14.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 39 / Tagesordnungspunkt 6

Frank SchwabeSPD - Menschenrechtsverletzungen - Fußball WM 2018

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß gar nicht, wie Sie Ihre Rede schreiben,

(Zuruf von der SPD: Lassen!)

Herr Braun, ob Sie einfach 20 Hasswörter nehmen und dann Ihren Mitarbeitern sagen: Fangen Sie was damit an!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der AfD)

Eines haben Sie vergessen: Sie hätten vielleicht auch eine Bewertung vornehmen können zu deutschen Fußballfans, die ihren Wohnort im Ausland haben.

(Zurufe von der AfD: Oh!)

Es wäre vielleicht eine spannende Frage, ob die eigentlich auch so richtig mitjubeln dürfen bei dieser WM.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Zu wem hält eigentlich Frau Weidel, zu welchem Land?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will zu Beginn sagen: Sport macht Spaß, und Sport ist gesund; am besten im Übrigen, wenn man ihn aktiv betreibt und nicht nur passiv mit der Chipstüte vor dem Fernseher. Und: Die Fußball-WM kann Freude machen. Manchmal wird ja gefragt: Darf man sich denn freuen? Natürlich darf man sich auf diese Fußball-WM freuen. Aber: Sport findet genauso wie Kunst und Kultur und anderes in der Gesellschaft nicht im luftleeren Raum statt, sondern hat selbstverständlich eine politische Dimension. Im Übrigen: Auch das Abstreiten einer politischen Dimension hat eine politische Dimension. Deswegen ist es richtig, dass wir darüber reden, und deswegen will ich mich bei den Grünen und der FDP auch bedanken, dass sie uns heute dazu die Gelegenheit geben.

Auch das sage ich sehr klar: Niemand fordert einen Boykott dieser Fußball-WM; diese Forderung gibt es nicht; sie wird von niemandem erhoben. Niemand betreibt undifferenziertes Russland-Bashing. Niemand hat im Übrigen gefordert, dass es absolut ausgeschlossen sein muss, dort irgendwie hinzureisen. Aber es muss auch klar sein, dass man sich, wenn man da hinreist, darüber klar sein muss, dass das Ganze in einem politischen Umfeld stattfindet.

Ich finde, dass der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Dirk Wiese, es heute eigentlich absolut richtig deutlich gemacht hat: Es ist gut und richtig, auch Besuche stattfinden zu lassen, aber man muss immer wissen, dass es ein Rahmenprogramm für solche Besuche geben muss – ein Rahmenprogramm, in dem hingewiesen wird auf das völkerrechtswidrige Handeln Russlands in der Ukraine und darauf, dass es Einschränkungen der Zivilgesellschaft gibt, die für uns nicht akzeptabel sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Russland ist eine Fußballnation. Es ist vielleicht nicht immer so gut, aber es ist eine Fußballnation; und das ist übrigens der Unterschied zu Katar. Die Vergabe an Katar finde ich auch vor dem Hintergrund dessen, was Katar fußballerisch so tut oder nicht, ziemlich absurd. Deswegen kann man eine Fußballweltmeisterschaft in Russland stattfinden lassen. Es ist richtig, den Dialog mit Russland zu suchen und zu führen, auch im Rahmen dieser WM. Aber es ist eben unerlässlich, darauf hinzuweisen, dass es massive Menschenrechtsverletzungen in Russland gibt, dass die Pressefreiheit massiv eingeschränkt ist. Es ist schon darauf hingewiesen worden: Platz 148 von 180; da ordnet jedenfalls Reporter ohne Grenzen Russland hinsichtlich der Pressefreiheit ein.

Deswegen, glaube ich, muss für uns klar sein, dass es vollkommen inakzeptabel ist – das müssen wir im Deutschen Bundestag auch breit deutlich machen –, dass am Ende Hajo Seppelt nicht in dieses Land reisen kann, weil er dort nicht sicher genug ist. Das ist, glaube ich, etwas, was der Deutsche Bundestag gemeinschaftlich zurückweisen muss.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Die Einschränkungen der Zivilgesellschaft sind ebenfalls indiskutabel. Russland liefert mit dem Gesetz gegen ausländische Agenten geradezu die Blaupause für viele Staaten der Welt, die Zivilgesellschaft zu unterdrücken. Der Umgang mit Homosexuellen und anderen LGBTI-­Personen ist indiskutabel.

(Beifall der Abg. Gabriela Heinrich [SPD])

In ganz Russland, aber insbesondere im Nordkaukasus, in Tschetschenien vorneweg, gibt es wirklich absolut unhaltbare Zustände. Wir reden von schwersten Gewaltverbrechen bis hin zu Morden, über die berichtet wird. Der Staat unterstützt das durch Hasskommentare oder durch Wegsehen oder durch Straflosigkeit oder gar noch Verhöhnung der Opfer. Und dass Sport eben nicht unpolitisch ist, kann man daran sehen, dass die ägyptische Nationalmannschaft das Trainingsquartier in Tschetschenien hat. Ich glaube, es ist vollkommen klar, dass das ein Akt ist und dass die Bilder mit Herrn Kadyrow völlig unangemessen sind. Es wäre gut gewesen, wenn die FIFA darauf hingewirkt hätte, dass dieses Trainingsquartier sich nicht dort befindet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Russland verweigert die Zusammenarbeit mit vielen Institutionen des Europarats. Russland akzeptiert viele Urteile des Menschenrechtsgerichtshofes nicht, lässt viele Berichterstatter des Europarats nicht einreisen, zum Beispiel auf die Krim oder mich persönlich in den Nordkaukasus; ich bin dort Berichterstatter für den Europarat. Russland verstößt gegen internationales Recht durch die Annexion der Krim und durch das Verhalten in der Ostukraine.

Ich will auch darauf eingehen: Wir haben viele Fälle von ukrainischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern, die in Russland im Gefängnis sitzen, mit absurden Vorwürfen und absurden Gerichtsurteilen. Oleg Senzow, der gerade in den Hungerstreik getreten ist, ist ein solcher prominenter Fall.

Ich will positiv vermerken, dass die FIFA sich neue Regeln gegeben hat, die sich anlehnen an die Regeln, die auch für multinationale Konzerne gelten sollen. Das ist absolut positiv. Negativ ist, dass davon bisher scheinbar nicht ausreichend Gebrauch gemacht wurde. Den Fall der ägyptischen Nationalmannschaft habe ich schon angesprochen; aber auch der Einsatz von nordkoreanischen Zwangsarbeitern gehört dazu. Auch das sind Themen, die wir ansprechen müssen.

Deswegen noch mal: Freude an der Weltmeisterschaft ist gut. Dialog mit Russland ist gut. Aber im Bewusstsein dieser Lage ist es auch richtig, solche Menschenrechtsverletzungen zu thematisieren und von Russland Abhilfe zu fordern. Das ist, glaube ich, ganz im Sinne der Betroffenen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Vielen Dank, Frank Schwabe. – Die nächste Rednerin, die ihre erste Rede im Deutschen Bundestag hält – dazu halten wir Ihnen jetzt die Daumen –, ist Britta Dassler von der FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/cvid/7245711
Wahlperiode 19
Sitzung 39
Tagesordnungspunkt Menschenrechtsverletzungen - Fußball WM 2018
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