Sarah RyglewskiSPD - Zivilprozessuale Musterfeststellungsklage
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschließen hier heute einen Meilenstein in der Verbraucherpolitik.
(Beifall bei der SPD)
Deswegen freue ich mich sehr, dass heute der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Klaus Müller, hier dieser Debatte zuhört.
(Beifall bei der SPD)
Mit der „Eine-für-alle-Klage“ können Verbraucherinnen und Verbraucher in Zukunft gemeinsam kostengünstig und ohne großes Risiko ihr Recht gegenüber Unternehmen geltend machen. Was wir mit der Musterfeststellungsklage schaffen, ist ein wirksames Instrument für die Verbraucherinnen und Verbraucher, für die es sich unter anderen Umständen eben nicht lohnen würde, gegen Unternehmen zu klagen, oder die sich eine teure Rechtsschutzversicherung nicht leisten können. Aber Recht und Gesetz dürfen in unserem Land nicht vom Geldbeutel abhängig sein.
(Beifall bei der SPD)
Für alle muss gelten: Wer recht hat, muss auch recht bekommen. Da ist es auch unerheblich, ob die Schadenssumme 20 Euro, 30 Euro oder mehrere 1 000 Euro beträgt. Und deswegen – das betone ich an dieser Stelle ausdrücklich – ist das hier eben keine Lex VW.
(Beifall der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD])
VW war vielleicht der Katalysator für dieses Gesetz und hat dazu geführt, dass auch bei der CDU/CSU die Schwellenangst gegenüber der Musterfeststellungsklage gesunken ist. Aber gerade bei kleinen Schadenssummen ist es doch so, dass die Hürde für die Verbraucherinnen und Verbraucher, individuell zu klagen, sehr hoch ist. Wer klagt denn wegen 30 Euro in einer fehlerhaften Nebenkostenabrechnung?
Dieses Problem besteht auch bei den von Ihnen favorisierten Gruppenverfahren, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen. Auch das ist sehr teuer. Hier ist in solchen Fällen eine schnelle Klärung möglich, und das ist auch gut so; denn das individuelle Rechtsempfinden wird auch bei diesen Summen verletzt. Außerdem ist es auch so, dass es hier zu einem Schaden für den Rechtsstaat kommt, wenn Fehlverhalten nicht geahndet wird und damit am Ende auch noch Gewinne gemacht werden.
Gerade bei diesen kleinen Summen ist das Verfahren über die Verbände, das wir gewählt haben, ein sehr gutes, weil viele Verbraucherinnen und Verbraucher überhaupt erst einmal darauf aufmerksam werden, dass Probleme bestehen und dass sie hier die Möglichkeit hätten, ihr Recht einzuklagen. Das fällt vielen eben nicht auf.
Frau Kollegin, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Gestatten Sie sie?
Nein, wir hatten eben eine sehr emotionale Rede der Kollegin Künast. Ich möchte mich jetzt emotional für die Musterfeststellungklage aussprechen.
(Beifall bei der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Das war keine emotionale Rede! Wenn ich emotional bin, bin ich anders!)
Es ist doch so: Die Verbände, die wir jetzt im Blick haben, kennen sich in dieser Materie gut aus. Ich halte die Verbraucherzentrale Bundesverband für absolut kompetent, um auch in Fällen, in denen der einzelne Verbraucher die Probleme noch gar nicht sieht, solche Verfahren voranzutreiben, Leute gezielt anzusprechen und dafür zu sorgen, dass wir zu einer schnellen Klärung der rechtlichen Situation kommen. Ja, die individuellen Ansprüche müssen im Anschluss im Zweifelsfall alleine eingeklagt werden. Aber glauben Sie denn tatsächlich, dass ein Unternehmen, das sich schon ein Urteil in der Sache abgeholt hat, das Risiko eingeht – insbesondere bei einer entsprechenden medialen Begleitung durch die klagenden Verbände –, sich auch noch eine Klatsche in einer ganzen Reihe von Einzelverfahren abzuholen?
(Zuruf der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das halte ich nicht für ein realistisches Szenario.
(Beifall bei der SPD)
Weil Sie die Aussagen unserer Sachverständigen in der Anhörung so gerne zitiert haben, sage ich: In der Anhörung haben gerade die Sachverständigen, die wir benannt haben, sehr deutlich gesagt, dass sie das für ein taugliches Instrument halten. Natürlich kann man sich immer mehr vorstellen; aber gerade was diesen letzten Punkt, sozusagen die Frage des individuellen Leistungszugangs angeht, waren die Sachverständigen sehr klar: Sie glauben, dass das Thema Schlichtung eine größere Rolle spielt und die meisten Unternehmen dieses Risiko, vor Gericht zu unterliegen, nicht eingehen werden. Ich teile diese Einschätzung.
(Beifall bei der SPD)
Zum Thema Eilbedürftigkeit – damit komme ich dann auch zum Schluss –: Natürlich ist das keine Lex VW; das habe ich vorhin schon gesagt. Das ist aber das prominenteste Beispiel, in dem Verbraucherinnen und Verbraucher massenhaft geschädigt werden. Es wäre doch ehrlich gesagt einfach fahrlässig – das genau würden Sie uns vorwerfen –, wenn wir hier nicht handeln und auf Eile drängen würden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern die Musterfeststellungsklage seit Jahren. Wir freuen uns, dass wir hier und heute in die Umsetzung einsteigen. Wir glauben, dass wir damit einen Meilenstein in der Verbraucherpolitik erreicht haben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Sebastian Steineke, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7245626 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 39 |
Tagesordnungspunkt | Zivilprozessuale Musterfeststellungsklage |