28.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 42 / Tagesordnungspunkt 4

Klaus MindrupSPD - Klima- und Energiepolitik

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Montag dieser Woche hatte ich einen sehr interessanten Termin in meinem Wahlkreis. Unter dem Mauerpark wird ein riesiger Stauraumkanal gebaut, um anfallendes Regenwasser zu speichern. Wir haben nämlich in Berlin angeblich Jahrhundertregenereignisse fast jedes Jahr. Der Klimawandel ist also auch hier schon spürbar, und die Stadt Berlin muss zig Millionen Euro investieren, um mit den Folgen umzugehen.

Parallel drohen in diesem Jahr große Ernteschäden in Brandenburg und Mecklenburg, weil zu wenig Regen fällt, parallel steigen global die Temperaturen, und parallel bauen wir an der Nordseeküste höhere Deiche. In anderen Ländern gibt es viel dramatischere Entwicklungen. Aber zu all dem sagt die AfD: Dies hat nichts mit menschlichem Handeln zu tun, nichts mit dem Ausstoß von Kohlendioxid und anderen klimarelevanten Gasen.

(Zurufe von der AfD)

Schauen wir einmal zehn Jahre zurück und uns die damaligen Prognosen der Klimaforscher an. Sie haben gesagt: Mit steigender CO 2 -Konzentration gibt es mehr extreme Regenereignisse, erhöhte Temperaturen, mehr Trockenperioden, einen Anstieg des Meeresspiegels. All das tritt jetzt ein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU])

Wir standen schon einmal vor einer ähnlichen globalen Bedrohung, nämlich der Gefährdung der Ozonschicht durch Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Die internationale Gemeinschaft hat unter anderem mit dem Montrealer Protokoll darauf eine klare Antwort gefunden. Auch damals gab es Interessenvertreter, die gesagt haben: Ist ja gar nicht erwiesen. Wir können warten. Es gibt andere Ursachen. – Aber die haben sich glücklicherweise nicht durchgesetzt; sie lagen nämlich falsch. Wenn sie sich durchgesetzt hätten, wäre das eine Katastrophe gewesen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU])

Ich sage Ihnen deutlich: Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung; aber keiner hat das Recht auf eigene Fakten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)

Ich sage Ihnen aber auch: Wir müssen besser werden. Das Verfehlen der Klimaschutzziele 2020 muss für uns ein Weckruf sein. Gut gemachter Klimaschutz ist ein Beschäftigungsmotor und nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch gut für unsere Volkswirtschaft und gut für die Menschen in unserem Land.

Seien wir doch nicht so pessimistisch. Das Aachener Modell, nach dem erstmals kostendeckend Solarenergie vergütet worden ist, ist im Jahr 1992 mit 2 D-Mark pro Kilowattstunde gestartet. Die letzten Ausschreibungen haben einen Preis von durchschnittlich 4,67 Cent für Photovoltaik ergeben, zum Teil lag er unter 4 Cent. Bei der Onshorewindenergie sind wir im Jahr 2000 mit 17,8 Pfennig gestartet. Bei der letzten Ausschreibung lag der Preis bei 5,7 Cent. Die Erneuerbaren sind also wirtschaftlich und schlagen alles andere.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbaren lag im Jahr 2016 bei 370 000. Für 2020 sind 500 000 Arbeitsplätze prognostiziert.

(Zuruf von der AfD: Wie viele Arbeitsplätze fallen weg durch Klimaschutz?)

Das ist eine Erfolgsgeschichte, die wir nicht durch unsinnige Anträge gefährden dürfen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen aber auch den Strukturwandel begleiten und den betroffenen Regionen helfen. Als Berliner – noch vor wenigen Jahren hat man gedacht, diese Stadt sei auf dem absteigenden Ast – kann ich Ihnen ein paar Zahlen mitgeben: Von 2008 bis 2017 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Berlin um 340 000 gestiegen, allein im letzten Jahr um 59 000 – auch im Umweltsektor. Lassen Sie uns also mutiger sein! Es gibt gute Chancen, die wir nutzen müssen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass wir auch auf die Kosten pro gesparter Tonne CO 2 achten werden. Dies spricht ganz klar für den Ausbau der erneuerbaren Energien, weil sie eben so günstig geworden sind. Die Stromwende muss zu einer echten Energiewende werden.

Im Gebäudebereich brauchen wir einen neuen Schub. Wir müssen auch dort ganzheitlich denken. Wir müssen im Quartier denken. Wir müssen dort die Erneuerbaren und die Speicher stärken.

Und wir brauchen natürlich eine Verkehrswende. Dazu nur zwei Schlagworte. Wir brauchen eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs, und auch Wasserstoff wird dabei eine Rolle spielen. Wenn es heute Wasserstoffbusse gibt, die durch die Volksrepublik China fahren und dort produziert werden, muss auch unsere Industrie diese Chancen nutzen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karsten Möring [CDU/CSU] und Thomas Lutze [DIE LINKE])

Ich habe keine Angst davor, wenn Wasser aus dem Auspuff kommt. Vor so einer Zukunft muss man keine Angst haben.

Wir haben in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz für einen gut gemachten Klimaschutz. Auch die Industrie geht voran. Zum Teil ist sie ja sogar ambitionierter als wir, unter anderem Siemens. Ich habe mich sehr über die Studie des BDI gefreut, in der gesagt wurde: Klimaschutz ist gut für unser Land. Der BDI hat aber auch gesagt: Seid bei den Zielen etwas zurückhaltender. Dazu sage ich denen: Ihr habt euch die Techniken von diesem Jahr angeschaut und gesagt, dass wir damit eine Reduktion um 80 Prozent schaffen. Aber wir schaffen die Treibhausgasneutralität; denn es wird weitere Innovationen geben. Wir müssen ein innovationsfreundliches Land sein.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karsten Möring [CDU/CSU] und Thomas Lutze [DIE LINKE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir tragen eine große Verantwortung für unser Land. Da kann man noch so sehr alles Mögliche wegrechnen: Unser Pro-Kopf-Emissionsbudget in der Vergangenheit war groß und ist heute noch zu groß. Die Verantwortung, die wir da weltweit tragen, müssen wir wahrnehmen. Wir müssen wieder ein Vorbild sein. Wir müssen die Chance nutzen, hier zu einem Neustart zu kommen, und das werden wir auch in dieser Koalition. Ich lade alle, die guten Willens sind, dazu ein, daran mitzuwirken; denn ich glaube, auf den Antrag der AfD kann es nur eine Antwort geben: ein gutes Klimaschutzgesetz als Parlamentsgesetz.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Karsten Möring [CDU/CSU] und Thomas Lutze [DIE LINKE])

Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke Lorenz Gösta Beutin.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der AfD: Was soll der mitgebrachte Gegenstand!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7249201
Wahlperiode 19
Sitzung 42
Tagesordnungspunkt Klima- und Energiepolitik
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