08.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 37 / Tagesordnungspunkt 23

Timon GremmelsSPD - Ausbaumengen für Windenergie an Land und Solarenergie

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein großer Interessenverband hat unlängst berechnet, wie viel Leistung an erneuerbaren Energien wir jährlich zubauen müssten, damit wir die Pariser Klimaschutzziele erreichen. Je nachdem, ob das ein 80- oder 95-Prozent-Ziel ist, wären das pro Jahr 8,5 Gigawatt bis 10 Gigawatt Zubau: Jahr für Jahr bis 2050.

Die Zahlen selbst überraschen einen nicht, wenn man sich damit auskennt. Überrascht hat mich, dass das keine Studie von Greenpeace oder vom Bundesverband Erneuerbare Energien war. Diese Zahlen entstammen der Studie „Klimapfade für Deutschland“, die der Bundesverband der Deutschen Industrie in Auftrag gegeben hat, meine sehr verehrten Damen und Herren. Schauen Sie sich das einmal genau an! Der Verband steht eigentlich den Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP näher. Dieser Verband schreibt Ihnen einiges ins Stammbuch. Wenn Sie schon nicht uns glauben, dann glauben Sie doch diesem Verband, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Trotz der damit verbundenen Kosten sieht die Studie die Energiewende vor allem als wirtschaftliche Chance. Der BDI sagt: Das ist eine wirtschaftliche Chance für die Volkswirtschaft in Deutschland. – Herr Kollege Dr. Neumann, das entspricht dem, was Sie vorhin über die Marktwirtschaft gesagt haben. Hören Sie also auf den BDI! Dieser sagt: Bei allen durchgerechneten Szenarien im Hinblick auf die Einhaltung der Klimaschutzziele wird für ein höheres Bruttoinlandsprodukt gesorgt. Das ist Wertschöpfung pur, Made in Germany. So werden wir die Energiewende schaffen. Lassen Sie sich das gesagt sein!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle haben wir ein paar Verschwörungstheorien der AfD. Aber, ehrlich gesagt, ist mir meine Energie zu schade, um mich mit Ihnen zu beschäftigen. Da habe ich keine Hoffnung, dass wir Sie noch überzeugen. Ich konzentriere mich auf die FDP und die CDU/CSU. Ehrlich gesagt, müssen wir unseren Koalitionspartner im Zusammenhang mit dem Koalitionsvertrag an die Vertragstreue erinnern. Kollege Lenz hat gerade den Minister zitiert, der von Liebe gesprochen hat. Mir würde schon reichen, wenn der Ehevertrag, der Koalitionsvertrag, eingehalten würde. Da steht klar und deutlich drin: Wir wollen Sonderausschreibungen für die Bereiche Photovoltaik und Windkraft. Das muss umgesetzt werden, und zwar zügig. Hier stehen Sie im Wort. Bitte seien Sie da vertragstreu, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der CSU!

(Beifall bei der SPD – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Gleichfalls!)

Sie reden netzentlastenden Maßnahmen ständig das Wort. Ja, auch wir sind dafür. Im Koalitionsvertrag steht aber auch etwas zur Südquote. Aber ich habe nichts gehört – auch nicht von dem Kollegen der CSU –, was Sie tun, damit Bayern unsere Ziele erreicht. Das wäre aus unserer Sicht sinnvoll. Auch Süddeutschland kann und muss etwas mehr tun im Bereich des Windkraftausbaus. Das größte Hemmnis ist die sogenannte 10H-Regelung, die Länderöffnungsklausel, die wir schon mal hatten. Die hat doch dazu geführt, dass Bayern die Karte gezogen hat und den maximalen Abstand zwischen Windkraftanlagen und Bebauung gewählt hat. Das hat dazu geführt, dass der Windkraftausbau in Bayern nahezu zum Erliegen gekommen ist. Jetzt fordern Sie, Herr Koeppen, das wieder zu machen und ein höheres Abstandsziel festzulegen.

(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Ich will das auch in Brandenburg haben!)

Da frage ich mich doch: Wie wollen wir unsere Klimaschutzziele und Ausbauziele von 65 Prozent bis 2030 erreichen? Sagen Sie mir, wie das gehen soll? Ich glaube, dass das eine Milchmädchenrechnung ist.

(Beifall bei der SPD – Jens Koeppen [CDU/CSU]: Das kann ich Ihnen sagen!)

Natürlich gibt es zahlreiche Studien, die belegen, dass es eben nicht so ist, dass ein höherer Abstand der Windkraft zur Bevölkerung zu mehr Akzeptanz führt. Ich sage Ihnen mal, was wirklich zu mehr Akzeptanz führt. Herr Koeppen, ich lade Sie als meinen Koalitionspartner gern zu mir in den Wahlkreis ein. Wie haben wir das in Kassel gemacht? Bei mir im Wahlkreis haben wir um die 40 Windkraftanlagen.

(Jens Koeppen [CDU/CSU]: 40?! Ich habe 800 bei mir!)

– Kommen Sie mal zu mir, Herr Koeppen, und hören Sie jetzt vor allem mal zu! Dann können Sie noch was lernen. – Wir haben diese Anlagen gebaut zusammen mit den städtischen Werken, den Bürgerenergiegenossenschaften, den Kommunen sowie den Bürgerinnen und Bürgern. Wir haben sie einbezogen in die Planung und in die Finanzierung. Sie sind am Gewinn beteiligt. Das führt dazu, dass manche Gemeinden durch zusätzliche Einnahmen das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei stellen können. Das ist Sozialpolitik, auch mit der Windkraft. Das führt zu Akzeptanz.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich lebe in einer Wanderregion. Wir wandern sehr viel in Nordhessen. Tolle Landschaft! Kommen Sie mal vorbei! Was hat denn die Wanderschule in Nieste bei mir im Wahlkreis gemacht? Sie hat einen Energielehrpfad angelegt. Sie können mittlerweile durch die Söhre oder durch den Kaufunger Wald wandern und lernen, wie die Energiewende funktioniert und welchen Beitrag die Windkraft dazu leistet. Das führt zu mehr Akzeptanz.

Also: Das wären die richtigen Maßnahmen und nicht irgendwelche Länderöffnungsklauseln, die ein Instrument der Verhinderungsplanung sind. Wir wollen die Energiewende ermöglichen und sie nicht verhindern.

(Beifall bei der SPD)

Herr Koeppen, die Einladung steht. Bringen Sie gleich Herrn Dr. Neumann mit. Sie sind herzlich eingeladen, vorbeizukommen.

Lassen Sie uns konkret darüber diskutieren, wie wir die Energiewende beschleunigen können, anstatt hier solche Scheindebatten zu führen. Wir möchten hier endlich etwas tun. Wir möchten bei der KWK vorankommen; da besteht Handlungsbedarf. Wir wollen möglichst zeitnah die beihilflichen Vorgaben der EU-Kommission umsetzen. Sie stehen da auf der Bremse. Es tut mir leid, dass ich heute meinem Koalitionspartner sagen muss, dass er dort etwas bremst und dass aus dem 100-Tage-Erneuerbare-Energien-Gesetz nichts wird. Ich glaube, das ist klar, wenn man den Zeitplan sieht. Aber ich bin zuversichtlich – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt –, dass wir wenigstens ein 200-Tage-Erneuerbare-Energien-Gesetz hinbekommen, wenn wir alle das bevorstehende Wochenende nutzen, um zu uns zu kommen, und uns dann auf das verständigen, was im Koalitionsvertrag steht. Wenn wir das konsequent und nachhaltig umsetzen, dann gelingt uns die Energiewende. Und dafür steht die SPD.

Vielen Dank und Glück auf!

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile das Wort dem Kollegen Mario Mieruch.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7243588
Wahlperiode 19
Sitzung 37
Tagesordnungspunkt Ausbaumengen für Windenergie an Land und Solarenergie
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