14.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 39 / Zusatzpunkt 2

Amira Mohamed AliDIE LINKE - Zivilprozessuale Musterfeststellungsklage

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Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Bringen wir es auf den Punkt: Dieser Gesetzentwurf zur Musterfeststellungsklage, den die Regierungsparteien hier im Eilverfahren durch das Parlament jagen, greift zu kurz, er ist verbraucherunfreundlich, und er wird hauptsächlich den Konzernen dabei helfen, für unlautere Geschäftspraktiken nicht zur Verantwortung gezogen zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei sollte die Musterfeststellungsklage eine einfache Möglichkeit sein, mit der die vielen vom Dieselabgasskandal betroffenen Menschen zu ihrem Recht kommen, zum Beispiel zu einer Entschädigung für den Wertverlust ihrer Autos. Am Ende dieses Jahres droht hier vielen Betroffenen die Verjährung ihrer Ansprüche. Mit ebendieser drohenden Verjährung begründen Sie, Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, Ihre Eile. Dabei verschärfen Sie mit diesem Entwurf das Problem zum Teil noch. Ein Formfehler bei der Anmeldung zu Ihrer Musterfeststellungsklage reicht aus, um aus dem Verfahren zu fliegen. Die Betroffenen erfahren das aber nicht sofort, sondern gegebenenfalls erst, wenn die Verjährungsfrist abgelaufen ist. Der Betroffene kann dann nicht mehr allein klagen.

(Michael Frieser [CDU/CSU]: Niedrigere Voraussetzungen kann man nicht fordern!)

Sie, meine Damen und Herren von der SPD und von der Union, brechen Ihre Wahlversprechen. Sie hatten wirklich mehr als genug Zeit, uns hier einen vernünftigen Entwurf vorzulegen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass es jetzt so schnell gehen muss, liegt an Ihrem Versäumnis. Aber auch jetzt gilt: Es gibt einen Unterschied zwischen schnellem und vorschnellem Handeln. In diesem Fall geht es zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Linke sagt: Ihr Vorgehen ist unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Nein, ist es nicht!)

Wir hatten in dieser Woche im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine Expertenanhörung zu Ihrem Gesetzentwurf. Alle Sachverständigen haben dort dargelegt, dass der Entwurf dringend nachgebessert werden muss.

(Christian Hirte [CDU/CSU]: Haben wir auch gemacht!)

Die formalen Hürden sind viel zu hoch. Das wird viele Betroffene abschrecken, ihre Ansprüche zu verfolgen. Einfache Formfehler können die Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, abschneiden.

(Michael Frieser [CDU/CSU]: Gewisse Formalien muss man einhalten!)

Die Zeit zur Anmeldung zum Verfahren ist zu kurz. Viele Betroffene werden deswegen nicht daran teilnehmen können. Die Verjährungshemmung, die Ihnen ja angeblich so wichtig ist und die der Grund ist für Ihre Eile, wird nach Ihrem Entwurf nicht effektiv gewährleistet.

(Christian Hirte [CDU/CSU]: Doch!)

Viele Betroffene werden ihre Ansprüche deswegen verlieren. Warum nehmen Sie das billigend in Kauf? Das ist inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mehrere Sachverständige haben auch darauf hingewiesen, dass es wesentlich besser wäre, die Leistungskomponente in das Verfahren aufzunehmen und eben nicht nur etwas feststellen zu lassen. So wie es jetzt ist, müssen alle Betroffenen nach einer gewonnenen Musterfeststellungsklage noch einmal gesondert auf Leistung klagen, zum Beispiel auf Schadensersatz, jeder für sich, mit vollem Kostenrisiko. Das ist kein effektiver Rechtsschutz.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jens Maier [AfD] – Christian Hirte [CDU/CSU]: Unsinn!)

Auf all diese Dinge hat die Die Linke bereits letzte Woche, im Rahmen der ersten Lesung, hingewiesen. Wir haben einen Entschließungsantrag dazu eingebracht, der genau diese Punkte benennt.

Die Verbraucherschutzverbände stehen nach Ihrem Entwurf vor einem großen Haftungsrisiko, nämlich dann, wenn sie beim Betreiben dieses noch neuen und unnötig komplizierten Verfahrens Fehler machen. Die Gerichte stehen vor einer erheblichen Belastungsprobe. Sie werden das Verfahren, wenn es so bleibt, nicht vernünftig handhaben können.

(Michael Frieser [CDU/CSU]: Mit einzelnen Massenverfahren wird’s doch nicht weniger!)

Das haben die Experten gesagt, auch die Sachverständigen, die Sie, Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, selbst benannt haben. Und wie gehen Sie mit diesen Hinweisen um? Sie verändern zwei, drei Kleinigkeiten, die nur marginal etwas verbessern, und zwingen uns heute in die Abstimmung über dieses Gesetz. Was soll das? Ich meine: Dass Sie mir es nicht glauben wollten, als ich Ihnen letzte Woche gesagt habe, dass das Gesetz so nicht bleiben kann – ja, geschenkt! Aber glauben Sie doch wenigstens den von Ihnen selbst benannten Sachverständigen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Haben Sie die Änderungen gelesen? – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Wir haben es ja geändert!)

Ich habe den Eindruck: Sie wollen gar kein gutes Rechtsmittel schaffen, das den Verbraucherinnen und Verbrauchern wirklich hilft. Ihnen liegen die Interessen der Konzerne, die gegebenenfalls belangt werden könnten, mehr am Herzen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Oh, das war jetzt echt schwach! – Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Die Zukunft wird es ja zeigen! Wir sind da sehr optimistisch! – Andrea Nahles [SPD]: Das können Sie eigentlich besser!)

Die Linke akzeptiert das nicht, und deshalb lehnen wir Ihren verbraucherunfreundlichen und ineffektiven Entwurf ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Jetzt hat das Wort die Kollegin Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7245623
Wahlperiode 19
Sitzung 39
Tagesordnungspunkt Zivilprozessuale Musterfeststellungsklage
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