Michael SchrodiSPD - Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei Straftaten
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Man kann wie die AfD immer am Thema vorbeireden und das Thema verfehlen oder dazu sprechen. Ich spreche dazu und zu dem Antrag der FDP, der zunächst eingebracht, dann wieder zurückgezogen und durch den Antrag zum Thema Nachzahlungszinsen – auf ihn freue ich mich auch schon – ersetzt wurde. Dann folgte wieder die Rolle rückwärts.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Zur Sache, Schätzchen!)
Wieso? Weil es ein Schaufensterantrag der FDP ist, in sich widersprüchlich und in den Teilen auch peinlich. Das hat man auch gemerkt.
(Beifall bei der SPD)
Sie fordern nämlich die Bundesregierung auf, „darauf hinzuwirken, dass Körperschaften, deren Repräsentanten bei der Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks der Körperschaft gegen die geltenden Strafgesetze verstoßen oder zu einem solchen Rechtsbruch aufrufen, grundsätzlich nicht mehr in den Genuss der Steuerbegünstigung der Gemeinnützigkeit kommen dürfen“.
(Beifall bei der SPD und der FDP – Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Richtig! Sie haben es doch verstanden!)
Das ist so, als würde man die FDP auffordern müssen, Klientelpolitik für Superreiche zu machen, sehr geehrte Damen und Herren von der FDP.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Denn diese Aufforderung ist völlig unnötig. Denn alles ist in der Abgabenordnung oder im Anwendungserlass bereits geregelt. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft hat sich nach § 52 der Abgabenordnung an deren Tätigkeit auszurichten; sollte sie gegen Strafgesetze verstoßen, zu Rechtsbruch aufrufen oder ihn rechtfertigen, ist die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit bereits nach geltendem Recht ausgeschlossen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Zu den Repräsentanten ist der Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 63 Nummer 5 zu zitieren:
Die tatsächliche Geschäftsführung muss sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung halten, da die Rechtsordnung als selbstverständlich das gesetzestreue Verhalten aller Rechtsunterworfenen voraussetzt.
Es ist ein Schaufensterantrag, und alles ist schon geregelt, meine sehr geehrten Damen und Herren von der FDP.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das gilt auch für den zweiten Teil Ihres Antrags.
In Ihrem Antrag beziehen Sie sich auf zwei Dinge, olle Kamellen. Das eine ist eine PETA-Kampagne aus dem Jahr 2004,
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: 2012 ist die in höchstrichterlicher Instanz verboten worden!)
die widerlich ist und die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Wegen des guten Geschmacks? Wegen Holocaust-Verunglimpfung! Unglaublich!)
Den zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch hat das Landgericht Berlin in seiner Entscheidung am 22. April 2004 gestützt, aber keinen Straftatbestand festgestellt.
Zum anderen wird PETA die Legitimation von Gesetzesbrüchen in Bezug auf Stalleinbrüche vorgeworfen. Man muss festhalten: Rechtlich sind Stalleinbrüche in Deutschland tatsächlich derzeit nicht unbedingt in jedem Fall per se strafbar, so ein Urteil des OLG Naumburg vom 22. Februar 2018. Hier greift noch immer die Gewaltenteilung. Da haben die Gerichte entschieden, meine sehr geehrten Damen und Herren von der FDP.
(Beifall bei der SPD)
Letztendlich steckt etwas ganz anderes hinter diesem Antrag.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Jetzt kommt es!)
Das Ansinnen der Landwirtschaftspolitiker Ihrer Partei ist, PETA die Flügel zu stutzen und einzuschüchtern. Als Hebel dafür fungiert die Gemeinnützigkeit. Ich frage mich: Was ist eigentlich aus der alten Bürgerrechtspartei FDP geworden,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Wir sind eine Rechtsstaatspartei, Kollege!)
und das in Zeiten, in denen andere Organisationen ebenfalls unter Druck stehen, wie Attac oder BUND, weil sie sich politisch einmischen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das belegt zum Beispiel die Studie „Engagiert euch – nicht!“ des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement. Gemeinnützigen Organisationen ist eine Beeinflussung der politischen Meinungsbildung durchaus erlaubt.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Darum geht es überhaupt nicht, dass sie Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen können, verdammt noch mal!)
Das zeigt beispielsweise das Urteil des hessischen Finanzgerichtshofs vom 6. April 2017, in dem festgehalten wird: Die Anknüpfung an tagespolitische Ereignisse sei oft nicht zu vermeiden. Ich sage: Sie ist nicht nur nicht zu vermeiden. Politische Meinungsbildung ist vielmehr Teil einer demokratischen Gesellschaft und einer pluralistischen Debatte, auch wenn sie einem nicht immer schmecken mag.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Herr Kollege, Ihr letzter Satz jetzt, bitte.
Ich hätte von der FDP einen Debattenbeitrag erwartet, ob bzw. wie wir gemeinsam das Recht der Gemeinnützigkeit so ausgestalten und stärken, dass Zwecke wie die Förderung der Menschenrechte sowie Engagement für Demokratie und Grundrechte enthalten sind. Aber dass Sie gemeinnützige Organisationen als Trittbrettfahrer beurteilen, zeigt das ganze Ausmaß Ihres Antrags.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herzlichen Dank. – Als nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke die Kollegin Amira Mohamed Ali.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Die gute alte SPD bekennt sich nicht zum Rechtsstaat! – Gegenruf des Abg. Michael Schrodi [SPD])
Frau Kollegin, es wäre schön, Sie würden beginnen. Wir wollen den Austausch im Haus nicht befördern.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7245868 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 39 |
Tagesordnungspunkt | Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei Straftaten |