Wolfgang Schäuble - Handelsabkommen mit Kanada und Japan
Hohes Präsidium! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „ Die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht der Mensch für die Wirtschaft.“ So lautet die Maxime, und das sollte die Bewertung jeglichen wirtschaftlichen Handelns sein. Auf dieser Basis sehen wir uns jetzt die internationalen Handelsabkommen an.
Zuerst zum Gesetzentwurf der FDP zu einem Abkommen zwischen Kanada und der EU, auch CETA genannt. Sehr löblich ist, dass eine Oppositionsfraktion den Gesetzentwurf einbringt, wenn von der Regierung dazu nichts kommt. Weniger löblich ist allerdings, dass sich die geistige Arbeit der FDP beim Formulieren des Gesetzentwurfs auf Copy-and-paste beschränkt hat. Ihr Antragstext ist nämlich eins zu eins die Kopie des Textes der Europäischen Kommission zu CETA. Gar nicht löblich ist, dass CETA seit dem 21. September 2017 vorläufig EU-weit angewandt wird, mit Ausnahme vor allem der umstrittenen Sondergerichte, wo doch bisher nur eine Minderheit der Mitgliedstaaten das Abkommen ratifiziert hat. So viel zur Demokratie in diesen Dingen.
(Beifall bei der AfD)
Verwerflich wäre es gar, wenn diese Sondergerichte über die Annahme des CETA-Gesetzes auf einmal existieren würden. Warum? Weil damit eine Handvoll Großkonzerne und internationale Anwaltskanzleien jede freiheitlich-liberale Wirtschaftsordnung eines jeden Staates aushebeln können, weil eine intransparente Paralleljustiz für ein paar eiskalte Bosse dazu führt, funktionierende rechtsstaatliche Ordnungen zu unterminieren – so viel, Herr Lämmel, zu Ihrem Erzählen über Demokratie; das sind rechtsstaatliche Ordnungen, die Milliarden von Bürgern und Millionen von mittelständischen Unternehmen einen verlässlichen Rechtsraum bieten, weltweiten Investitionsschutz inklusive – und weil damit auch eine Klageindustrie in Gang gesetzt wird, in der Steuerzahler gemolken werden, unter missbräuchlichem Einsatz der Sondergerichte. Die Steuerzahler, die das zu bezahlen haben, sind dann nicht nur Arbeiter und Angestellte, sondern genauso auch mittelständische Unternehmer, weil sie nämlich alle zusammen in einem Boot sitzen. – Es wäre wirklich nett, wenn auch die Abgeordneten in der ersten Reihe vor mir einmal zuhören würden.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
CETA ist in diesem Bereich, was die Schaffung einer Klageindustrie angeht, verantwortungslos ausgerichtet, im Sinne prinzipieller Verantwortungslosigkeit für die Folgen eigenen wirtschaftlichen Handelns auf Kosten anderer, wo doch in der sozialen Marktwirtschaft Freiheit und Verantwortung Hand in Hand gehen sollten. Ich denke, der liberale Parteigründer Thomas Dehler würde sich im Grabe umdrehen, wenn er hören würde, zu welch ordnungspolitischem Unsinn die heutige Lindner-FDP und auch Lambsdorff-FDP fähig ist.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Herr Kollege Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rouenhoff aus der CDU/CSU-Fraktion?
Selbstverständlich.
Bitte, Herr Kollege.
Sie haben von Paralleljustiz gesprochen, die mit CETA durch das Investitionsgerichtssystem etabliert würde. Jetzt haben wir ja vor kurzem im Wirtschaftsausschuss eine Anhörung mit Experten durchgeführt, die zum Thema Paralleljustiz Stellung genommen haben. Was sagen Sie denn dazu, dass die Experten gesagt haben, dass man dann, wenn man das Investitionsgerichtssystem als Paralleljustiz bezeichnet, auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als Paralleljustiz bezeichnen müsste? Was sagen Sie dazu?
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben die Experten so nicht gesagt!)
Die Frage ist, ob es die Experten so gesagt haben und ob sie, wenn sie es so gesagt haben, nicht vielleicht recht gehabt haben. – Danke.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Tolle Argumentation!)
Wir hatten gerade festgestellt, dass hier ordnungspolitischer Unsinn im marktwirtschaftlichen Bereich betrieben wird. Am Ende kommt dann eine monopolisierte Feudalwirtschaft nach mittelalterlichem Muster heraus. Warum Feudalwirtschaft? Weil wir dann weltweit nur noch wenige Oligarchen haben werden und ein paar Beamtenapparate wie zum Beispiel in Brüssel, und dann gibt es keinen Platz mehr, weder für freie Bürger noch für freie Unternehmer. Dazu sage ich: Das ist finsterstes Mittelalter 2.0 – made by FDP.
(Beifall bei der AfD)
Damit ist auch die Position der Alternative für Deutschland klar: Wir als freiheitliche Partei positionieren uns im Interesse der Exportnation Deutschland ganz klar und eindeutig für freien Handel und freies Unternehmertum.
(Beifall bei der AfD – Abg. Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Freier Handel zeichnet sich nämlich durch Folgendes aus: Freier Handel zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht behindert wird, weder durch Zölle noch durch Quoten und auch nicht durch nichttarifäre bürokratische Hemmnisse – das ist die Definition von freiem Handel –
Herr Kollege Müller – –
– gern, ich möchte nur den Satz zu Ende bringen –,
Bitte.
– wogegen die ermöglichte Ausplünderung von Staaten, Steuerzahlern und Unternehmern durch einen überzogenen Investitionsschutz mit freiem Handel nichts zu tun hat. Das wird immer durcheinandergehauen; darauf muss man hinweisen.
(Beifall bei der AfD)
So, jetzt gern.
Bitte sehr, Herr Kollege Janecek.
Herr Kollege Müller, Sie haben gerade dafür plädiert, dass die AfD sozusagen im Sinne der deutschen Exportindustrie spricht und handelt. Wie passt das denn zusammen mit Ihrer Aussage im Wirtschaftsausschuss, dass Sie Freihandelsabkommen nicht im Rahmen der Europäischen Union verhandeln möchten, sondern nationalstaatlich? Wie passt das zusammen mit der Aussage von Herrn Gauland, der Herrn Trump mit seinem Vorgehen gegenüber der deutschen Exportindustrie gelobt hat? Wie passt das zusammen mit den Aussagen von Frau Dr. Weidel, die in ihrer Rede vor einigen Wochen hier den Brexit gelobt hat? Sie hat übrigens fälschlicherweise behauptet, dass in Großbritannien das Wirtschaftswachstum über dem Schnitt der Europäischen Union liegt. Sie hat auch fälschlicherweise behauptet, dass Großbritannien unser erster Handelspartner in der Europäischen Union ist. Das ist aber Frankreich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Verehrter Herr Kollege Janecek, das passt sehr gut zusammen. Sehen Sie sich die Zuwachsraten der deutschen Exportwirtschaft an: Als es die EWG, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, noch gab und als es den Euro noch nicht gab, da waren die wesentlich höher als jetzt.
(Lachen des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])
Das heißt, seitdem es die Europäische Union gibt und seitdem es den Euro gibt, sind die Zuwachsraten der deutschen Exportwirtschaft gesunken
(Beifall bei der AfD – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Ahnung! So ein Quatsch!)
im Vergleich zu den Wachstumsraten der anderen Exportnationen.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sie sind ja Alchimist!)
Das ist ein volkswirtschaftlicher Zusammenhang und eine Tatsache.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Meine Güte!)
Ich danke für Ihre Frage.
(Beifall bei der AfD)
Aus den genannten Gründen können wir CETA nicht zustimmen.
Jetzt eine kurze Analyse des Antrags der Linken, einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung des JEFTA-Abkommens zwischen der EU und Japan abzulehnen. Im JEFTA- ist es wie im CETA-Abkommen. Mächtige Ausschüsse sollen dort geschaffen werden, die nachträgliche Veränderungen zum Vertragstext und auch Anhänge eigenmächtig beschließen können, ohne dass eine demokratische Rückbindung an den zuständigen Gesetzgeber erfolgt. – Das ist das eine.
Wenn wir schon über den Wirtschaftsausschuss reden: Gestern haben alle Kollegen der Altparteien laut aufgejault, als ich gesagt habe, dass der EU-Apparat inzwischen ein Eigenleben entwickelt hat, das die gesamte demokratische Legitimation der Europäischen Union infrage stellt. Genau das begründe ich jetzt auch sehr gern für Sie.
(Beifall bei der AfD)
Wie verhält sich die Union, die Europäische? Nach dem Motto „zwei Schritte vor, einen zurück“ usurpiert Brüssel peu à peu die Macht. Diesen einen Schritt zurück geht Brüssel aber immer nur dann, wenn wir die EU dabei erwischen und dagegen opponieren. Lassen wir doch mal den EU-Obermeister Juncker mit seinen eigenen Worten sprechen – ich zitiere –:
Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.
Entschuldigen Sie, diese ganzen genannten demokratiefeindlichen Entwicklungen bestätigen uns, die Alternative für Deutschland, darin, dass wir mit unserer Fundamentalkritik an der Europäischen Union total richtigliegen.
(Beifall bei der AfD)
Bei JEFTA ist weiterhin problematisch: Der Anteil genveränderter Lebensmittel und der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft in Japan ist im Vergleich zu Deutschland und Europa viel höher. Da kann ich jedem, der für dieses Abkommen ist, nur sagen: Auch Sie werden das essen müssen, was von dort kommt, und Gesundheit haben wir nur eine, alle zusammen, egal zu welcher Fraktion wir gehören.
(Beifall bei der AfD)
Deswegen lehnen wir JEFTA in dieser Form ab.
Zum Antrag der Grünen, JEFTA fair nachzuverhandeln. Es ist korrekt: 1 000 Seiten Vertragstext hätten husch, husch durchgewunken werden sollen, damit wir Bürger nichts davon mitbekommen. So geht es nicht. Insofern unterstützen wir den Antrag, das JEFTA-Abkommen jetzt fair nachzuverhandeln.
Sonst bleibt mir nur noch zu sagen: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Regierung Merkel zurücktreten sollte.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der AfD)
Nächster Redner ist der Kollege Markus Töns, SPD.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7245638 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 39 |
Tagesordnungspunkt | Handelsabkommen mit Kanada und Japan |