15.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 40 / Tagesordnungspunkt 21

Frank SchwabeSPD - CO2-Vorgaben für neue Pkw

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Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Um einen dramatischen Klimawandel und die dramatischen Auswirkungen zu verhindern oder zumindest einzuhegen,

(Zurufe von der AfD: Was ist daran dramatisch?)

haben wir uns vieles vorgenommen, nämlich die Form der Energieerzeugung der Wirtschaft, der Landwirtschaft, des Wohnens, aber auch des Verkehrs zu verändern. Wir müssen den Verkehr auf eine neue Grundlage stellen. Das gilt für alle Bereiche. Es wird nicht funktionieren nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. – Es wird nicht funktionieren,

(Beifall bei der SPD)

die Pariser Klimaziele – es ist gut, dass wir alle die multilateralen Ziele teilen – zu beschwören und am Ende, wenn es konkret wird, vor den tatsächlichen Maßnahmen zurückzuschrecken. Wenn wir bis zum Jahr 2050 auf eine 80- bis 95-prozentige Treibhausgasreduktion kommen wollen, dann brauchen wir am Ende eigentlich einen kompletten Umbau des Verkehrsbereichs. Ich will betonen, das ist nicht die Aufgabe der Umweltministerin – jedenfalls nicht allein –, sondern es ist die Aufgabe des Verkehrsministers, dort seinen Beitrag zu leisten. Deswegen will ich auch betonen, dass wir neben der Kommission, die wir haben, um den Strukturwandel im Energiebereich voranzubringen, eine Verkehrskommission brauchen, die rechtzeitig, bis wir ein Klimaschutzgesetz im Jahr 2019 verabschieden, entsprechende Vorschläge unterbreitet. Wir von der SPD warten darauf, dass Bundesverkehrsminister Scheuer entsprechend liefert.

(Beifall bei der SPD)

Das ist übrigens auch der Rahmen für die Debatte, die wir heute führen, nämlich für die Frage der CO 2 -Grenz­werte von Pkw und kleinen Nutzfahrzeugen in der Europäischen Union. Es müsste eigentlich der Bundesverkehrsminister sein, dem es ein Hauptanliegen ist, für herausfordernde Grenzwerte jenseits des bisherigen Vorschlags der EU-Kommission zu sorgen, weil es ein System der kommunizierenden Röhren gibt. Das soll heißen: Alles, was wir europäisch nicht erreichen, werden wir hinterher national erreichen müssen. Hier reden wir über Maßnahmen wie Tempolimits, Dienstwagenprivileg, Steuern und Abgaben und Ähnliches. Das alles sind keine leichten Debatten.

Der Vorschlag der EU-Kommission würde nicht einmal 10 Prozent der 50 Millionen Tonnen bringen, die wir national bis zum Jahr 2030 einzusparen haben.

Herr Kollege Schwabe, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beutin?

Ja.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an Die Linke gewandt: Ihr bleibt dann in der nächsten Debatte noch dabei! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja!)

Vielen Dank, lieber Kollege Schwabe. – Aus Sicht der Linken sind insbesondere die Versäumnisse im Verkehrssektor relevant dafür, dass die Bundesregierung die Klimaschutzziele 2020 krachend verfehlt. Vor diesem Hintergrund wurde in der Regierungsbefragung am Mittwoch zu diesem Thema nachgefragt. Der Kollege Staatssekretär Steffen Bilger aus dem Verkehrsministerium hat gesagt – ich zitiere wörtlich –:

Auch die Elektromobilität will ich hier nennen, bei der wir auch wirklich vorankommen. Zum Beispiel hatten sich viele schon von dem Ziel, bis 2020  1 Million Elektrofahrzeuge auf unseren Straßen zu haben, verabschiedet mit der Begründung, es sei nicht erreichbar. Mittlerweile ist selbst dieses Ziel in greifbare Nähe gerückt.

Vor diesem Hintergrund frage ich: Erstens. Teilen Sie angesichts von 50 000 Elektrofahrzeugen auf unseren Straßen die Einschätzung, dass das Ziel von 1 Million Elektrofahrzeuge bis 2020 realistisch und in greifbarer Nähe ist?

Zweitens. Wenn nein, haben Sie sich von diesem Ziel verabschiedet?

Erstens. Ich teile die Einschätzung, dass es sehr schwierig wird – Sie haben ja die Zahlen genannt –, das Ziel zu erreichen.

Zweitens sind wir in der Tat dabei, uns klarzumachen, dass viele der Ziele, die wir uns im Bereich des Klimaschutzes gesteckt haben, nicht erreicht werden. Wir sind aber trotzdem dabei, alles zu versuchen – ich habe ja gesagt, es gibt eine Kommission für den Bereich der Energiewende und der Energiepolitik –, um den Zielen möglichst nahe zu kommen. Ich denke, das ist auch die Aufgabe, die wir haben.

Ich bin mir ziemlich sicher – das haben wir auch im Koalitionsvertrag vereinbart –, dass wir die Ziele, die wir haben, zukünftig gesetzlich fixieren müssen, mit klaren, überprüfbaren Schritten und am Ende auch mit der Selbstverpflichtung, Strafen in Kauf zu nehmen, wenn wir die Ziele nicht erreichen. Wir brauchen ein Klimaschutzgesetz, um jedenfalls in Zukunft die Ziele, die wir uns gegeben haben, auch vollständig zu erreichen. In der Zwischenzeit ist es unsere Aufgabe, alles zu tun, um den Zielsetzungen so nah wie möglich zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will es noch mal sagen: Wir reden hier über kommunizierende Röhren. Der Vorschlag der EU-Kommission würde nicht mal 10 Prozent der 50 Millionen Tonnen bringen, die wir national bis 2030 einzusparen haben. Wenn man ganz genau hinhört, dann merkt man: Es sind nicht nur die Umwelt- und Verbraucherschutzverbände – der ADAC und andere –, die Spielräume sehen; eigentlich sieht auch die Automobilindustrie noch den einen oder anderen Spielraum, um den Zielen, die die Kommission vorgeschlagen hat, näher zu kommen und die Umsetzung nach vorne zu bringen.

(Beifall des Abg. Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insofern will ich sagen, dass die Umweltministerin jedenfalls unsere volle Unterstützung auf diesem Weg hat.

Ich glaube, eine Lehre hat die deutsche Öffentlichkeit – das kann man parteiübergreifend so sagen – aus den Skandalen der Automobilwirtschaft in den letzten Monaten und Jahren gezogen: Die Konzerne allein sind nicht in der Lage und nicht willens, den Umbau, der notwendig ist, voranzutreiben, sondern sie brauchen klare politische Vorgaben, im Übrigen keine Schlupflöcher wie die von der FDP vorgeschlagene Einbeziehung des Verkehrs in den Emissionshandel, weil das – wie man weiß, wenn man sich mit den Fachleuten unterhält – unterm Strich heißen würde, dass in dem Bereich eigentlich gar nichts passiert. Sie brauchen klare Vorgaben, die herausfordernd sind.

Was wir als SPD nicht wollen, sind Strukturbrüche, die zu hohen Arbeitsplatzverlusten oder gar zum Verlust ganzer Konzerne führen. Deshalb unterstützen wir die Forderung der sozialdemokratischen Abgeordneten im Europaparlament, die sich für eine aktive Industriepolitik mithilfe eines Umstrukturierungsfonds einsetzen. Es ist unsere Aufgabe, die Automobilindustrie am Ende komplett umzuwandeln – zu Konzernen, die Mobilität so organisieren, dass sie nachhaltig, klimagerecht und zukunftsgerecht ist. Ich glaube, das ist die richtige Initiative im Sinne des Klimaschutzes, aber auch im Sinne der Konzerne. Am Ende ist das der beste Schutz von Arbeitsplätzen, von Wertschöpfung in diesem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwabe. – Als Nächstes für die FDP-Fraktion der Kollege Dr. Lukas Köhler.

(Beifall bei der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7246015
Wahlperiode 19
Sitzung 40
Tagesordnungspunkt CO2-Vorgaben für neue Pkw
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