14.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 39 / Zusatzpunkt 2

Katharina WillkommFDP - Zivilprozessuale Musterfeststellungsklage

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesjustizministerin hat sich einen Werbespruch, einen Claim, für die Musterfeststellungsklage ausgedacht. „ Eine für alle“ lautet der Claim. Tatsächlich klemmt es beim „alle“, und es klemmt beim „eine“.

Alle, das sind auf Klägerseite ausschließlich bestimmte Verbände. Die Bedingungen für die Klägerverbände im Inland sind sehr eng, über die EU-Ebene aber sind sie unbeherrschbar weit gefasst. Alle, das ist nicht der einzelne Verbraucher, der sich mit anderen zusammenschließt und einen Anwalt seines Vertrauens beauftragt. Wer mit einem Verband geht, der seine Interessen bestmöglich vertreten soll, schaut bei dessen Fehlern in die Röhre; denn die Verbände wollen nicht so haften, wie es ein Anwalt müsste. Alle, das ist nicht der Handwerker um die Ecke, auch wenn er den gleichen Dieselbulli für sein Geschäft gekauft hat wie der Verbraucher für seine Familie. Daran ändert auch der erst gestern eingebrachte Änderungsantrag nichts.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

Bei der Individualklage des Handwerkers kann das Gericht – muss es aber nicht – das Verfahren anhalten bis zur Entscheidung im Rahmen der MFK. Aber weder hat das Musterurteil eine Bindungswirkung – das Gericht kann also im individuellen Fall abweichend urteilen – noch bringt es den Nichtverbraucher weiter, sollte die MFK in einem Vergleich enden. Am Ende kostet es den Handwerker nur noch mehr Zeit.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

Wäre die Musterfeststellungsklage eine Tanne und die offenen Rechtsfragen Christbaumkugeln, wir hätten den schönsten Weihnachtsbaum: kein Leistungstitel am Ende der MFK-Verfahren, unklare Regeln zu unwahrscheinlichen Vergleichen, untote Verjährungen, wie sie das BGB noch nicht gesehen hat, kein rechtliches Gehör im Verfahren und, und, und.

An die Große Koalition: Was ist denn das für ein Pakt für den Rechtsstaat?

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gar keiner!)

Sie verabreden im Koalitionsvertrag mit Mühe 10 neue Richterstellen, und mit diesem einen Gesetz schaffen Sie Arbeit für 100 Richter extra.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Heute früh stimmen wir ab nach dem Motto: „Ab 17 Uhr ist WM – Augen zu und durch“.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist Quatsch! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Alles nicht zutreffend, was Sie sagen!)

Union und SPD prügeln die Musterfeststellungsklage in einem Tempo durch das Gesetzgebungsverfahren, als wär’s ein Euro-Rettungsschirm oder ein Gesetz zur Parteienfinanzierung.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Alles in allem: Wir Freien Demokraten lehnen diesen Gesetzentwurf ab.

Kommen wir zum Antrag der FDP. Seit gut zwei Wochen gilt die DSGVO. Das Gesetz ist neu und kompliziert, Fehler sind schnell passiert. Gerade Vereine und kleine Unternehmen sind unsicher. Groß ist die Sorge, bereits wegen Bagatellverstößen teuer abgemahnt zu werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, Abhilfe zu schaffen.

Erstens. Welche Verstöße sind überhaupt abmahnfähig?

Zweitens. Die erste Abmahnung wegen kleiner unabsichtlicher Fehler bei der Datenschutzerklärung darf nichts kosten. Das wäre unverhältnismäßig. Eine Verwarnung ohne Abmahngebühren zu Beginn muss reichen.

(Beifall bei der FDP)

Drittens. Wir brauchen eine generelle Lösung gegen missbräuchliche Abmahnungen. Für Kleinunternehmen und Start-ups ist der Abmahnmissbrauch ein massives Problem.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Rößner, Bündnis 90/Die Grünen?

Nein. – Der Antrag der Regierungsfraktionen ist an Allgemeinheit nicht zu überbieten. Da muss Ihnen doch mehr einfallen.

(Beifall bei der FDP)

Zur Not schreiben Sie einfach mit. Sie müssen endlich das deutsche Datenschutzrecht vollständig anpassen. Die Umsetzungsfrist für das Internet-Datenschutzrecht haben Sie gerissen, die für das Telemediengesetz haben Sie verpennt.

Letzter Punkt: Datenschutz im Betrieb. Faktisch jedes Unternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten muss einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellen; denn heute verarbeitet nahezu jeder Beschäftigte am Smartphone oder am PC personenbezogene Daten. Von den DSGVO-Vorgaben abgesehen, sollte ein Unternehmen nur dann einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten haben müssen, wenn eine Datenverarbeitung ein besonderes Risiko für die Betroffenen darstellt.

(Beifall bei der FDP)

Vorschriften wie diese atmen noch den Geist der Zeit, als IT-Fachleute Großrechner mit Lochkarten gefüttert haben. Wir brauchen Regeln für die digitale Zukunft.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Amira Mohamed Ali, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7245622
Wahlperiode 19
Sitzung 39
Tagesordnungspunkt Zivilprozessuale Musterfeststellungsklage
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