Gökay AkbulutDIE LINKE - Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollen heute in der Sache über den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten entscheiden. Jetzt soll die Diskussion darüber nicht mehr sachlich geführt werden. Die FDP und die AfD instrumentalisieren die heutige Debatte, um über rechtswidrige Praxen an der deutschen Grenze zu diskutieren.
(Beifall bei der LINKEN – Benjamin Strasser [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)
Wir als Linke sagen ganz deutlich: Eine Zurückweisung an der Grenze ohne ein rechtsstaatliches Verfahren ist ein Verstoß gegen verbindliches Recht.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt möchte ich zu der eigentlichen Debatte kommen. Heute wollen die Koalitionsfraktionen den Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten auf Dauer abschaffen. Gerade einmal bis zu 1 000 Angehörige pro Monat sollen künftig zu ihrer Familie nachziehen können. Aber ob und wann das der Fall sein wird, weiß keiner. Das ist für die Betroffenen wirklich unerträglich.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Kollegin Akbulut, kleinen Moment. Ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Abgeordneten von Storch?
Nein, das möchte ich nicht.
(Zurufe von der AfD: Oh!)
Schwer erträglich ist auch das parlamentarische Schnellverfahren, in dem das Ganze hier durchgezogen werden soll. Ich kann Ihnen sagen: Die von dieser Regelung betroffenen Menschen können es kaum fassen, wie schnell und bedenkenlos heute hier über ihr Schicksal entschieden wird. Ich möchte Sie an dieser Stelle erinnern: Es geht hier um Menschen, die Schwerstes erlebt und durchgemacht haben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Schon seit Jahren sind diese Menschen zwangsweise von ihren Vätern, Müttern, Kindern und Geschwistern getrennt. Die Koalition will diese Leidenszeit einfach um weitere Jahre verlängern. Nehmen Sie künftig bitte die Worte „christlich“ und „Familie“ einfach nicht mehr in den Mund.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In der Anhörung des Innenausschusses am vergangenen Montag haben nahezu alle Sachverständigen deutliche Kritik an dem Gesetzentwurf geäußert. Auch der Bundesrat hat konkrete Einwände und Forderungen aufgestellt. Die Koalition aber peitscht hier den Gesetzentwurf ohne jede Berücksichtigung dieser fachlichen Einwände im Eilverfahren durch.
Nach unserer Auffassung – das entspricht der Auffassung vieler Sachverständiger, fachkundiger Verbände, der Kirchen, des Deutschen Instituts für Menschenrechte usw. – verstößt der Gesetzentwurf der Koalition gegen das Recht auf Familie, wie es im Grundgesetz und in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist.
(Beifall bei der LINKEN – Benjamin Strasser [FDP]: Da haben die Sachverständigen aber was anderes gesagt, Frau Akbulut!)
Auch wenn sich daraus kein direktes Recht auf Einreise zur Familienzusammenführung ableiten lässt: Unter bestimmten Bedingungen gibt es eben doch eine Verpflichtung des Staates, die Familieneinheit auch hier in Deutschland zu ermöglichen.
Sie nehmen eine Ungleichbehandlung der GFK-Flüchtlinge und der subsidiär Schutzberechtigten vor, die sich sachlich und menschlich einfach nicht begründen lässt. Beide gelten nach nationalem und EU-Recht gleichermaßen als international Schutzberechtigte. Beide Gruppen sind in gleicher Weise schutzbedürftig. Das sehen Sie doch an den syrischen Flüchtlingen. Unabhängig davon, welchen Status sie bekommen haben: Eine Rückkehr in den nächsten Jahren ist diesen geschundenen Menschen nicht möglich. Deshalb fordern wir mit unserem Gesetzentwurf: Das Recht auf Familienleben für international Schutzberechtigte muss wieder uneingeschränkt gelten.
(Beifall bei der LINKEN)
In der Anhörung der Sachverständigen am Montag ist deutlich geworden, dass bislang völlig unklar ist, wer künftig in welcher Reihenfolge kommen darf. Die praktische Umsetzung der Kontingentregelung droht administrativ an die Wand zu fahren. Das formulierte der Leiter der Berliner Ausländerbehörde.
Ich kann Ihnen sagen, zu welchem Ergebnis das Ganze führen wird: Die Behörden werden mit der Prüfung der Anträge erneut überfordert sein. Sie werden es aus bürokratischen Gründen nicht schaffen, 1 000 Visa pro Monat zu erstellen. Meine Damen und Herren, das ist untragbar und auch unverantwortlich.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das Mindeste wäre gewesen, dieses Gesetz in seiner Wirkung zu befristen und die Auswirkungen der Neuregelung erst einmal gründlich zu evaluieren. Nicht einmal das haben Sie beschlossen. Es ist einfach zum Fremdschämen.
(Beifall bei der LINKEN)
Für uns als Linke gibt es nur eine humanitäre Lösung, die auch meine Kollegin Ulla Jelpke vergangene Woche schon angesprochen hat: Jeder Mensch hat das Recht auf seine Familie,
(Zuruf von der CDU/CSU: In seinem Heimatland!)
und das muss auch für alle Flüchtlingsgruppen gelten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Wort hat die Kollegin Luise Amtsberg für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7245959 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 40 |
Tagesordnungspunkt | Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten |