Florian ToncarFDP - Gemeinsame Einlagensicherung für EU-Banken
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einlagensicherung hat mit der Einlagerungssicherung zumindest gemeinsam, Frau Präsidentin, dass es um Risiken geht, die unter Kontrolle gebracht werden müssen. Insofern war unser beider Versprecher vielleicht gar nicht so verkehrt.
Aber zur Sache selbst: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Euro-Krise, die großen Schwierigkeiten vieler Mitgliedsstaaten, sich zu finanzieren, vor allem zwischen 2010 und 2012, hat zu der Erkenntnis geführt, dass man die Währungsunion auch um eine Bankenunion, um ein gemeinsames Regelwerk für die Banken in den Mitgliedstaaten des Euro ergänzen muss.
Hintergrund war der sogenannte Staaten-Banken-Nexus, also die Erkenntnis: Wenn ein Staat pleitegeht, dann reißt er wegen der Staatsanleihen und anderer Faktoren die Banken in seinem Bereich gleich mit sich, die ganze Volkswirtschaft wird schwer geschädigt und kann sich nicht so schnell wieder erholen. Und umgekehrt: Wenn große Banken in die Pleite gehen und der Staat zu teuren Rettungsaktionen auf Steuerzahlerkosten gezwungen wird, kommt er möglicherweise selber in finanzielle Schwierigkeiten.
Der Grundgedanke unserer Bankenunion, wie wir sie heute haben, war es – das will ich zu Beginn dieser Debatte in Erinnerung rufen –, diese Verbindung von Staatsfinanzen und Banken zu durchbrechen und beides unabhängiger voneinander zu machen.
Dabei wurden zwei Maßnahmen getroffen: Unter dem Dach der EZB wurde eine einheitliche Aufsicht mit dem Ziel geschaffen, dass Banken unabhängiger beaufsichtigt werden, dass die Regierung, die vielleicht ein Interesse daran hat, weiterhin Staatsanleihen an Banken auszugeben, diese Banken bei der Aufsicht nicht schonender behandelt. Heute haben wir unter dem Dach der EZB 118 Bankengruppen, die direkt beaufsichtigt werden und 85 Prozent der Bilanzsumme des europäischen Bankensektors in der Europäischen Union ausmachen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die einheitliche Aufsicht ist keine totale Zentralisierung von Aufsicht. Die kleinen, nicht systemrelevanten Institute werden eben gerade nicht von der EZB überwacht. Bankenunion bedeutet also nicht Zentralisierung von allem und jedem, sondern Zentralisierung von den Dingen, die europäisch gelöst werden müssen.
(Beifall bei der FDP)
So ähnlich ist es auch bei der zweiten Säule, bei der Abwicklung von Banken. Auch da haben wir für die großen, grenzüberschreitenden Gruppen ein zentrales Regime, auch einen Fonds eingerichtet, in den die Banken Beiträge einzahlen, um Abwicklungskosten im Notfall abdecken zu können. Aber auch das ist keine völlige Zentralisierung der Abwicklungskompetenz auf europäischer Ebene, sondern eine sehr differenzierte Lösung, die zwischen großen und kleinen Banken unterscheidet.
Damit komme ich zu den zwei Themen, die auf dem Europäischen Rat am 28. und 29. Juni kontrovers diskutiert werden und die wir in unseren Anträgen, die wir heute einbringen, ansprechen. Das ist – erstens – die Idee einer zentralen Einlagensicherung für die Euro-Zone und – zweitens – die Idee einer sogenannten Letztsicherung, was übersetzt nichts anderes bedeutet, als dass als letzte Stufe auch Steuergelder, Gelder des Europäischen Stabilitätsmechanismus, öffentliche Gelder herangezogen werden können, um die Abwicklung von Banken finanziell zu flankieren.
Die Bundesregierung hat bisher – und wir haben uns das mehrere Monate lang angeschaut – beides nicht explizit ausgeschlossen. Bei der Einlagensicherung spielt sie auf Zeit und sagt: Das dauert noch, bis die Risiken entsprechend reduziert sind.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ja, selbstverständlich!)
Und in Bezug auf die Kredite für die Bankenabwicklung aus öffentlicher Hand, aus dem ESM hat sowohl der Bundesfinanzminister in der Haushaltswoche vor knapp drei Wochen als auch die Bundeskanzlerin einen Tag später hier angekündigt, dass die Bundesregierung bereit ist, einer Bankenabwicklung mithilfe öffentlicher Gelder und dieser Kredite zuzustimmen. Sie gehen damit letzten Endes wieder den Weg dahin zurück, dass der Staat, die Steuerzahler, die öffentliche Hand für Bankrisiken geradestehen müssen. Das halten wir für falsch, und das sagen wir in unserem Antrag mit Blick auf den 28. und 29. Juni auch sehr, sehr klar.
(Beifall bei der FDP)
Wichtig ist aber auch: Die Kanzlerin hat vor einigen Tagen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ ein sehr langes Interview gegeben und darin vieles gesagt; zur Bankenunion hat sie aber keinen einzigen Vorschlag gemacht. Außer den Ankündigungen zur Letztsicherung von Herrn Scholz und Frau Merkel gab es kein einziges Wort, keinen weiteren Vorschlag, kein eigenes Konzept dazu, wie es mit der Bankenunion weitergeht. Deutschland ist auch hier ein Ausfall. Deshalb muss sich der Bundestag damit befassen und muss einen Beschluss fassen, um der Bundesregierung eine konkrete Position vorzugeben.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Die anderen Länder finden uns eigentlich ganz gut in dieser Hinsicht!)
Die zentrale Einlagensicherung ist nicht notwendig; denn die neuen europäischen Abwicklungsregeln sehen gerade für Großbanken eigene Regeln vor. Es ist sehr unwahrscheinlich – sogar extrem unwahrscheinlich –, dass die Einlagensicherung im Krisenfall überhaupt noch eine Rolle spielen wird. Die Einlagensicherung wird weiterhin eine Bedeutung haben, wenn eine kleine Bank in die Insolvenz geht und nicht nach den neuen Regeln abgewickelt wird.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, läge es gerade in der Logik der Bankenunion, zu sagen: Gerade weil es eigentlich nur kleine Banken betreffen kann, muss das dezentral bleiben. Das ist geradezu die Fortschreibung dessen, was wir zur ersten und zweiten Säule gesagt haben. Beschließen Sie es doch! Sagen Sie es auch der Bundesregierung in der nötigen Klarheit!
(Beifall bei der FDP)
Zahlen werden am Ende für jedes zentrale System natürlich die Bankkunden, und sie bekommen dafür in vielen Teilen der Union schlechte Qualität. Wir haben in Deutschland eine dezentrale Einlagensicherung, die aber für die meisten Bankkunden einen Schutz in unbegrenzter Höhe anbietet. Die Bankkunden bekommen einen höheren Schutz, als das europäische Recht von Deutschland verlangt. Wenn man das zentralisiert, dann bedeutet das nicht nur höhere Kosten, die die Kunden tragen müssen, sondern am Ende wahrscheinlich auch weniger Schutz. Das ist doch ein Ergebnis, das wir nicht befürworten können, das auch den Finanzmarkt in keiner Weise voranbringen wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Toncar, das wissen Sie besser!)
Was die Kredite für die Bankenabwicklung angeht, sage ich: Kein öffentliches Geld für Risiken des Finanzsektors!
(Metin Hakverdi [SPD]: Genau!)
Wir müssen wieder dazu kommen, dass private Risiken auch privat getragen werden. Je größer der Topf ist und je eher ein Investor weiß: „Am Ende werde ich vielleicht wieder mit öffentlichen Geldern rausgehauen“ – denn davon profitieren ja alle Investoren, nicht nur die Banken –, desto eher wird er das einkalkulieren und wieder Risiken eingehen, die wir nicht wollen. Das heißt: Wenn es diesen großen Topf gibt, den Olaf Scholz und Frau Merkel wollen, dann werden auch die Risiken steigen, weil die Investoren wieder darauf spekulieren werden, dass sie gerettet werden. Genau das, liebe Kolleginnen und Kollegen, führt zu den falschen Ergebnissen und wird Europa übrigens auch nicht friedlicher, harmonischer und besser machen, sondern die Konflikte, die Auseinandersetzungen, die es gibt, immer weiter fortschreiben.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Albrecht Glaser [AfD])
Wir wollen, dass der Gedanke der Haftung wieder im Vordergrund steht und dass die Bundesregierung das auch aktiv vertritt. Eigenkapitalunterlegung für Staatsanleihen: Sie reden von Risikoreduzierung, aber das allergrößte Risiko, nämlich die Staatsanleihen in den Beständen der Banken, blenden Sie komplett aus. So wird das nichts mit der Risikoreduzierung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Albrecht Glaser [AfD])
Wir brauchen mehr Haftung von privaten Investoren, bevor eine Bank abgewickelt wird, bevor möglicherweise auch der Abwicklungsfonds ins Spiel kommt, damit diese wieder Verantwortung für ihre Investitionen tragen. Wir brauchen eine Abwicklungsbehörde mit mehr Durchschlagskraft, mit mehr Biss, die in einfacheren Verfahren schneller entscheiden kann.
Frau Präsidentin, mein letzter Punkt.
Letzter Satz.
Da muss ich aber einen sehr langen Satz machen, Frau Präsidentin.
(Heiterkeit)
Machen Sie nicht.
Ich habe Sie schon verstanden. – Wir brauchen einen echten europäischen Binnenmarkt für Bankdienstleistungen, damit Banken auch ersetzt werden können, damit ein Staat nicht von einigen wenigen Banken abhängig ist, sondern grenzüberschreitendes Bankgeschäft einfacher wird. Das ist die Richtung. Mehr Haftung für Risiko, weniger gemeinsame Töpfe: In diese Richtung sollte die Bundesregierung am 28./29. Juni verhandeln, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Albrecht Glaser [AfD])
Vielen Dank, Herr Toncar. Sie haben Glück, dass Herr Kubicki nicht präsidiert.
(Christian Dürr [FDP]: Das haben wir beobachtet!)
Nächste Rednerin: Antje Tillmann für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7243524 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 37 |
Tagesordnungspunkt | Gemeinsame Einlagensicherung für EU-Banken |