Grigorios AggelidisFDP - Aktuelle Stunde: Familienförderung ernst nehmen - Kinderarmut bekämpfen
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Zimmermann, wenn Sie so über diese niedrigen Einkommen klagen: Wie wäre es denn mit einer deutlichen Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, einer deutlichen Entlastung für Arbeitseinkommen? Lieber Herr Weinberg, es ist sehr schön, dass Sie gerade das Thema Entbürokratisierung ansprechen und versprechen. Wir werden Sie beim Wort nehmen, und zwar schon 2019.
(Beifall bei der FDP – Maik Beermann [CDU/CSU]: Sie können uns jetzt schon beim Wort nehmen!)
– Wir werden sehen. – Es ist richtig: Kinderarmut in Deutschland ist ein Problem, dem sich die GroKo bisher nicht ausreichend und nicht dynamisch genug angenommen hat. Wir werden sehen, ob sie es in Zukunft tut. Nur: Die Anrechnung des Kindergelds ist hier eben nicht das zentrale Problem; meine Vorredner haben es schon angesprochen.
(Beifall des Abg. Michael Theurer [FDP])
Der Staat garantiert – wohlgemerkt in einem zu komplizierten Verfahren –, dass die existenzielle Grundversorgung in der Regel gewährleistet ist, so die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie zur Kinderarmut. Das allein reicht aber nicht. Kinder brauchen ein starkes familiäres Umfeld, und wir müssen vor allem die gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe unserer Kinder und der Familien ermöglichen. Das ist zentral.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Beides ist elementar für die Familienförderung und eröffnet Kindern ausreichend Chancen für ihr Leben.
Leider, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, ist Ihre Argumentation das genaue Gegenteil. Ein schlecht funktionierendes System wollen Sie mit nicht finanzierbaren Ideen auch noch verteuern.
(Beifall bei der FDP)
Aus Ihrer Sicht scheint das Geld an den Bäumen zu wachsen, oder Sie glauben – wie manche scherzhaft sagen –, es liegt bei Frau Merkel im Keller.
Nun aber zum Kern des Problems „Familienförderung ernst nehmen und Kinderarmut bekämpfen“. Die Lösung zur Reduzierung der dauerhaften und wiederkehrenden Armutslagen von Kindern ist – egal mit welchem Experten aus der Praxis Sie sprechen –, die familienpolitischen Leistungen zu bündeln, zu vereinfachen und für eine lebensnahe und wirkungsvolle Teilhabe zu sorgen. Das hilft unbürokratisch.
(Beifall bei der FDP)
Das hilft vor allen Dingen armen Kindern unbürokratisch.
Welche Familie steigt schon bei 150 familienpolitischen und dazugehörigen kinderbezogenen Leistungen, die sich teilweise sogar ausschließen oder in ihrer Wirkung aufheben, durch? Zusätzlich sind auch noch unterschiedliche Akteure im Spiel, die für die Auszahlung zuständig sind. Kindergeld und Kinderzuschlag: Familienkasse; das Wohngeld: die Kommune; für das Sozialgeld sowie den Unterhaltsvorschuss ist das Jobcenter zuständig. Für die Leistungen im Bereich Bildung und Teilhabe ist sogar, je nachdem, wer den Anspruch hat, entweder die Familienkasse oder das Jobcenter zuständig. Mittlerweile steigen da die damit beschäftigten Akteure nicht mehr durch.
Im Gespräch mit der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern wurde mir bestätigt, dass wir dringend eine Reform des nicht nur diffusen, sondern dysfunktionalen Systems brauchen. In diesem Bereich brauchen wir endlich eine Anlaufstelle für alle Familienleistungen, damit Eltern nicht mehr von Pontius zu Pilatus laufen müssen und damit Kinder die Leistungen bekommen, die sie benötigen.
(Beifall bei der FDP)
Die Komplexität endet aber nicht bei den Anlaufstellen, sondern geht auch noch bei den zahllosen zu kompliziert formulierten Anträgen und Formularen weiter. Diese sind viel zu kompliziert; das attestieren sogar die Behörden selbst. Teilweise widersprechen sich die Altersgrenzen in den unterschiedlichen Sozialgesetzbüchern. Ich würde doch darum bitten, dass wir dafür sehr zügig gemeinsam einfache Lösungen finden.
Auch deshalb brauchen wir eine einfache und damit einhergehend digitale Verwaltung, damit Eltern und junge Menschen ihre Ansprüche kennen und einfach und – wie ich heute im Ausschuss gehört habe – hoffentlich bald online beantragen können.
(Beifall bei der FDP)
Ein wirklich zukunftsfähiges Konzept müsste genau an diesen Punkten ansetzen. Unser Vorschlag für ein vernetztes Kindergeld 2.0 ist ein gutes Beispiel für ein ganzheitliches Konzept, da es einfach ist, eine einkommensabhängige Komponente hat und gleichzeitig Leistungen vor allem bei Bildung und Teilhabe wirkungsvoll bündelt. Ohne eine solche Reform bleibt leider alles in größten Teilen so, wie es ist.
Im Kern müssen wir aber an die Ursachen ran. Schließlich ist belegt, dass Kinderarmut zumeist dann existiert, wenn die Eltern nicht berufstätig sind. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass sich die Aufnahme von Erwerbstätigkeit für Eltern lohnt. Das erreichen wir durch großzügige und einfach ausgestaltete Zuverdienstmöglichkeiten und -grenzen für Hartz-IV-Empfänger – wir sind gespannt, wie schnell, sinnvoll und wirkungsvoll Ihre Vorschläge sein werden –; so wird Familien schrittweise ein Weg aus der Grundsicherung ermöglicht.
Jeder dieser Schritte reduziert Kinderarmut. Langfristig wollen wir jedem in unserer Gesellschaft ein selbstbestimmtes Leben durch Bildung, Ausbildung, Qualifikation und Teilhabe ermöglichen. Das ist die wichtigste Grundlage für die Armutsbekämpfung. Damit stärken wir unsere Familien und langfristig die Zukunft unserer Kinder.
(Beifall bei der FDP)
Herr Kollege, denken Sie an Ihre Zeit.
Letzter Satz. – Starke Familien, die auf eigenen Beinen stehen, sind damit die richtige Basis für eine chancenreiche Kindheit von starken Kindern und für uns alle.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Die nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Dörner von Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7245351 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 38 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Familienförderung ernst nehmen - Kinderarmut bekämpfen |