08.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 37 / Tagesordnungspunkt 21

Lothar BindingSPD - Gemeinsame Einlagensicherung für EU-Banken

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Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wer Europa, wer die Europäische Union will, der wird in der heutigen Debatte viele Dinge anders beurteilen als jemand, der glaubt, Deutschland käme auf alle Zukunft ganz alleine zurecht. Diesen Unterschied kann man ganz deutlich hören; danach wird alles beurteilt. Ich habe immer gedacht, die Zeit wäre vorbei, in der wir gedacht haben, Deutschland käme alleine zurecht.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ja, das ist Schnee von gestern! Rückwärtsgewandt!)

Es ist klug, sich auf die Seite zu schlagen, die sagt: Wir brauchen Europa; es ist klug, sich in diesem Verbund zu bewegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])

Beide Antragsteller lehnen die europäische Einlagensicherung apodiktisch, also auf alle Ewigkeit und grundsätzlich, ab. Daran merkt man: Da ist wenig Europa drin, da ist aber auch wenig für die Bürger drin. Denn wer glaubt, dass exogene oder asymmetrische Schocks, also Dinge, auf die wir überhaupt keinen Einfluss haben, auf alle Ewigkeit auszuschließen sind, der geht leichtfertig mit unserer Zukunft um.

Die Frage ist: Was passiert eigentlich mit unserem Geld? Wir haben heute von Eigenverantwortung gehört, wenn wir es der Bank geben. Die Antwort ist einfach: Wenn Sie als Zuschauer Ihrer Bank Geld geben, dann haben Sie das Risiko, dass Sie es nicht zurückkriegen – ganz klar. Das fanden wir Politiker aber nicht gut. Deshalb haben wir gesagt: Die Bank hat auch eine Verantwortung für Ihr Geld. – Da das aber nicht so total geht, haben wir gesagt – europäisch einheitlich –: Wenn Sie als Kunde einer Bank bis zu 100 000 Euro geben – 100 000 Euro pro Bank und pro Kunde –, dann sind Ihnen 100 000 Euro sicher; sie werden europäisch abgesichert. Geben Sie der Bank mehr – die meisten von Ihnen haben bestimmt jederzeit mehr als 100 000 Euro abzugeben; wir haben ja viele reiche Leute im Land –, dann ist es nicht mehr ohne Weiteres gesichert. Dann nennen wir es anders: Wir nennen es Wertberichtigung oder Wandlung. Das heißt auf gut Deutsch: Wenn Sie eine Einlage bei Ihrer Bank haben, wird sie in Eigenkapital der Bank gewandelt, das heißt, wenn es der Bank schlecht geht, gehört die Anleihe Ihnen gar nicht mehr – aber nur oberhalb von 100 000  Euro. Jetzt sieht man: Wir geben den Banken Verantwortung, und Sie als Kunden tragen für Beträge oberhalb von 100 000 Euro selbst eine Verantwortung. Bis zu diesem Betrag sichert die Politik ab, dass da nichts passiert.

Diesen Prozess hinzubekommen, dass nichts passiert, wenn eine Bank in Schieflage kommt, ist das große Problem. Was machen Sie als Kunden, wenn eine Bank in Schieflage kommt? Sie lesen davon, Sie hören davon, Sie gehen dahin. Wir nennen es Bank Run. Sie sagen: Ich will dahin und mein Geld zurück. – Es ist aber so: Das Geld, das Sie dort abgegeben haben, hat die Bank ja gar nicht im Tresor. Nur etwa 10 Prozent des Geldes liegt überhaupt dort; alles andere liegt ganz woanders. Wir nennen es Giralgeld. Das ist Geld, das man nicht anfassen kann.

Wenn es jetzt plötzlich – Kollege Hakverdi hat es angedeutet – einen Bank Run in Spanien gibt und der Euro, weil in Spanien etwas passiert, möglicherweise unter Druck gerät, dann sagen wir, weil Deutschland zu Europa gehört: Wir müssen uns um alles kümmern. – Deshalb ist es so wichtig, dass wir den europäischen Blick schärfen, uns breiter aufstellen, um Ihr Geld besser zu schützen, als wenn man einfach für sich bliebe.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Finanzkrise hat uns diese Schlussfolgerung nahegelegt; die Bankenunion wurde geschaffen, um genau solche Schocks abzuwehren, um uns abzusichern.

Es ist ganz einfach: Wenn eine Bank in Schieflage kommt, dann geht es erst mal um die Einlagen, die gewandelt werden; das habe ich schon erzählt. Dann gibt es einen Bankensicherungsfonds, in dem 55 Milliarden Euro drin sein sollen – er ist noch nicht ganz voll –, der dann auch zur Verfügung steht. Und jetzt gibt es etwas, was Backstop heißt, nämlich die letzte Rettung, wenn es ein großes Problem gibt. Da gibt es jetzt den großen Europäischen Stabilitätsmechanismus, und da sind Steuergelder drin. Mit diesen Steuergeldern – das wurde schon erwähnt – wird der Backstop gebildet. Da werden sozusagen die letzten Mittel aktiviert, um das System zu retten. Das Schöne ist: Dieses Geld fließt dann aus dem Bankensystem zurück; das hat Franziska Brantner eben auch erklärt. Es ist ganz wichtig, zu sagen, dass die Banken das zurückzahlen müssen. Diese Kreditlinie der Öffentlichkeit zur Rettung des Systems für die Öffentlichkeit – und das sind wir alle – ist eine ganz gute Idee, die wir verfolgen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wir müssen aufpassen. Die Experten erklären uns immer viel, aber es ist schon so: Die Krisen haben die Experten gemacht, nicht die Laien; die Laien haben darunter zu leiden gehabt. Deshalb bin ich immer vorsichtig, wenn die Experten mir zu viel erzählen. Ich bin ganz stolz darauf, dass die Aufsicht so gut ist. Natürlich ist das alles – Florian Toncar hat es erwähnt – differenziert und nicht total. Total ist immer schlecht; es muss differenziert und angepasst sein. Die Abwicklung muss europäisch einheitlich angepasst sein.

Last, but not least: Die gemeinsame Einlagensicherung fehlt noch. Natürlich kann man die heute nicht machen, weil die Ausgangsbasis schlecht ist. Die SPD – das wurde schon zitiert – hat sogar zweimal beschlossen, sie jetzt nicht zu machen. Logisch! Im Moment haben wir nicht bediente Kredite im Umfang von ungefähr 700 oder 800 Milliarden Euro im Markt. Es gibt in so einem europäischen Austauschsystem noch ungefähr 700 oder 800 Milliarden Euro, die ein Problem machen. Da merkt man schon: Es gibt noch Probleme im Markt. Wir wollen erst die Probleme lösen und das Ganze dann auf eine seriöse Basis stellen. Auf gut Deutsch: Wir wollen, dass die, die die Probleme gemacht haben, sie lösen, und dann kümmern wir uns gemeinsam um die Zukunft und tragen Sorge, um exogene und sonstige Schocks abzuwehren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Insofern: Eine klare Basis, dann eine gute Einlagensicherung für Europa, und dann sind wir für die Zukunft gut aufgestellt.

Deshalb glaube ich: Es ist ganz klug, Ihre noch nicht so gut überlegten Anträge, die aber im Einzelfall mit guten Vorschlägen versehen sind – deshalb müssen wir die auch mitaufnehmen –, abzulehnen. Ich denke, Sie haben nach dem, was Sie heute gehört haben, auch gelernt, dass das klug ist.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Binding. – Als Nächstes erteile ich für die CDU/CSU-Fraktion das Wort dem Kollegen Sepp Müller.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7243546
Wahlperiode 19
Sitzung 37
Tagesordnungspunkt Gemeinsame Einlagensicherung für EU-Banken
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