Karl LauterbachSPD - Enquete-Kommission "Berufliche Bildung"
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ist festzustellen: Die Ausbildung muss reformiert werden, das Studium muss reformiert werden, wir müssen die Produktion reformieren. Wir stehen vor dem größten Umbruch unserer Arbeitswelt seit Jahrzehnten. Das wird die Arbeitswelt nicht nur in Deutschland massiv verändern.
Dieser Umbruch ist seit Jahren wissenschaftlich vorbereitet, aber er wird erst langsam fühlbar. In ersten Studien dazu von Brynjolfsson und McAfee oder von Osborne und Frey ist man zunächst davon ausgegangen, dass die Hälfte der Berufe schlicht wegfällt. Wir wissen heute, dass das wahrscheinlich nicht passieren wird.
Es gibt drei Auswirkungen, die wir unterscheiden müssen. Das ist auch die Aufgabe der Kommission, die wir einsetzen.
Zum einen wird es Berufe geben, die tatsächlich wegfallen. Sie werden durch Maschinen und Dienstleistungsprogramme ersetzt. Die wird es nicht mehr geben. Das ZEW in Mannheim geht davon aus, dass das etwa 5 Millionen Beschäftigte in Deutschland betreffen wird.
Ein zweiter Punkt ist der, dass sich existierende Berufe dahin gehend verändern, dass man weniger qualifiziert sein muss als heute, um diese Berufe ausüben zu können, weil künstliche Intelligenz, Robotik oder andere Hilfestellungen, die aus der Digitalisierung kommen, das Anforderungsprofil absenken. Das heißt, diese Berufe werden schlechter bezahlt werden, und sie werden auch leichter ersetzbar sein, zum Beispiel in anderen Ländern. Da geht uns ein Vorteil verloren, den wir immer gehabt haben. Unser Mittelstand – das hat der Kollege von der AfD ja auch ausgeführt – ist darauf besonders schlecht vorbereitet.
(Tino Chrupalla [AfD]: Was ist das für ein Schwachsinn!)
Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt auf der Grundlage der Einschätzung von Wissenschaftlern sehr wenige mittelständische Firmen, die das System der sogenannten Smart Factory umsetzen. Das hängt an vielen Schnittstellen, aber es ist tatsächlich so – das sagen Experten –, dass wir nicht so gut vorbereitet sind, wie wir es sein müssten.
Die dritte Auswirkung ist: Es werden ganz neue Möglichkeiten an Berufen und auch Geschäftsfeldern entstehen. Sie entstehen durch den Umbau selbst. Derjenige, der die Maschinen, die Intelligenz, die Netze und die Dienstleistungsplattformen aufbaut, die diesen Wandel anderswo möglich machen, wird das exportieren können. Das ist für uns eine große Chance.
Wenn man das alles zusammenfügen will, muss man auf allen Ebenen arbeiten. Wir brauchen so etwas wie einen „Masterplan künstliche Intelligenz“, wir brauchen die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“, aber wir brauchen auch eine Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz und berufliche Bildung“; denn zum jetzigen Zeitpunkt werden die Grundlagen der Programmierung von Maschinen in fast keinem Ausbildungsberuf vermittelt, auch in vielen großen Unternehmen nicht. Es gibt nur wenige, die das bisher machen. Auch die Berufsschullehrer sind wenig auf diese Form der Ausbildung vorbereitet.
Sie können mir glauben, dass ich mir selbst vor Ort ein Bild machen konnte. Bei mir im Wahlkreis gibt es große Unternehmen, beispielsweise in der Pharma- und in der Chemieindustrie, die sofort einräumen würden, dass sie noch einen Weg zu gehen haben. Für diesen Weg braucht man unsere Unterstützung. Wir müssen diese Bereiche durch Forschungsförderung, aber auch durch konzertierte Vorgaben, wie wir die Umstellung schaffen, vorbereiten. Dafür brauchen wir tatsächlich die beiden wichtigen Enquete-Kommissionen und auch die Arbeit des Ministeriums. Ich freue mich daher ganz besonders – wenn ich das richtig einschätze –, dass zum Schluss alle Fraktionen hinter der Einsetzung der Enquete-Kommission stehen. Das würde mich zumindest sehr erfreuen. Das wird eine wichtige Arbeit sein, auf die ich mich persönlich auch freue.
Ich danke Ihnen sehr für die vorzügliche Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, lieber Karl Lauterbach. Ich danke für die fast vorzügliche Einhaltung der Redezeit. Heute wird nämlich streng darauf geachtet, sonst tagen wir bis morgen früh.
Nächster Redner: Dr. Jens Brandenburg für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7249290 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Enquete-Kommission "Berufliche Bildung" |