Sebastian HartmannSPD - Regierungserklärung: Europäischer Rat und NATO-Gipfel
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD hat sich das mit der Frage des Regierungseintritts ja wahrlich nicht so einfach gemacht wie die Liberalen, die alleine entschieden, dann abgesagt haben und jetzt vom Spielfeldrand schlaue Tipps geben und sich so ein bisschen die Rosinen raussuchen, das, was ihnen gerade passt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber wir haben unsere Entscheidung getroffen und einen Koalitionsvertrag verfasst, in dem der erste Satz lautet: „Ein neuer Aufbruch für Europa“ – ich wende mich jetzt an die Kollegen von CSU – und nicht „Ein neuer Ab bruch von Europa“ heißt, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Christian Lindner [FDP]: Nach 100 Tagen müssen Sie das schon sagen?)
Wenn man so manche Wortwahl im Innenausschuss oder auch hier im Plenum verfolgt, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass das hier eine sehr ultimative Lage ist. Das Zeitalter der Ultimaten sollte aber vorüber sein, und vor allem sollten nicht Minister der Bundesregierung anderen Mitgliedern der Bundesregierung solche Ultimaten stellen; denn sonst könnte man ja auch umgekehrt einmal überprüfen, ob irgendetwas von dem, das lautstark angekündigt wurde, überhaupt stattgefunden hat. Wenn man vor Rechtspopulisten Angst hat und vor ihnen warnt, gleichzeitig Worte wie „Asylgehalt“ und „Asyltourismus“ verwendet, wird man am Ende selbst zum Rechtspopulisten.
(Beifall bei der SPD – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Frechheit! – Zuruf von der AfD: Das legen Sie fest?)
Der deutsche Innenminister hat erklärt, in dieser Lage Europas und der Welt handele es sich um insgesamt 100 Personen pro Monat, die möglicherweise von einer nationalen Maßnahme gemäß einem „Masterplan“, der 63 Punkte umfasst, betroffen sind. Dieser Masterplan ist seit etwa 100 Tagen im Raum, aber niemand kennt ihn genau, und die bayerischen Kollegen sagten, es sei so etwas wie das „Bernsteinzimmer der deutschen Innenpolitik“. Der Hauptunterschied ist: Das Bernsteinzimmer hat es gegeben.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])
Am Ende sollte man doch mal die Fakten sprechen lassen: Es wird von 100 Personen gesprochen, und wenn wir das Statistische Bundesamt bemühen, dann wissen wir, dass wir eine Außengrenze von fast 3 900 Kilometern haben. Dann wird die ganze Aufregung doch relativ überschaubar.
Und wenn man dann auch noch einmal fragt, von wem man sich eigentlich abgrenzen will, möchte ich ein wenig in der Geschichte zurückgehen: Ich erinnere an den 22. November 2005, als Herr Schäuble, CDU, zum Innenminister ernannt worden ist. Ich erinnere an den 28. Oktober 2009, als Thomas de Maizière, CDU, zum Innenminister ernannt worden ist. Am 16. März 2011 wurde Hans-Peter Friedrich, CSU, zum Innenminister ernannt. Am 17. Dezember 2013 wurde Thomas de Maizière, CDU, zum Innenminister ernannt. Am 14. März 2018 wurde Horst Seehofer, CSU, zum Bundesminister für Inneres, Bau und Heimat ernannt – und er möchte sich von der Politik aller seiner Vorgänger ab heute abgrenzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die Faktenlage. Deswegen stellen wir in der SPD uns die Frage: Worüber reden wir eigentlich, wenn wir dafür sorgen wollen, dass Deutschland ein stabiler Faktor in einem geeinten Europa ist? Die Menschen im Land haben die Erwartungshaltung an uns, dass wir unsere Arbeit machen, diesen Koalitionsvertrag umsetzen und uns auf die tatsächlichen Probleme Europas – die Lösung kann nur eine europäische Lösung sein – konzentrieren.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es gibt eine große Menge zu tun, wenn es darum geht, die soziale Sicherung im Land für alle Menschen zu garantieren, die Investitionen voranzubringen und dafür zu sorgen, dass Europa nicht auseinanderfällt und zusammenhält. Deswegen müssen wir natürlich auch bei der Wortwahl – es wird von „Ultimaten“ und davon gesprochen, dass Europa von der „Spaltung“ und „Zerstörung“ bedroht ist – sehr genau unterscheiden.
Ja, das Risiko ist da. Es besteht die Gefahr, dass die Populisten gewinnen und Strategien von Trump über seinen Twitteraccount tatsächlich zur Spaltung Europas führen können. Darum kommt es doch umso mehr darauf an, dass wir in Deutschland ein starkes Signal für ein einiges Europa setzen und zur Sachpolitik zurückkehren.
Wir haben einen guten Koalitionsvertrag geschlossen, der zu einem neuen Aufbruch für Europa und einer neuen Dynamik in Deutschland führen soll.
(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Mit euch? – Florian Hahn [CDU/CSU]: Davon dürft ihr gern ein bisschen mehr annehmen, von der Dynamik!)
Aber ein offenes Wort: So haben wir uns das mit der Union nicht vorgestellt, dass Sie die Dynamik dazu nutzen, möglicherweise einen bayerischen Landtagswahlkampf wichtiger zu nehmen als die Politik, die Sie machen wollen.
(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Den Landtagswahlkampf habt ihr längst abgeschrieben! Die SPD ist längst weg!)
Ich komme noch mal auf die Innenpolitik zurück: Ich habe natürlich sehr genau gemerkt, was zur Bundespolizei gesagt worden ist. Gestern ist erwähnt worden – ich komme aus Nordrhein-Westfalen, wie Sie alle im Saal wissen –, dass auch in Nordrhein-Westfalen Bundespolizisten fehlen. Ich mache mir natürlich Gedanken darüber, ob sich der Innenminister darauf konzentrieren kann, Sicherheit an deutschen Bahnhöfen – übrigens auch am Kölner Hauptbahnhof, in der Nähe der Domplatte – oder zum Beispiel auch am Flughafen Köln/Bonn – auch in meiner Heimatregion – zu garantieren.
(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das hat der nordrhein-westfälische Innenminister nicht geschafft! Wie hieß denn der von euch? Jäger! Der konnte das nicht!)
Gleichzeitig erkennen wir einen gigantischen Berg an Überstunden bei den Polizistinnen und Polizisten.
Regen Sie sich nicht auf. – Gehen Sie zur Sachpolitik über, verzichten Sie auf Ultimaten, machen Sie eine ordentliche Politik, und sagen Sie mit mir zusammen Danke an die Bundespolizistinnen und Bundespolizisten, die einen hervorragenden Job machen
(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Trotz Jäger!)
und sich darauf verlassen, dass wir endlich auch einen machen. Da könnte die CSU auch mitmachen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Jetzt hat das Wort der Kollege Jürgen Hardt, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU – Florian Hahn [CDU/CSU]: Guter Mann!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7249181 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung: Europäischer Rat und NATO-Gipfel |