28.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 42 / Tagesordnungspunkt 5

Mario BrandenburgFDP - Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Gäste! Lassen Sie mich mit einer Frage starten: Was hat Fußball mit Fortschritt gemeinsam?

(Andreas Mrosek [AfD]: Seit gestern nichts mehr!)

Seit gestern wissen wir leider, dass eine erfolgreiche Weltmeisterschaft 2014 nicht zwangsläufig zu einer erfolgreichen WM 2018 führt.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das wussten wir schon vorher!)

Genauso verhält es sich mit Fortschritt; denn eine erfolgreiche industrielle Revolution führt nicht zwangsläufig zu einer erfolgreichen digitalen Revolution. Aus diesem Grund unterstützen wir Freien Demokraten ausdrücklich den Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommission zur künstlichen Intelligenz, können aber nicht verschweigen, dass wir uns an der einen oder anderen Stelle schon etwas mehr Vorarbeit gewünscht hätten. Andere Nationen sind in der Entwicklung von und im Umgang mit nationalen Strategien schon wesentlich weiter: Kanada, UK, Finnland, Japan, Singapur, Südkorea, Indien, China und viele mehr haben bereits nationale Handlungsstrategien und wissen genau, wohin sie als Nation möchten und wohin nicht. Wir brauchen eine offene Debatte, um zu beweisen, dass Zukunftsängste überflüssig sind.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Künstliche Intelligenz hat – wie auch der digitale Wandel – leider ein Kommunikationsproblem. In Teilen der Bevölkerung regen sich Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Arbeitsplatzverlust oder generelle Technologie- und Fortschrittsfeindlichkeit. Hier müssen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam ansetzen, um den Menschen konkreten Nutzen in ihrer Lebenswirklichkeit zu stiften. Möglichkeiten, dies zu tun, sind bessere medizinische Diagnostik und Versorgung, moderne Mobilitätskonzepte und daraus resultierende Reduzierung der Zahl der Verkehrsopfer, smarte Hilfssysteme, schnellere Verwaltungsprozesse und vieles, vieles mehr.

Künstliche Intelligenz ist kein Schicksal oder Alien, das vom Himmel auf uns gefallen ist, um uns zu versklaven, auch wenn der eine oder andere Zeitungsbericht dies anders darstellt. Vielmehr ist es eine Revolution in der Informatik, eine Informatik 2.0, wenn Sie so wollen, in der der Entwickler nicht mehr zwingend den Weg zum Ziel direkt kennen oder verstehen muss. Der Algorithmus probiert selbstständig aus und erlernt, ähnlich wie ein Kind, durch Wiederholen Muster für kommende Handlungen. Diese Veränderungen und die daraus resultierenden Möglichkeiten könnten der Schlüssel sein, um die digitale Transformation entscheidend voranzutreiben und alle in der Gesellschaft davon profitieren zu lassen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Nadine Schön [CDU/CSU])

Warum ist eine politische Kommission an dieser Stelle so wichtig? Im Zusammenhang mit KI wird – wie auch hier – an Superlativen nicht gespart. So laufen wir als Gesellschaft Gefahr, dass künstliche Intelligenz als Hype abgetan wird und wir keine klaren Handlungsstrategien und Handlungsanweisungen definieren. Doch genau das wäre fatal. In Zeiten, in denen Googles DeepMind-Algorithmus in Stunden das Laufen erlernt, DNA-Informationen serialisiert und gespeichert werden können, smarte Maschinen immer weiter in menschliche Hoheitsgebiete vordringen und autonome Waffen eine nie dagewesene Bedrohung darstellen könnten, ist es umso wichtiger, politisch aus den Löchern zu kriechen und wieder in den Gestaltungsmodus zu kommen.

(Beifall bei der FDP)

Es fühlt sich manchmal an, als hätten wir in Deutschland aufgehört, zu träumen; denn während in den 60er-Jahren noch von Städten auf dem Mond oder unter Wasser geredet wurde, geht es heute leider oft nur noch um ein Weiter-so. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen aber wieder lernen, zu träumen; denn wenn wir als Deutsche und Europäer nicht schleunigst eine Utopie entwickeln, dann bestimmen eben die Utopisten aus dem Silicon Valley und China, wie die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder aussehen wird.

Europäische Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit, das Recht auf Privatsphäre müssen bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz im Mittelpunkt stehen.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Sören Bartol [SPD])

Algorithmen sollen den Menschen ergänzen, nicht ersetzen – assistieren ja, substituieren nein.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Des Weiteren gibt es in Deutschland spezielle gesellschaftliche Gegebenheiten wie genaue Vorstellungen von ethischen Standards, einen starken Mittelstand als Rückgrat unserer Wirtschaftskraft und eine besondere Liebe zur Qualität. Als ehemaliger Softwareentwickler in einem großen internationalen Konzern kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass es unterschiedliche Ansprüche an Qualität von Softwaredienstleistungen auf beiden Seiten des Atlantiks gibt. Daher muss unser Ziel sein: hochqualitative KI made in Germany.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Nadine Schön [CDU/CSU] und Sören Bartol [SPD])

Der Wettlauf um die künstliche Intelligenz hat erst begonnen. Wir in Europa verfügen über enormes Potenzial: Wissenschaft und Grundlagenforschung, diversifizierte Produktionsstandorte, Bildung, Kultur, verschiedene Sprachen und vieles mehr. Es muss uns gelingen, diese Potenziale im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz zu heben;

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

denn die Zeit drängt. Sollte es die Politik, also wir, nicht schaffen, rechtzeitig ethische Leitplanken zu definieren, beginnen große Tech-Konzerne, selbst Ethikregeln zu definieren. Dies ist zwar durchaus eine lobenswerte Tat und geschieht vermutlich aus ehrenwerten Motiven, kann und darf aber nicht der Anspruch eines Parlaments sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Lassen Sie uns deshalb gemeinsam handeln und die Chancen im Blick behalten!

Wir Freien Demokraten wollen nicht vorauseilend regulieren und unseren Forschern stattdessen beispielsweise sogenannte Regulatory Sandboxes – ich erkläre das Wort gerne, bevor es zu Kritik kommt: kontrollierte, aber nur schwach regulierte Testumgebung – zur Verfügung stellen. Dies bietet die Möglichkeit, neue Erkenntnisse erst einmal geschützt auszutesten, bevor der Gesetzgeber möglicherweise regulierend eingreifen muss. Hätte der Gesetzgeber nach dem ersten Unfall von Carl Benz’ neuartigem Gefährt voreilig regulierend eingegriffen, würden wir vielleicht noch heute mit dem Pferd ins Krankenhaus geritten werden.

(Beifall bei der FDP)

Ich freue mich auf den Austausch in dem Gremium. Wir stimmen dem Antrag zu.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Sören Bartol [SPD] und Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke ist Dr. Petra Sitte.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7249222
Wahlperiode 19
Sitzung 42
Tagesordnungspunkt Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz
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