14.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 39 / Zusatzpunkt 3

Markus TönsSPD - Handelsabkommen mit Kanada und Japan

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu CETA könnte man jetzt noch ganz viel sagen, unter anderem zu dem, was die FDP noch vortragen wird und uns vorgelegt hat. Das haben wir auch schon häufig gemacht.

Ich will nur auf zwei Dinge hinweisen. Der EuGH und das Bundesverfassungsgericht haben Beschwerden vorliegen, und wir werden ihre Entscheidungen abwarten, bevor wir eine Entscheidung treffen. Alles andere erübrigt sich zu dieser Zeit.

Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie uns über drei Dinge reden – ich glaube das ist ganz spannend heute –: über die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Europäischem Parlament, darüber, was die EU in der Handelspolitik dazugelernt hat, und darüber, wie wir Europäer zukünftig Handelspolitik gestalten wollen; das ist nämlich viel wichtiger, gerade nach dem G‑7-Gipfel am letzten Wochenende.

Kommen wir erstens zur Zuständigkeitsverteilung. Der Antrag der Linken zeigt hier doch ein großes Unverständnis. Da heißt es, dass der Bundestag das Abkommen mit Japan nicht ratifizieren muss, sei eine weitere Entdemokratisierung der EU-Handelspolitik.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Genau!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen Sie eigentlich nicht, dass das Abkommen vom Europäischen Parlament ratifiziert wird, und halten Sie das Europäische Parlament für nicht demokratisch?

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Doch! Aber nicht ausreichend!)

Das finde ich schon eine sehr bemerkenswerte Sache.

Mit dem Vertrag von Lissabon haben wir der EU die Kompetenz für die gemeinsame Handelspolitik übertragen. Das ist jetzt neun Jahre her. Und jetzt kommen Sie und beschweren sich, dass die EU ein Abkommen abschließt, das genau in diese Kompetenz fällt. Ihr Antrag kommt, um das klar zu sagen, neun Jahre zu spät.

Die EU tut nichts weiter, als ihre Zuständigkeit wahrzunehmen, und das wissen Sie auch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, sonst hätten Sie ja keine Stellungnahme vorgelegt, sondern eine Subsidiaritätsrüge. Die EU hat sich ihre Zuständigkeit nicht selbst gegeben; sie wurde ihr von den Mitgliedstaaten übertragen. Die neue Architektur von Handelsabkommen ist nichts weiter als die Umsetzung dieser Zuständigkeitsverteilung in die Praxis.

Für die gemeinsame Handelspolitik heißt das: Der Bundestag kann sich weiter einbringen. Er kontrolliert die Bundesregierung im Rat und kann ihr Verhalten durch Stellungnahmen beeinflussen. Das Recht zur Ratifikation liegt beim Europäischen Parlament. Deshalb wundert es mich schon, wenn Die Linke hier damit auch den Vertrag von Lissabon infrage stellt.

Der zweite Punkt, den ich erwähnen möchte: was die EU in der Handelspolitik dazugelernt hat. Oft hören wir, die EU habe überhaupt nichts dazugelernt. Auch die Grünen machen sich in ihrem Antrag diese Kritik zu eigen. Der Abschluss des Abkommens erfolge zu schnell; das würde die parlamentarische Beratung erschweren.

Der Text des Japan-Abkommens ist seit mehr als einem halben Jahr auf der Internetseite der EU-Kommission veröffentlicht. Im Übrigen ist es schon sehr merkwürdig, davon zu sprechen, dass die Zeit für eine parlamentarische Behandlung nicht ausreiche. Liebe Kolleginnen und Kollegen, worüber reden wir denn gerade? Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass die Zeit nicht ausreiche, um eine fundierte Stellungnahme abzugeben.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, der Antrag ist schon lange zurückgezogen!)

Sie selbst haben ja gleich zwei Anträge formuliert; davon haben Sie einen zurückgezogen. Daraus muss ich schließen, dass Sie Ihre eigenen Anträge für nicht fundiert halten. Ich habe den Eindruck, dass Ihre Haltung schon feststand,

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

bevor Sie überhaupt einen Blick in die entsprechenden Handelsverträge geworfen haben. Sie hatten da schon eine feste Meinung und wollten das Abkommen am liebsten ablehnen.

Herr Kollege Töns, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dröge?

Gerne.

Bitte, Frau Kollegin.

Herr Kollege Töns, da Sie nicht verstanden haben, warum wir einen Antrag zum ordentlichen parlamentarischen Beratungsverfahren eingebracht haben, würde ich Ihnen gerne eine Frage stellen: Ist Ihnen bewusst, dass wir über das Abkommen CETA über ein Jahr im Deutschen Bundestag beraten haben, dass wir Expertenanhörungen in mehreren Ausschüssen durchgeführt haben, dass sogar eine EU-Konsultation zu den Schiedsgerichten stattgefunden hat, die noch mal zu Veränderungen im Abkommen geführt hat?

Da wir auf der einen Seite bei CETA auf diese Weise vorgegangen sind und uns auf der anderen Seite das JEFTA-Abkommen im April zur parlamentarischen Beratung im Bundestag zugeleitet wurde, ohne dass wir Expertenanhörungen durchführen können, ohne dass wir eine öffentliche Diskussion mit der Zivilgesellschaft führen können, frage ich mich: Wo ist Ihr Anspruch als Abgeordneter, der doch eigentlich die Aufgabe hat, die Zivilgesellschaft mitzunehmen auf dem Weg zu etwas, von dem Sie glauben, dass es richtig ist?

Mein Eindruck in diesem Verfahren ist, dass Sie hinter CETA zurückfallen, dass Sie nichts aus den Debatten der Vergangenheit gelernt haben. Wenn Sie mit uns hätten diskutieren wollen, dann hätten wir beispielsweise auf die Frage eingehen können, ob der Klimaschutz im JEFTA-­Abkommen ausreichend verankert wurde, wie das Vorsorgeprinzip aussieht.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Ist das eine Frage oder eine Rede? Tut mir leid, das ist keine Frage!)

Mit all diesen Punkten hätten Sie uns überzeugen können, wenn Sie eine gesellschaftliche Mehrheit haben wollten.

Unsere Funktion als Parlamentarier ist es eben nicht nur, selber die Texte zu lesen, sondern auch stellvertretend für die Öffentlichkeit ein Forum zu schaffen, in dem man Argumente austauscht, um zu informieren und die Bevölkerung mitzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Reinhard Houben [FDP]: Nehmen Sie doch die Zeit von Ihrer Rede weg! – Dr. Alice Weidel [AfD]: Wo ist die Frage?)

Frau Kollegin.

Deswegen ist die Frage an Sie: Was ist eigentlich Ihr Selbstverständnis als Abgeordneter, wenn Sie all diese Instrumente nicht nutzen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kollegin Dröge, mein Selbstverständnis als Abgeordneter – und übrigens auch als Europäer – ist, zu akzeptieren, dass Handelspolitik seit dem Vertrag von Lissabon auf der europäischen Ebene angesiedelt ist. Wir, die Europäische Kommission und Europa haben aus den langen Debatten über CETA – wobei Sie wissen, dass es ein gemischtes Abkommen ist und deshalb hier im Bundestag ratifiziert werden muss – gelernt, auf europäischer Ebene Handelsverträge als EU-only-Verträge abzuschließen. Wenn es um Investitionsschutz und um die gemischten Teile geht, dann wird der Bundestag mitberaten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon Gabriel wollte verhindern, dass wir hier diskutieren! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihnen ist schon bewusst, dass die Bundesregierung abstimmen muss?)

Sie hatten seit einem halben Jahr die Chance, sich mit diesem Abkommen auseinanderzusetzen. Es gab dazu übrigens auch Drahtberichte.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht öffentlich!)

– Nicht öffentlich. – Aber wenn Sie jetzt sagen, Sie hätten dazu keine Informationen gehabt, dann ist das schlichtweg falsch.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir doch gar nicht gesagt!)

Um das deutlich zu sagen: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben es uns nicht leicht gemacht. Wir haben miteinander diskutiert, wir haben um das beste Argument gestritten. Erst dadurch haben wir erreicht, dass die EU-Kommission in allen Investitionsschutzabkommen demnächst auf transparente öffentliche Gerichte anstatt auf private Schiedsgerichte setzt. Für die Menschen macht es sehr wohl einen Unterschied, ob ein Verfahren, an dem ihre Regierung als Beklagte beteiligt ist, öffentlich geführt wird oder nicht.

Erst letzte Woche hatten wir eine Expertenanhörung zum Investitionsschutz. Der überwiegende Teil der Experten, übrigens Juristen mit Erfahrung auf dem Gebiet des Völkerrechts, hat gesagt: Ja, ein multilateraler Investitionsgerichtshof ist wesentlich transparenter als private Schiedsgerichte. – Und das soll keine Verbesserung sein?

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist doch gar nicht hier vorliegend!)

Und ist es etwa keine Verbesserung, wenn die Kommission in allen Verhandlungen über Handelsabkommen auf hohe Standards für Umwelt und Arbeitnehmerrechte setzt?

Die Kommission verhandelt gerade die letzten Details für die Modernisierung des Globalabkommens mit Mexiko.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Anhörung ist was anderes!)

Ich sage das auch an die FDP gerichtet: Man bekommt manchmal den Eindruck bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wüssten nicht, dass es auch noch andere Handelsabkommen außer CETA gibt.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Was? Herr Töns, ich war 13 Jahre im Europäischen Parlament! Im Handelsausschuss! Ich war Berichterstatter für Handelsabkommen! Wir wissen das!)

In der modernisierten Version des Abkommens mit Mexiko wird es jetzt endlich auch ein Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung geben. Außerdem werden erstmalig verbindliche Bestimmungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Korruption verankert. Sie sagen, das sei keine Verbesserung?

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Die haben keine Ahnung!)

Sicherlich kann man sagen: „Das ist alles noch nicht genug“, und sicherlich sollte unser aller Bestreben sein, mehr Nachhaltigkeit, höhere Umweltstandards und Arbeitnehmerrechte zu vereinbaren.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was tun Sie dafür? – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der erste vernünftige Satz!)

Ich will Ihnen aber auch etwas verraten. Die Kommission handelt nicht freischwebend. Sie ist an die Mehrheiten im Rat und im Europäischen Parlament gebunden. Wenn man das zugrunde legt, kann man doch sagen, dass die Kommission eine ganze Menge dazugelernt hat, meine Damen und Herren. Wer das verkennt, der verkennt auch die politischen Gegebenheiten, unter denen die Kommission arbeitet.

Ein weiterer Punkt, den ich noch erwähnen möchte: Wie sollte zukünftig unsere Handelspolitik gestaltet sein auf europäischer Ebene? Das Handelsabkommen mit Japan kann nicht isoliert betrachtet werden. Die EU hat parallel dazu ein strategisches Partnerschaftsabkommen ausgehandelt, das die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Japan auf eine neue Ebene heben wird. Das Abkommen setzt einen neuen rechtlichen Rahmen, zum Beispiel bei der Bekämpfung des Klimawandels, beim Katastrophenschutz und bei der Energiesicherheit. Die Umsetzung der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens wurde explizit im Freihandelsabkommen bekräftigt.

Meine Damen und Herren, vielleicht noch wichtiger als die Kooperation in jedem einzelnen Bereich ist aber der Wille zum Kompromiss in der Politik. Dass sich hier zwei wirtschaftlich starke Partner bereit erklären, sich einem verbindlichen rechtlichen Regelwerk unterzuordnen, ist keine Selbstverständlichkeit, ist aber nach meiner Meinung in dieser Handelspolitik vor dem Hintergrund des G‑7-Gipfels und der US-Zölle umso notwendiger. Das funktioniert nur, wenn wir bereit sind, auf alle anderen EU-Staaten und unsere Handelspartner einzugehen. Am Ende muss ein Abkommen allen 27 Mitgliedstaaten gerecht werden; das ist im Übrigen die Idee von ­„Europe United“. Eine regelgebundene internationale Ordnung kommt langfristig allen zugute. Mit dem Japan-Abkommen kann die EU ein Zeichen setzen als verlässlicher und stabiler Partner in der internationalen Handelspolitik.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Alexander Graf Lambsdorff, FDP.

(Beifall bei der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7245640
Wahlperiode 19
Sitzung 39
Tagesordnungspunkt Handelsabkommen mit Kanada und Japan
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