Matthias BartkeSPD - Arbeitsförderungsrecht
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass der heutige Tag nicht nur von dem Geschwisterstreit zwischen CDU und CSU geprägt ist, sondern dass wir auch noch ein ganz wunderbares Gesetz zur Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderung auf den Weg bringen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Och nee, alles ist toll!)
Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, jeder von Ihnen hat es heute schon einmal gemacht. Wir kommunizieren ständig online. Die Digitalisierung macht das möglich. Für viele Menschen macht sie die Dinge einfacher. Auch Menschen mit Behinderung profitieren ganz massiv von der Digitalisierung.
Kürzlich hat ein gehörloser Autor beschrieben, wie das Internet für ihn lange der Inbegriff der Barrierefreiheit gewesen ist. Ich zitiere:
Chat-Nachrichten, Foren – plötzlich war mühelose Kommunikation per Text möglich. Kein anstrengendes Lippenlesen mehr, Videos gab es sowieso keine, und wenn, dann hängte sich der Player auf.
In diesem kurzen Zitat steckt schon das ganze Dilemma: Die Digitalisierung birgt riesige Chancen, aber sie hat auch das Potenzial für neue Barrieren. Videos beispielsweise hängen sich inzwischen nicht mehr auf, dafür sind sie auf Social-Media-Kanälen aber gang und gäbe geworden. Für Gehörlose sind sie allerdings nur nachvollziehbar, wenn sie auch Untertitel haben. Wir wollen Menschen mit Behinderungen in unserer digitalisierten Wert teilhaben lassen, dann müssen wir aber auch dafür sorgen, dass bestehende digitale Barrieren verschwinden und neue gar nicht erst entstehen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das gibt uns allein die UN-Behindertenrechtskonvention vor, meine Damen und Herren.
Ich finde es daher großartig, dass wir mit dem Gesetzentwurf gleich eine ganze Reihe von Verbesserungen in diesem Bereich auf den Weg bringen. Das fängt damit an, dass wir den Anwendungsbereich für digitale Barrierefreiheit von Trägern öffentlicher Gewalt auf öffentliche Stellen des Bundes ausweiten. In Zukunft sind beispielsweise also auch das Goethe-Institut, das Deutsche Rote Kreuz und – Herr Beeck – auch die Deutsche Bahn verpflichtet. Ist das nicht wunderbar? Bisher war es so, dass digitale Barrierefreiheit schrittweise umgesetzt werden sollte. Nur, wie groß diese Schritte sein sollten und bis wann sie gemacht werden sollten, das war eben nicht definiert. Dem setzen wir ein Ende, meine Damen und Herren.
Von nun an gelten klare Fristen, bis wann Webseiten und mobile Anwendungen barrierefrei sein müssen. Das hat uns die Richtlinie so vorgegeben. In unserem Änderungsantrag haben wir darüber hinaus auch eine konkrete Frist für elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe eingeführt. Wir haben auch klargestellt, dass die grafischen Programmoberflächen weiterhin von der barrierefreien Gestaltung umfasst sind – Herr Pellmann, Sie hätten es lesen können – und – soweit möglich – auch die Angebote auf Webseiten Dritter. Das war ein wesentliches Ergebnis der Verbändeanhörung vom Montag; also auch das Video, das öffentliche Stellen auf Facebook einstellen, muss barrierefrei sein, wenn Facebook die Möglichkeit dazu bietet.
(Beifall bei der SPD)
Das Gute an diesem Gesetzentwurf ist übrigens, dass wir nicht nur neue Verpflichtungen schaffen. Gleichzeitig haben wir auch ein ganzes Paket mit Maßnahmen zur Durchsetzung der digitalen Barrierefreiheit geschnürt. Alle öffentlichen Stellen des Bundes müssen zukünftig eine Erklärung zur Barrierefreiheit ihrer Webseiten und Apps veröffentlichen. Sie müssen darin begründen, wenn sie – ganz wichtig – ausnahmsweise keine vollständige barrierefreie Gestaltung gewährleisten. Außerdem wird es einen Feedback-Mechanismus geben. Damit können Nutzerinnen und Nutzer zurückmelden, wenn immer noch Barrieren bestehen. Diese Möglichkeit ist von allergrößtem Wert; denn die Beratungspraxis der Fachstelle für Barrierefreiheit hat schließlich gezeigt, dass es in den seltensten Fällen am Unwillen liegt, dass Webseiten nicht barrierefrei sind. Es fehlt meistens einfach nur an Wissen. Da werden die Rückmeldungen der Betroffenen in Zukunft ein ganz anderes Bewusstsein schaffen.
Einen ähnlichen Effekt wird auch die neu eingerichtete Überwachungsstelle haben. Sie wird innerhalb weniger Jahre nahezu jede öffentliche Stelle des Bundes in der einen oder anderen Weise getestet haben. Das wird Missstände aufdecken, wo es sie noch gibt, und die barrierefreie Gestaltung kräftig voranbringen. Zu guter Letzt stärken wir das Schlichtungsverfahren, durch das Einzelne wie auch Verbände ihre Rechte geltend machen können. Die SPD-Fraktion hat hier noch eine wesentliche Verbesserung erreicht: Zukünftig wird ein Schlichtungsverfahren die Klagefrist unterbrechen. Das ist ein großer Vorteil für die Betroffenen; denn Klagen müssen dann nicht mehr parallel zur Schlichtung eingereicht werden, und die Schlichtung muss nicht unter Zeitdruck erfolgen.
Meine Damen und Herren, mit dem Gesetzentwurf und unserem Änderungsantrag machen wir die öffentlichen Stellen zu den Taktgebern für digitale Barrierefreiheit.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Dr. Bartke. – Der nächste Redner in der Debatte: Uwe Witt für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7245828 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 39 |
Tagesordnungspunkt | Arbeitsförderungsrecht |