen Renteneintritt ein, so wie uns das die skandinavischen Länder erfolgreich vormachen! Das wäre eine mutige Reform – anders als das, was ihr in der Rentenpolitik macht. Ihr destabilisiert die gesamten Rentenfinanzen durch eure teuren Mehrausgaben. Werft euer Herz über die Hürde! Das wäre eine vernünftige Reform, die uns voranbringen würde.

Schweden und Norwegen machen uns das doch erfolgreich vor. Da entscheidet jeder selbst, wann er in Rente geht. Wenn man früher geht, kriegt man weniger Rente; wenn man später geht, kriegt man mehr.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist hier doch auch so!)

Zuverdienstgrenzen gibt es nicht, Teilrenten sind flexibel möglich. Wozu führt das? Der gesellschaftliche Konflikt über das Rentenalter ist befriedet, alle sind zufrieden, und das Renteneintrittsalter ist im Schnitt auch noch höher als in Deutschland.

Ich würde sagen, das ist ein überzeugendes System. Ein überzeugendes System sollte man übernehmen.

(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ich würde vorschlagen, wir nehmen das österreichische System! Das ist nämlich viel besser!)

Deshalb will ich anregen, dass wir, wenn wir über eine Veränderung im Rentensystem reden, nicht mit einer Wünsch-dir-was-Politik der Linken vorgehen, sondern die Gelegenheit wahrnehmen, einen echten Sprung in der Modernisierung unseres Rentensystems zu machen.

Seit Bismarcks Zeiten entscheiden Politiker, wann die Menschen in Rente zu gehen haben. Lassen wir die Menschen das doch in Zukunft ganz einfach selbst entscheiden! Das wäre moderne Politik.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Kollege Vogel. – Als Nächstes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Markus Kurth.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7243429
Wahlperiode 19
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Stärkung der Erwerbsminderungsrente
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