28.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 42 / Tagesordnungspunkt 7

Jens BrandenburgFDP - Enquete-Kommission "Berufliche Bildung"

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Vielen Dank, Frau Präsidentin. Damit bin ich schon einmal vorgewarnt. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über eine Stärkung der beruflichen Bildung, über das gemeinsame Ziel, mehr junge Menschen in die berufliche Aus- und Weiterbildung zu bringen. Warum denn eigentlich? Zum Ersten, weil junge Menschen sehr unterschiedliche Wünsche, Ziele und Talente haben, manche eher theoretisch, andere sehr praktisch veranlagt. Wir wollen jedem die weltbeste Bildung mit auf den Weg geben. Zum Zweiten, weil wir auch in Zukunft, gerade im Zeitalter der Digitalisierung, gute Fachkräfte brauchen, die theoretische Innovationen in praktische Anwendungen, Produkte und Dienstleistungen übersetzen können. Sie können einem Akademiker durchaus die weltbeste CNC-Fräse oder einen 3-D-Drucker vor die Nase setzen; aber er wird ohne entsprechende Vorqualifikation Probleme haben, daraus einfach Flugzeugteile oder gar eine Hüftprothese herzustellen. Deshalb wollen wir die berufliche Bildung stärken.

(Beifall bei der FDP)

Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung darf keine leere Floskel sein. Der Deutsche Qualifikationsrahmen, der DQR, setzt ja zu Recht den beruflichen Meister und den akademischen Bachelor auf ein Qualifikationsniveau, weil die Anforderungen sehr vergleichbar sind. Es geht um eigenständiges Arbeiten, um sehr komplexe Problemlagen und Aufgaben, die sich im Laufe der Zeit sehr schnell verändern. Gerade in der beruflichen Bildung sind die Anforderungen in der Praxis sehr hoch. Denken wir an die Konzentrationsfähigkeit. Ich bin selbst Akademiker und weiß, man kann durchaus den einen oder anderen Flüchtigkeitsfehler in einer akademischen Analyse später korrigieren. Das geht in der beruflichen Praxis häufig nicht. Denken Sie an Pflegekräfte, die Medikamente an Patienten austeilen, an einen Schreiner, der direkt an der Maschine arbeitet, oder auch an einen Gasleitungsinstallateur.

All diese Anforderungen spiegeln sich Gott sei Dank zunehmend im Gehaltsniveau wider. Das Einstiegsgehalt eines Tischlermeisters beispielsweise ist durchschnittlich auf dem Niveau des Einstiegsgehalts eines Bachelors der Geschichtswissenschaften. Dennoch drängen wir zunehmend junge Menschen in die Hochschulen. Das hat verschiedene Gründe: gesellschaftliche Vorurteile, die Kommunikation an Schulen, die Berufsorientierung, aber eben auch, was wir als Politik vorleben. Frau Ministerin, Ihr Haus möchte 2,2 Milliarden Euro allein in den Hochschulpakt investieren. So weit, so gut, aber gerade einmal etwa ein Drittel dieser Summe ist Ihrem Haus die Qualität der beruflichen Bildung wert. Im Hochschulbereich haben wir eine etablierte Exzellenzinitiative als Innovationsmotor, als Wettbewerb um die besten Ideen. Etwas Vergleichsbares in ähnlicher Größenordnung – Frau Fahimi, wir haben ja gestern darüber gesprochen – gibt es im Bereich der beruflichen Bildung überhaupt nicht.

(Yasmin Fahimi [SPD]: Koalitionsvertrag!)

Erasmus+ steht formal allen offen; aber so etwas wie den DAAD, eine solche Austauschagentur, kennen wir in der beruflichen Bildung nicht. Wer einen akademischen Bachelor anstrebt, studiert in aller Regel gebührenfrei, anders derjenige, der den Meister in der beruflichen Bildung macht. Zur Begabtenförderung gibt es umfangreiche Systeme im Hochschulbereich, aber kaum etwas in der beruflichen Bildung. Selbst im öffentlichen Dienst kommen Sie als Einsteiger – trotz vergleichbarer Qualifikation – nur dann in die höheren Entgelt- und Besoldungsgruppen, wenn Sie einen formalen Hochschulabschluss mitbringen. Wer von Gleichwertigkeit redet, muss den Worten endlich Taten folgen lassen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die Enquete-Kommission – ich hoffe, dass wir sie gleich einmütig hier beschließen – nicht als Feigenblatt nutzen, auf dass in drei Jahren einfach ein paar wohlklingende Worte beschlossen werden, sondern als mutigen Schritt nach vorne für ein wirkliches Update der beruflichen Bildung. Das sind wir all den jungen und älteren Menschen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung schuldig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Alois Gerig [CDU/CSU])

Vielen Dank, Dr. Brandenburg. – Nächste Rednerin: Birke Bull-Bischoff für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7249292
Wahlperiode 19
Sitzung 42
Tagesordnungspunkt Enquete-Kommission "Berufliche Bildung"
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