Metin HakverdiSPD - Gemeinsame Einlagensicherung für EU-Banken
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wenn in diesem Haus über Europa gesprochen wird, dann häufig mit einem pessimistischen Blick. Ich finde jedoch, wir haben guten Grund zur Zuversicht. Ich jedenfalls bin optimistisch, weil ich den Eindruck habe, dass sich in der Euro-Debatte der Wind gedreht hat. Die Zeit derer, die Sicherungsmaßnahmen für den Euro als Geldpipeline nach Brüssel beschimpft haben, scheint zu Ende zu gehen. Die Kanzlerin hat in ihrem Interview in der „FAS“ eine Wende für die CDU/CSU eingeleitet. Das ist gut und längst überfällig. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben wir auf diese Wende gedrängt. Wir haben einen neuen Aufbruch für Europa gleich zu Beginn im Koalitionsvertrag verankert. Die Umsetzung des Koalitionsvertrages nimmt nun Gestalt an.
Der Wind hat sich gedreht, Kolleginnen und Kollegen. Dr. Jens Weidmann, der Präsident der Bundesbank, hat zu Beginn der Woche eine, wie ich finde, beachtliche Rede gehalten. Jens Weidmann sagte, dass die Bundesbank per se nicht gegen eine gemeinsame Einlagensicherung sei.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Er ist klug!)
Er sagte außerdem – das möchte ich hier wörtlich zitieren –:
Im Gegenteil: Eine solche wäre zweifellos ein Beitrag zu einem stabilen Finanzsystem, da das Risiko einer Einlegerpanik sänke.
Er führt weiter aus:
Und auch hier liefert die gemeinsame ... Aufsicht gute Argumente für eine gemeinsame Haftung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Antje Tillmann [CDU/CSU])
Das sind doch ganz andere, ganz neue Töne aus Frankfurt. Das müssen auch die Gegner der Einlagensicherung zur Kenntnis nehmen.
Kolleginnen und Kollegen, die Finanzkrise, die vor über zehn Jahren begonnen hat, hat gezeigt, welche Konstruktionsmängel unsere Währungsunion aufweist und welche Probleme vor einer nächsten Krise gelöst sein sollten. Natürlich ist noch längst nicht alles in Butter. Wir müssen in drei Bereichen besser werden. Ich nenne diese drei Bereiche die drei Sicherungspfeiler des Euro.
Der erste Pfeiler betrifft die Haushalts- und Wirtschaftspolitik. Wir haben gelernt, dass ein Währungsraum ohne Koordinierung der Haushalts- und Wirtschaftspolitik der Euro-Mitgliedstaaten nicht funktioniert. Das Europäische Semester ist schon heute ein gutes Instrument. Wir sollten zusätzlich den Fiskalpakt in seinen Kernelementen ins EU-Recht überführen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
– Danke, Lothar.
Der zweite Stabilitätspfeiler des Euro ist die Unterstützung von Euro-Mitgliedstaaten, die durch makroökonomische bzw. asymmetrische Schocks besonders schwer getroffen werden. Mit dem Europäischen Sicherheitsmechanismus haben wir ein gutes Instrument, das wir zu einem Währungsfonds weiterentwickeln wollen. Er soll Mitgliedstaaten schon dann unterstützen können, wenn diese in die Krise zu schlittern drohen. Das ist der günstigere Weg für alle Mitgliedstaaten.
Der dritte Stabilitätspfeiler des Euro ist schließlich die Banken- und Kapitalmarktunion. Mit der Bankenunion wollen wir verhindern, dass auf den Finanzmärkten ohne Rücksicht auf die Steuerzahler wild spekuliert wird, dass Gewinne privatisiert, Verluste aber dem Steuerzahler auferlegt werden. Daher war es richtig, die systemrelevanten Banken der Euro-Zone mit einer einheitlichen Aufsicht und einer einheitlichen Abwicklung – den ersten beiden Säulen der Bankenunion – an die Leine zu nehmen.
An diese Stelle gehört auch der Verhandlungserfolg unseres Finanzministers Olaf Scholz. Im Ecofin-Rat gab es vor 14 Tagen eine Einigung darauf, dass Banken noch mehr Kapital für den Fall einer Krise vorhalten müssen. Mit diesen Puffern wird die Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerzahler einspringen muss, weil Banker sich verspekuliert oder Fehler gemacht haben, signifikant reduziert. Wir hoffen und erwarten, dass diese Einigung auch am Ende des Trilogverfahrens stehen wird.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Um den Schutz des Steuerzahlers zu erhöhen, brauchen wir noch eine Letztsicherung für den Abwicklungsfonds. Elke König, ehemalige Chefin der BaFin und heute Chefin der europäischen Bankenabwicklungsbehörde in Brüssel, hat dies in dieser Woche im Finanzausschuss eindringlich angemahnt. Wir sind zuversichtlich, dass auch hier noch in diesem Jahr Erfolge erreicht werden können.
Wie die dritte Säule der Bankenunion, die gemeinsame Einlagensicherung, aussehen könnte, sollten wir erst diskutieren, wenn wir zuvor unsere Hausaufgaben gemacht haben. Das bedeutet, dass Risikopositionen aus notleidenden Krediten in den Bilanzen teilnehmender Banken zuvor signifikant abgebaut sein müssen. Das sollte heute der Schwerpunkt unserer Aufmerksamkeit sein. Zu den notwendigen Rahmenbedingungen kann auch die Harmonisierung des Insolvenzrechts in den Mitgliedstaaten gehören.
Die Europäische Kommission hat schon heute Maßnahmen und Instrumente vorgelegt, die den Abbau dieser Non-performing Loans unterstützen sollen. Das steht aktuell im Vordergrund.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?
Nein, danke.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)
Liebe Kollegen von der FDP, vor diesem Hintergrund lehnen wir Ihren Antrag heute natürlich ab. Wie lange wollen Sie noch zögern? Kommen Sie zurück, und lassen Sie uns darüber sprechen, wie wir unser Land stark machen können.
1950 hatte der damalige französische Außenminister Robert Schuman einen ebenso kühnen wie weisen Plan. Ich zitiere den Außenminister Frankreichs:
Die französische Regierung schlägt vor, die Gesamtheit der französisch-deutschen Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen, in einer Organisation, die den anderen europäischen Ländern zum Beitritt offensteht.
Die deutsche Bundesregierung wurde nur wenige Stunden zuvor über das Vorhaben informiert, stimmte aber – ebenso kühn und weise – zu, und das nur fünf Jahre nach Kriegsende.
Der Rest ist Geschichte: Die Montanunion wurde eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Sie machte wirtschaftlich Sinn und trug zum Wirtschaftswunder bei, sie sicherte den Frieden, indem sie die Grundlagen der Rüstung teilte, und das vielleicht Wichtigste ist: Sie schuf dauerhaft Vertrauen. Aus Feinden wurden Freunde. Die Montanunion legte das Fundament für die europäische Einigung.
Ich frage mich heute manchmal, wie wir alle hier anstelle der deutschen Regierung Robert Schuman damals geantwortet hätten. Wir alle sollten uns diese Frage stellen: Hätten wir den nötigen Mut aufgebracht?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was im 20. Jahrhundert Stahl und Kohle waren, sind heute die Finanzmärkte in ihrer grundlegenden Bedeutung für unsere Wirtschaft. Was damals die Montanunion schaffte, muss im 21. Jahrhundert die Bankenunion leisten.
(Beifall bei der SPD)
Sie wird unseren Wohlstand und Frieden sichern und das Vertrauen schaffen, das wir für eine dauerhafte Stabilität der Europäischen Union brauchen. Seien Sie so kühn und weise wie die Gründungsväter der Europäischen Union!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herzlichen Dank, Herr Kollege Hakverdi. – Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, hat die AfD-Fraktion um eine Kurzinvention des Kollegen Boehringer gebeten. – Einen kleinen Moment, bitte, Herr Boehringer.
Ich habe vernommen, dass meine sehr geschätzte Kollegin Claudia Roth Sie gebeten hat, auf Kurzinterventionen möglichst zu verzichten und sich auch mit Zwischenfragen zurückzuhalten. Es hat sich gestern Nacht bewährt, dass wir von den Regelungen des § 35 der Geschäftsordnung Gebrauch gemacht haben, sonst hätten wir bis 3 Uhr getagt. Wir haben es geschafft, die Sitzung vor 2 Uhr zu beenden. Da heute sehr viel auf der Tagesordnung steht, bitte ich tatsächlich alle Beteiligten, sich möglichst zurückzuhalten, was kein Eingriff in die Debattenkultur sein soll.
Ich erteile nunmehr für eine Kurzintervention dem Kollegen Boehringer das Wort.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Keine Redezeit bekommen, oder wie?)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7243532 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 37 |
Tagesordnungspunkt | Gemeinsame Einlagensicherung für EU-Banken |