Hermann Otto SolmsFDP - Änderung des Parteiengesetzes
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Verfahren hat mein Kollege Marco Buschmann das Notwendige gesagt. Deswegen will ich mich auf drei sachliche Gründe beschränken, und zwar will ich begründen, warum wir den Gesetzentwurf aus sachlichen Gründen ablehnen.
Erstens. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Grundsatzurteil von 1992 eine über die Indizierung der absoluten Obergrenze hinausgehende Erhöhung nur dann für zulässig erklärt, wenn sich die Verhältnisse einschneidend geändert haben. Dazu führen die Koalitionsfraktionen schlicht und einfach die Digitalisierung der Kommunikationswege und neue Instrumente innerparteilicher Partizipation an. Für die innerparteilichen Fragen gibt es weder im Verfassungsgerichtsurteil noch im Parteiengesetz irgendeine Grundlage. Wenn Sie das als Grund anführen wollten, müssten Sie das Parteiengesetz erst entsprechend ändern.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Zur Digitalisierung. Sie haben sich überhaupt nicht die Mühe gemacht, die Forderung inhaltlich zu begründen, geschweige denn die zusätzlichen Kosten von 25 Millionen Euro in der Höhe in irgendeiner Weise vorzurechnen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Das ist in dieser pauschalen Beurteilung bei weitem nicht ausreichend. Das haben uns im Übrigen auch die Sachverständigen in der Anhörung bestätigt.
Zweitens. In der ersten Lesung des Gesetzentwurfs wurde die Notwendigkeit der Erhöhung auch damit begründet, dass ja durch die jetzt gültige absolute Obergrenze die Ansprüche der Parteien auf Beteiligung an der staatlichen Teilfinanzierung nicht ausgeschöpft werden könnten. Das ist nun ein besonders scheinheiliges Argument.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn im Dezember 2015 haben die Koalitionsfraktionen bei einer Änderung des Parteiengesetzes die Ansprüche selber angehoben, und zwar von 70 Cent auf 83 Cent je Wählerstimme und von 38 Cent auf 45 Cent für jeden Euro bei Spenden und Beiträgen bis zur Höhe von 3 300 Euro je natürliche Person.
Diese Erhöhung war damals völlig wirkungslos, weil die absolute Obergrenze das nicht zur Wirkung hat kommen lassen. Ich habe mich damals, als ich das gelesen habe – ich war ja nicht im Parlament –, gefragt: Was haben die da eigentlich gemacht? Das macht doch gar keinen Sinn. – Es stellt sich aber jetzt heraus, was die Absicht war.
Wenn Sie mit dieser Begründung die absolute Obergrenze jetzt erhöhen wollen, verschweigen Sie, dass Sie die Erhöhung der Ansprüche vorher bewusst selbst herbeigeführt haben.
(Beifall bei der FDP und der AfD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Offenkundig haben Sie schon mit der damaligen Erhöhung der Zuschläge auf Beiträge, Spenden und Wählerstimmen die Begründung für die jetzt nachfolgende Anhebung der Obergrenze schaffen wollen. Sie wollen dem Wahlvolk also vorgaukeln, dass Sie objektiv zu dieser Erhöhung gezwungen seien, obwohl Sie die Gründe dafür selbst absichtlich herbeigeführt haben, und das scheint mir überhaupt nicht zulässig zu sein.
(Beifall bei der FDP und der AfD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Drittens. Sie übergehen bei Ihrem Griff in die Kasse der Steuerzahler total den Sinn der Verteilungsmaßstäbe für die staatlichen Mittel. Der Staat stellt einen durch die absolute Obergrenze definierten Betrag für alle Parteien gemeinsam zur Verfügung.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)
Um die Verteilung dieses Geldes wetteifern die Parteien. Maßstab dafür ist die Höhe der Beiträge und Spenden sowie die Zahl der Wählerstimmen.
Wenn also Parteien bei Wahlen Millionen an Stimmen verlieren, wie es Union und SPD bei der Bundestagswahl erfahren mussten, dann muss ihr Anteil an der staatlichen Finanzierung sinken,
(Beifall bei der FDP und der AfD)
und das müssen diese Parteien akzeptieren; das ist ja gerade der Sinn des Wettbewerbs.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau! – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das tun wir ja!)
– Wenn Sie es akzeptieren, dürfen Sie nicht jetzt gleich wieder in die Kasse greifen, um das auszugleichen.
(Beifall bei der FDP und der AfD)
Das mussten wir Freien Demokraten nach der Wahl 2013 selbst erfahren. Wir haben die Zähne zusammengebissen, dies klaglos hingenommen
(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Klaglos? – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Klaglos? Nein!)
und versucht, durch bessere Politik erfolgreicher zu sein, und zwar durch den Einsatz von weniger Mitteln. Das ist die Konsequenz, die ich auch Ihnen empfehle; das war nämlich erfolgreich.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Aber durch Ihren frechen Griff in die Kasse der Steuerzahler wollen Sie sich genau dieser Konsequenz entziehen und so weitermachen wie bisher. Ich sage Ihnen voraus: Das wird nicht erfolgreich sein.
(Beifall bei der FDP)
Dieses Verhalten steht eindeutig im Widerspruch zu Sinn und Wortlaut der Verfassungsrechtsprechung, und das können wir Freien Demokraten nicht akzeptieren.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner ist der Kollege Jan Korte, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7245924 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 40 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Parteiengesetzes |